Ein «DU» muss man sich verdienen

Hoi, was hättisch gärä ka?» So oder so ähnlich klingt es in den letzten Jahren immer öfters. Ich spreche hier von der «DU»-Kultur, die sich immer weiterverbreitet. Die einen stört es nicht, die anderen ärgern sich. Ganz nach dem Motto: «Siezt du noch, oder duzt du schon.» Hier sind meine ganz persönlichen Gedanken darüber.



Kolumne: Ein «DU» muss man sich verdienen (martin c.mächler)
Kolumne: Ein «DU» muss man sich verdienen (martin c.mächler)

Ich sitze in einem Spezialitäten-Restaurant in der Nähe von Zürich. Das Essen ist ausgezeichnet, dementsprechend sind auch die Preise hoch. Das hat hier auch seine Berechtigung. Die Kellnerin kommt zu mir und fragt: «Was hettisch du gärä ka?» Wohlbemerkt, wir kennen uns nicht, und sie ist etwa 40 Jahre jünger als ich. Ich bin etwas irritiert, als sie mich duzt. Aber ich lasse mir nichts anmerken. Später finde ich heraus, in diesem Lokal ist die DU-Kultur eingezogen. So oder so ähnlich klingt es an vielen Orten. DU oder nicht DU, das ist hier die Frage. Am richtigen Ort und zur richtigen Zeit ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden. Sei es im Verein, in einem Club, bei Freizeitaktivitäten mit anderen. Für mich gilt aber, in gewissen Situationen möchte ich selber entscheiden, ob ich geduzt werden will oder nicht. In unseren Breitengraden hat es mit Respekt zu tun. Dazu möchte ich aber noch sagen, dass diese Du-Kultur nicht von den Angestellten in den Lokalen oder Firmen kommt, die direkt mit den Kunden zu tun haben. Dies wird in den oberen Etagen entschieden. Ob sie damit auf dem richtigen Weg sind, wage ich zu bezweifeln. Ich für meinen Teil, werde nicht mehr in dieses Spezialitäten-Lokal gehen. Ich fühle mich dort nicht mehr so richtig wohl.

Auch die Werbung macht vor diesem DU nicht halt: «Martin, wir haben ein tolles Produkt für dich!» / «20% Rabatt, nur für dich!» / «Du bist auserwählt für unser Sonderangebot!» usw. Damit wollen uns die Firmen eine Nähe, eine Vertrautheit vorgaukeln. Bei mir gelingt dies allerdings nicht.

Bei meiner nicht repräsentativen Umfrage zeigte sich, ich stehe mit meiner Meinung nicht alleine da. Viele finden dieses Geduze von Fremden störend. Auch das Wort «respektlos» wurde einige Male erwähnt. Wenn ich jemandem das «DU» anbiete oder angeboten bekomme, hat das seinen Grund. Ein Befragter sagte es treffend: «Ein «DU» muss man sich verdienen.» Das ist auch meine Meinung.

Oft höre ich, dass im Englischen immer geduzt werde – und zwar alle. Falsch. Im Englischen heisst es «you», das klingt zwar fast wie ein DU, ist es aber nicht, denn es gibt keine alternative Anrede. Nur durch eine höfliche Formulierung z.B. «Would you like a cup of tea?» bzw. informelle Frage «How about a cup of tea?» wird zwischen du und Sie unterschieden.

Die Meinungen gehen da weit auseinander. DU oder nicht DU. Wenn in den nordischen Ländern das DU schon weit verbreitet ist, müssen wir dies hier nicht auch noch einführen. Aber wie schon erwähnt, ich möchte selber entscheiden, wer mich duzen darf oder nicht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen – oder doch Dir (?) – interessante Begegnungen.