60 Jahre Wasservogelzählung am Walensee

Im Norden Europas und Russlands brüten im Sommer Wasservögel wie Enten, Gänse und Taucher in grosser Zahl. Den Winter verbringen diese Vögel an Gewässern im Mittelmeerraum, Mitteleuropa und Westeuropa. Vor etwa 80 Jahren wurde in Westeuropa ein beunruhigend starker Rückgang etlicher Entenarten bemerkt, der wahrscheinlich auf eine zu intensive Bejagung zurückzuführen war. Es wurde darum beschlossen, dass in ganz Europa koordinierte Zählungen der Wasservögel stattfinden sollen, um frühzeitig Bestandesveränderungen erkennen und entsprechende Massnahmen organisieren zu können.



Wasservogelzählung heute wie vor 60 Jahren eine anspruchsvolle Aufgabe. (Bild: zvg)
Wasservogelzählung heute wie vor 60 Jahren eine anspruchsvolle Aufgabe. (Bild: zvg)

In der Schweiz organisierte die Vogelwarte diese Wasservogelzählungen und führte im Winter 1951/2 erste Probeerhebungen an verschiedenen Seen durch. Auch am Walensee haben am 1. Januar 1952 die beiden Vogelkundler Alfred Zuberbühler aus Netstal und Conrad Staeheli aus Ennenda bei bitterer Kälte erstmals Wasservögel gezählt.

Die Ausbeute am Walensee war mit 638 gezählten Wasservögeln beachtlich. In der Folge wurden in der Schweiz an 100 Gewässern und allmählich in allen Ländern Europas, des Nahen Ostens und Afrikas Zählungen durchgeführt. Mittlerweile beteiligen sich 100 Länder in Europa, Asien und Afrika mit mehreren 10 000 freiwilligen Helfern an diesen Erhebungen, die jeweils Mitte November und Mitte Januar stattfinden. Es handelt sich um eine der grössten internationalen Aktionen von Freiwilligen und eine der grössten periodischen Zählungen von Lebewesen.

Auf den Gewässern der Schweiz verbringen rund 500 000 Wasservögel den Winter. Der grösste Teil dieser Vögel stammt aus Skandinavien, Osteuropa und Russland. Einzelne Wintergäste fliegen sogar aus Ostsibirien mehr als 6000 km in die Schweiz. Die Schweizer Gewässer sind für einige Arten wie die Kolbenente, Schnatterente, Reiherente und Tafelente von grosser Bedeutung. Der Walensee gehört nicht zu den Wasservogel-reichen Gewässern in der Schweiz. Pro Jahr werden etwa 2500 bis 3000 Vögel gezählt. Das ist erheblich mehr als vor 60 Jahren, stellt aber weniger als 1 Prozent des Schweizer Bestandes dar. Der Walensee verfügt über zu wenig Flachufer mit Pflanzenbeständen und seine Ufer sind zu steil, um grosse Vogelbestände ernähren zu können. Nachdem im Jahre 1984 die Wandermuschel eingewandert war, ist die Zahl der überwinternden Blässrallen, Reiher- und Tafelenten stark gestiegen, sank dann wieder etwas und liegt heute deutlich über dem Stand aus den 1950er-Jahren. Auf dem Walensee werden heute etwa drei- bis viermal mehr Wasservögel gezählt als noch vor 50 Jahren. Auf dem Walensee und dem Fabrikweiher in Ziegelbrücke überwintern bemerkenswert viele Haubentaucher, Schellenten und Schnatterenten. Der Walensee/Fabrikweiher hat für diese Arten eine spezielle Verantwortung. Alle paar Jahre können auch Besonderheiten wie Eistaucher, Mittelsäger, Spiessente oder andere beobachtet werden. Die Wasservogelzählungen zeigen uns, dass die Vögel erstaunlich schnell auf neue negative wie positive Entwicklungen reagieren. Nach dem Zuwandern der Wandermuschel wie auch nach der Bestandeszunahme der Armleuchteralgen als Folge der verbesserten Wasserqualität sind die Bestände einiger Vogelarten erstaunlich schnell angestiegen.

Zwischen 1952 und 1996 haben Alfred Zuberbühler, Conrad Staeheli und Fritz Horner, Garus, die Zählungen durchgeführt. Der Walensee war anfänglich zwischen dem Gäsi und Mühlehorn nur über den manchmal gefährlichen Wanderweg zugänglich. Erst mit dem Bau der Walenseestrasse und dem Veloweg wurden die Zählungen auf diesem Abschnitt erleichtert. Ab 1996 organisiert Rolf Noser, Oberurnen, diese Zählungen, die in zwei Teams ab Weesen und Walenstadt, teilweise mit dem Velo, stattfinden. Es ist nicht immer ein Zuckerschlecken, an den fixierten Terminen bei Kälte, Wind oder Schneeschauer diese Aufgabe durchzuführen.