«Eine lebendige Magerwiese erkennt man am Ton», erklärt Lea Egloff, Umweltingenieurin und Projektleiterin des Bergwaldprojektes den Freiwilligen. Und tatsächlich: Auf den Wiesen im Chrauchtal ist das Zirpen der Heuschrecken und Grillen mehr als deutlich zu hören. Während der Arbeit hören die Freiwilligen die «Musik» der Insekten aber wegen dem Lärm der Motorsägen nicht. Denn vom 5. bis 24. August sägen sie kleinere Bäume von Hand und schleppen Ahornäste im Bruchwald auf 1400 m ü.Meer unterhalb der Sonnenterrasse Weissenberge, um die Landschaft von nationaler Bedeutung zu erhalten.
In diesem Seitental des Sernftales und auf den Weissenbergen wechseln sich Flach- und Hochmoore sowie Magerwiesen in einem einzigartigen Landschaftsmosaik mit dem Schutzwald ab. Sie sind Zeitzeugen der Bewirtschaftung der letzten Jahrhunderte und ein wahres Eldorado an wertvollen Pflanzen- und Tierarten: In den Riedflächen finden sich seltenste Orchideen, und alleine auf einem Quadratkilometer zählten Wissenschaftler 65 verschiedene Tagfalterarten.
Doch der Strukturwandel im Berggebiet hinterlässt seine Spuren. Die offenen Flächen wachsen ein, die lichtbedürftigen Arten verlieren ihre Lebensgrundlage, die Vielfalt der alpinen Landschaft verschwindet. Das Mähen der offenen Flächen ist zwar in Bewirtschaftungsverträgen geregelt. Vielerorts ist der bereits vor 30 Jahren einsetzende Prozess der Wiederbewaldung dadurch aber nicht zu stoppen. Hier braucht es zusätzlich helfende Hände: Zum Beispiel Umweltstudentinnen und Mathematiker, Maturanden und Physioterapeutinnen – ingesamt 15 freiwillige Frauen und Männer von 17 bis 67 Jahren – fällen zusammen mit Mitarbeitern der Forstgruppe von Glarus Süd die Bäume an den Rändern der Mager- und Riedwiesen und schichten das Holzmaterial hinter dem Waldrand auf. Dies stoppt die Verbuschung, bringt Licht auf den Boden und erleichtert das regelmässige Mähen der Wiesen und Moore. So ist die zukünftige extensive Bewirtschaftung garantiert.
Das Bergwaldprojekt arbeitet seit 19 Jahren im Sernftal im Kanton Glarus. Dieses Jahr legen die Freiwilligen auf Initiative des Amtes für Umweltschutz zum ersten Mal auch Hand an für den Landschaftsschutz im Chrauchtal. Das Projekt wird auch durch den Fonds Landschaft Schweiz unterstützt und soll über mindestens 5 Jahre weiterverfolgt werden.
Als Unterkunft dient die einfache Forsthütte im Bruchwald. Am Abend bei Kerzenschein blicken die Freiwilligen müde, aber zufrieden auf das Geleistete zurück. Die grosse smaragdgrüne Heuschrecke auf dem Arbeitshandschuh liess die Blasen darunter vergessen. Besonders eindrücklich ist der Gegensatz zwischen dunklem Wald, der zu einem stabilen Schutzwald durchforstet wird und den warmen, lichten Wiesen mit dem krabbeligen und krautigen Leben, die von Bäumen befreit wird. Allen ist bewusst: Jede Minute Freiwilligenarbeit dient dem Erhalt der Vielfalt von Umwelt und Landschaft. Denn Schutzwald, Biodiversität und die Schönheit der Landschaft sind die Versicherung der Bergtäler.
Das Bergwaldprojekt ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Trin (GR) und führt Arbeitseinsätze mit forstlichen Laien im Bergwald durch. Das Bergwaldprojekt hat den Zweck, die Erhaltung, Pflege und den Schutz des Waldes und der Kulturlandschaft im Berggebiet zu fördern, insbesondere durch Pflege- und Sanierungsarbeiten in Arbeitseinsätzen und durch die Förderung des Verständnisses der Öffentlichkeit für die Belange des Waldes. Die Arbeit der Stiftung Bergwaldprojekt wird durch Spenden, Legate, Beiträge von Partnerorganisationen und Waldbesitzern ermöglicht.
www.bergwaldprojekt.org
65 Tagfalter auf einer Fläche
Bergwaldprojekt kämpft im Chrauchtal für die Vielfalt der Landschaft.