Der «Untergang des Delphin» – Roman, Musik und szenische Lesung

Der Schriftsteller Emil Zopfi hat den «Untergang des Delphin» akribisch nachgezeichnet und in Form eines Romans festgehalten, was sich in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1850 mit dem Post- und Passagierschiff auf dem Walensee ereignet hat. Er hat sich mit jenen befasst, die sich als Passagiere von Walenstadt nach Weesen befördern liessen, die in jener Nacht Dienst taten, am sicheren Ufer Gäste bewirteten, von Amden oder Weesen aus das Schicksal des Schiffs mitverfolgten.



Der Untergang des Delphin – Roman, Musik und szenische Lesung (Bilder: peter meier)
Der Untergang des Delphin – Roman, Musik und szenische Lesung (Bilder: peter meier)

Sie alle hatten mit einem heftigen, alles zerstörenden Sturm zu tun, der einfach alles mit sich riss und viel Elend hinterliess. Emil Zopfi hat sich anerkennenswert gewissenhaft und spürbarer Hingabe mit verschiedensten Schicksalen, Historischem, Wirtschaftlichem. Gesellschaftlichem und Politischem befasst und eine Zeitspanne zum Leben erweckt, die man sich so kaum mehr vorstellen kann. Soziales Elend, Wohlstand, wirtschaftliches Emporstreben, Standesdünkel, Befindlichkeiten der verschiedensten Arten, Bedeutung des Walensees als Verbindungsweg – damals noch ohne sichere, dem See entlang führende Strasse. Zopfi stellt die Passagiere vor, befasst sich mit ihrer Herkunft, ihrem Sehnen und den oft unerfüllbaren Wünschen, er lässt Befindlichkeiten aufleben, schreibt über Ablehnungen, beruflichen Stolz, Wohlstand, über die damaligen Schifffahrtsgesellschaften, das Anwerben und Einstellen der Besatzungsmitglieder. Er befasst sich mit dem damals herrschenden sozialen Elend, Militärgeschichtlichem, dem rastlosen Streben nach Reichtum, dem Aufkommen der Textilindustrie und den Wegfall der Handarbeit. Es ist als öffne sich ein ganzes Kapitel mit riesigem Inhalt. Mit immenser Hingabe und unerhörtem Fleiss präsentiert Zopfi ein Stück Lokalgeschichte. Lange, vielleicht zu lange, wurde dieses tragische Ereignis, dessen Folgen landesweite Anteilnahme auslöste, totgeschwiegen, bis vor wenigen Jahren eine Gedenktafel aufgestellt wurde.

Zu Zopfis Roman hat Daniel R. Schneider einen Soundtrack für zwei Instrumentalisten auskomponiert. Sie waren es – als Mitglieder des Glauser Quintetts – die das von Markus Keller nacherzählte Geschehen mit hoher Präsenz begleiteten. Angeboten war das vom Kulturforum Brandluft organisierte Begegnen an geschichtsträchtiger Lage – im Seminarhotel Lihn, Filzbach.

Gret Menzi begrüsste namens der Veranstalter. Man wurde dank Markus Kellers leidenschaftlichem, intentionsreichem Erzählen in eine Welt geführt, die so viel Leben, Leidenschaft, urchiges Kommentieren durch die auf der «Delphin» damals mitfahrenden Passagiere in sich birgt. Keller erwies sich als kunstvoll theatralischer Erzähler, der Rollen blitzschnell zu wechseln vermag, mitreissend leidenschaftlich zu agieren versteht. Damit nahm er die gebannt Hinhörenden auf eine Reise mit, deren Tragik Emil Zopfi mit seinem Roman mit viel Hingabe gefügt hat. Einer der kenntnisreich Warnenden deutete das aus, was aufrüttelnde, tragische Tatsache wurde: «Nehmt euch in Acht, heut Nacht, habe ich zu den Schiffern gesagt. Aber auf mich hört ja niemand …».

Man vernahm von Joschis Angst, hörte die Verliebte, begegnete dem Schwerreichen, folgte den Worten des glarnerischen Kunderts, bekam mit, was der Heizer Bachmann und der Kapitän ausdrückten, ahnte, dass ein schrecklicher Sturm aufziehen und den nicht eben in starken Unwettern seetauglichen, unwetterfesten «Delphin» zerstören würde.
Die Fahrt von Walenstadt nach Weesen wäre ohne Sturm problemlos verlaufen. Es kam ganz anders.

Das mit ungemein starker Hingabe präsentierte Geschehen untermalten Daniel R. Schneider (Gitarre, Keyboard) und Martin Schuhmacher (Akkordeon, Klarinette, Schlagwerk) mit hoher Präsenz, detailreich ausschmückend, betonend, vertiefend.

Jäh endete das Leben der Passagiere, immens war die Betroffenheit jener, die sich auf die Suche machten, nur wenig Überreste fanden, rätselten, trauerten, zu helfen versuchten.

Das wechselvolle hochleidenschaftlich Ausgestaltete wurde mit viel Applaus verdankt. Noch erfuhr man einiges über die Interpretierenden, erwarb sich vielleicht den von Emil Zopfi geschriebenen Roman oder ein Tondokument – bevor es Zeit wurde, sich wieder dem Alltag zuzuwenden.