450 Jahre William Shakespeare

Wüsste William Shakespeare etwas über die Bearbeitung seiner 36 Stücke, wäre das hin und wieder zitierte «sich im Grab drehen» vollendete Tatsache. Dafür verantwortlich und massgebend zuständig wäre Bernd Lafrenz, der sich mit ungeheurer Leichtigkeit, Unverfrorenheit, gelinder Respektlosigkeit und bemerkenswerter Kreativität an die Bearbeitung von zuweilen hoch Dramatischem gemacht hat. In der Folge präsentiert er sein Bearbeiten derart vergnüglich, dass den Hinschauenden und stets aufmerksam Zuhörenden eine Reise in mannigfaltige Abwechslungen garantiert ist.



450 Jahre William Shakespeare

Christa Pellicciotta durfte mit ihrem Ankündigen auf das Lafrenz`sche Schaffen hinweisen; er ist seit 16 Jahren am Bearbeiten und mittlerweile beim 9. Werk des englischen Meisters angelangt. Rechnet man weiter, wird Bernd Lafrenz noch einige Male in der Kulturbuchhandlung, im «Wortreich» in Glarus – damit im kleinen, feinen Hauptort – gastieren.

Und dann legte Lafrenz los, sich querbeet in fast allem tummelnd, was «Der Sturm» von Shakespeare inhaltlich hergibt. Das eigentliche Geschehen ist auch für jene klar, die von Seefahrt, immensem Wellengang, Luftgeistern, royalen Irrungen und Wirrungen nicht allzu viel verstehen, sich aber spätestens dann zu interessieren beginnen, wenn die Einmann-Show startet, wenn Lafrenz mit der ihm eigenen Leichtigkeit des Seins loslegt, dieses und jenes vertiefend behandelt, anderes als schöpferischer, wortakrobatischer Freigeist ausdeutet. Prospero ist der rechtmässige Herzog von Mailand. Sein Bruder Antonio vertrieb ihn.

So wurde er zum Magier, zu einem Mächtigen, dem alle Geister zu dienen haben. Der ungemein schnelle Luftgeist Ariel und der ungeheuerliche Caliban sind in seiner Macht. Er lebt mit seiner Tochter Miranda auf einer Insel. Alles verläuft ruhig – bis ein irrer Sturm aufkommt und ein Schiff am Rande der Insel strandet. Und im Schiff sind ausgerechnet Prosperos alte Feinde, seien das der arglistige Antonio samt Bruder Sebastian; Alonso, König von Neapel; der langbärtige Ratgeber Gonzalo; der Spassmacher Trinculo (man ahnt, dass er Alkoholischem gar nicht abgeneigt ist) und der Kellermeister Stefano mit seiner MEF, der Mobilen Einsatzflasche. Auf Geheiss seines Meisters legt der Luftgeist Ariel wunschgemäss los, stiftet da und dort gewaltig Unruhe, bewegt sich so schnell wie jeder Wind. Den Sturm samt ungeheuer schwankendem Schiff und angriffigen Haien inszeniert das vergnügte Publikum mit wenigen Requisiten unter kundiger Anleitung des Bernd Lafrenz, der irgendwo in seinem Inneren einen gewaltig grossen Korb mit irrwitzigen Ideen zu tragen scheint. Und beinahe so schnell, wie sich Ariel rumbewegt, wechselt Lafrenz die Rollen. Liebe, Leidenschaft, Verwünschungen, Bedrohliches, Schwerstarbeit, Verkuppeln von Liebenden, Verschwörerisches, Musiksignete, eine Vielzahl von Gesten, grossartiger Mimik, Grollen, Erleichterung, Anmut, Verstecken wechseln in irren Tempi. Alle überleben den Schiffbruch, Prinz Ferdinands Liebe zu Miranda erzürnt Prospero vorerst, obwohl er neunmalklug analysiert, dass sich in diesem Fall die Augenpaare alles gesagt haben, dass aber weitere körperliche Signale fehlen. En passant erfährt man die unschönen Taten des Caliban, erahnt, wie viel Holz der arme Ferdinand zur Strafe spalten muss, folgt dem Misstrauen wegen eventuell vergifteter Äpfel – es baut sich ein vergnügliches «Gnüel» auf.

Versöhnlich wird’s am Ende: Die hehre Aussage, dass die Tugend der Vergebung höher stehe als jede Rache, führt zum Happy End. Alles bleibt am Leben, das Schiff ist wieder startklar.

Lafrenz hat viele verwöhnt, hat Spass und Begeisterung fast im Übermass verbreitet. Der lange und herzliche Beifall war fast ein Abschied in Wehmut – aber man vernahm von kundiger Seite, dass bald einmal der «Sommernachtstraum» zur Aufführung gelangen werde – wiederum in der kultigen Buchhandlung.