Abendgebet der Klimawölfe

Die vornehmste Aufgabe eines Parlaments ist, die Welt so zu gestalten, wie sie sein soll. Die vornehmste Aufgabe des Journalisten, sie so zu beschreiben, wie sie ist. Das ist eine Frage der Gewaltentrennung. Insofern waren in dieser letzten Sitzung für Landsgemeindegeschäfte 2024 (Abendgebet) die Klimawölfe mit Recht am Velofahren und in der Praxis auch.



Landratssitzung vom 21. Februar 2024 (Bilder: e.huber)
Landratssitzung vom 21. Februar 2024 (Bilder: e.huber)

Die Landratspräsidentin begrüsst die Zusehenden an den Bildschirmen und auf der Galerie und entschuldigt Andrea Bernhard, Franz Landolt, Dominique Stüssi und Heinrich Schmid. Landsgemeinderelevant war einzig die neunminütige zweite Lesung des kantonalen Veloweggesetzes, an dem in erster Lesung Redaktionelles angepasst worden war. Und für alle sei hier Artikel 13 zitiert: «Das Befahren von Fuss- und Wanderwegen mit Velos ist gestattet, sofern dies nicht durch die Rechtsordnung untersagt ist.» Mit 52:0 Ja-Stimmen geht das Gesetz an die Landsgemeinde. Zur Abschreibung seiner Motion meinte Martin Zopfi: Das Gesetz sei eine elegante Lösung und zeigte sich mit der Abschreibung einverstanden. Die Umsetzung sei aber auch eine Sache der Finanzen, die man für Velowege bereitstelle.

Strategisch touristisch

Als Kommissionspräsident liess Roger Schneider die konstruktive Auseinandersetzung mit der Tourismusstrategie und der geänderten Sachlage Revue passieren. Die Entscheidungsträger konnten mitgestalten. Trotz Covid hätten sich die Übernachtungen erholt, die Marke Glarnerland sei bekannter geworden. Es solle aber noch transparenter kommuniziert werden. Von den 12,5 Mio. Franken für touristische Kerninfrastrukturen habe der Landrat bereits 8 Mio. Franken fürs Projekt Futuro beschlossen. Mit 8:1 Stimmen empfiehlt die Kommission, jährlich 500 000 Franken in den Tourismusfonds einzulegen. Natürlich hatte man dort auch ein paar «Erbsen» (erbsengrünes Kommissionspapier) besprochen – etwa die Wild-Camper im Klöntal. Fritz Waldvogel mahnt namens der Mitte, das Tourismusangebot zu entwickeln, ist aber mit der Abschreibung einverstanden. Yvonne Carrara ist namens der SVP einverstanden. «Wir müssen lernen, Gastgeber zu sein.» Die Grünen seien auch dafür, sagt Marius Grossenbacher, moniert aber die unterschiedliche Behandlung von öV und Individualverkehr. Sarah Küng sieht das auch und ist namens der SP für den Tourismusbeitrag, Priska Müller Wahl wünscht sich in drei ausführlichen Voten mehr Ausstrahlung und mehr Zielorientierung und formuliert detaillierte Erwartungen, wie die Welt im Klöntal – und bei der Verkehrslenkung – noch besser werden soll. Regierungsrätin Marianne Lienhard beantragt ebenfalls, den Anträgen zu folgen. Der Horizont der Strategie liege bei 2030 plus – und dieses Plus zeige weit über dieses Datum hinaus. Nachholbedarf sei auch bei der fehlenden Wertschöpfung des Tagestourismus, insbesondere beim Sommer. Im «Spinnennetz» werde die Zusammenarbeit aufgezeigt, die Rolle des Kantons sei die Förderkompetenz mit Mitteln des Tourismusfonds. Sie baut auch die Brücke zum nächsten Geschäft, welches die Buslinie 544 ins Kies zur Erschliessung von Mettmen als beitragsberechtigte Tourismuslinie behandelt. Die Bewegung komme erst bei der Umsetzung in die Sache, wo es dann alle Player wieder brauche. Die Daten für den Erfolg müsse Visit Glarnerland sammeln. Dann wird abgeschrieben und eingelegt – Heureka!

Der Bus: ein Muss?

Der Regierungsrat und die Kommission sähen die Ausgangslage bei Linie 544 anders, sagt Kommissionspräsident Christian Marti. Der Regierungsrat sehe sie als neue, die Kommission als Weiterführung der «alten» Kies-Linie. Man solle die langjährige Praxis nicht kurz vor dem öV-Gesetz ändern, der Kanton also die 544 vollständig finanzieren, denn touristisch sei der Freiberg finanziell bedeutend. Mathias Vögeli verweist auf die Debatte 2015, wo die Ungleichbehandlung der Linien ihren Ausgang nahm. Der Regierungsrat versuche hier wieder, sich aus der Verantwortung zu winden. Markus Schnyder beantragt Rückweisung an die Kommission. Er finde es unpassend, die Kosten jetzt – in der Folge des Erdrutschs – teilweise der Gemeinde zu überbinden. Mathias Zopfi weist auf die Bedeutung der Vorlage hin und unterstützt namens der Grünen/Junggrünen den Rückweisungsantrag Schnyder. Bei der Aufgabenentflechtung 2009 sei die Finanzierung des öV dem Kanton überbunden worden. 2012 wurde die gelebte Praxis als Richtschnur für die Revision des öV-Gesetzes bestimmt. Gesetz und Praxis würden auseinandergehen. Der Entscheid hier schaffe ein Präjudiz fürs öV-Gesetz. Bei der rechtlichen Ausgangslage seien Landrat und Regierung aber völlig unterschiedlicher Auffassung. Samuel Zingg beantragt namens der SP dagegen Zustimmung zur Vorlage im Sinne der Regierung. Es brauche eine Aufgabe zur Finanzierung der Linie und die fehle zu 50 Prozent. Hansjörg Marti beantragt Zustimmung im Sinne der Kommission. Es sei inneffizient, das rückzuweisen oder zu verschieben. Nadine Landolt Rüegg ist namens GLP für Rückweisung, sonst sei nachher Elm-Obererbs zu 100, Schwanden-Kies aber zu 50 Prozent kantonal finanziert. Hans-Ruedi Forrer – als Gemeindepräsident Süd – unterstützt die Rückweisung. Das Durcheinander sei jetzt schon perfekt, die Gemeinde habe gut zu tun. Andreas Luchsinger unterstützt namens der Mitte die Regierungsvariante. Insbesondere Antrag 5 der Kommission schaffe ein neues Präjudiz. Landesstatthalter Kaspar Becker beantragt Eintreten und den Anträgen des Regierungsrates zu folgen. «Ihre Aufgabe ist heute, die Linie als beitragsberechtigt zu anerkennen.» Man habe den Antrag dazu von der Gemeinde mit offenem Ohr aufgenommen und nicht daran gezweifelt, habe aber – mit Blick auf das bestehende öV-Gesetz – entschieden. «Wir müssen jetzt den öV sicherstellen, nicht die Historie klären.» Das «Kies» sei viermal so teuer wie das «Klöntal», aber man wolle die 484 000 Franken zur Verfügung stellen. Das seien 10% der gesamten Kantonsbeiträge an den öV. Eindringlich bittet er den Landrat, heute zu entscheiden und nicht rückzuweisen. Christian Marti dagegen spricht sich als Kommissionspräsident für Rückweisung aus. Man stelle sich nicht übers Recht, sondern suche nach Klärung. Mit 35:16 Stimmen wird rückgewiesen.

Nach der Pause kommen Motionen zur Sprache, stillschweigend abgelehnt wird der von der GLP geforderte Leistungsauftrag für die Digitalisierung der Tourismusindustrie, der in der Motion geforderte «GlarnerlandPass» könnte z.B. über einen Leistungsauftrag an Visit Glarnerland realisiert werden. Überwiesen wird die von den Grünen geforderte Vereinfachung für Solaranlagen – etwa an Fassaden – mit dem Meldeverfahren. Für die Vereinfachung setzten sich Kaj Weibel und Martin Zopfi ein. Im Gegensatz zum regierungsrätlichen Antrag auf Ablehnung (Argument: es sei erst eine Klimastrategie auszuarbeiten) beantragt Motionär Marius Grossenbacher diese zu überweisen. Ihm geht es mit dem Klimagesetz sonst zu langsam. Andreas Luchsinger beantragt namens der Mitte ebenfalls Überweisung. Das Gesetz sei auf 2024 in Aussicht gestellt worden. Susanne Elmer Feuz dagegen unterstützt namens der FDP die Regierung. Die gesetzliche Umsetzung solle datenbasiert erfolgen. Dazu brauche es erst die Strategie – ein einzelnes Gesetz reiche da nicht aus, diverse Verordnungen würden von diesen Massnahmen betroffen. Sabine Steinmann beantragt namens der SP Überweisung. Es gehe im Verfassungsartikel um mehr als darum, ein Bewusstsein zu schaffen, sondern ums Umsetzen müssen – sonst würden die Ziele nicht erreicht. Nadine Landolt Rüegg beantragt das ebenfalls. Der Gebirgskanton Glarus sei besonders betroffen, deshalb müssten jetzt Gesetze her. Kaj Weibel weist auf die Bandbreite der Gesetzgebung hin, trotzdem sei ein Gesetz jetzt nötig. Zudem sei eine Strategie nicht breit diskutierbar – weder für den Landrat noch die Glarner Bevölkerung. Mit 26:28 Stimmen wird gegen den Antrag der Regierung überwiesen. Die Linie läuft gerade durch die Mitte des Saals. Gabriela Meier Jud als Postulantin spricht zum Postulat der FDP und setzt sich für die Verschlankung des Meldeverfahrens bei Baubewilligungen ein. Das Postulat wird als erfüllt abgeschrieben.

Grossraubtiere und Netto Null

Der Interpellant Martin Baumgartner nimmt auf die sieben getöteten Sernftaler Alpakas Bezug. Ihm leuchte die Argumentation der Regierung ein, und doch: «Wir dürfen uns von so einem Raubtier nicht eintreiben lassen.» Die bewilligten Abschüsse müssten – mit Unterstützung der Jäger – getätigt werden. Zu Netto Null erklärt Frederick Hefti, man sei sehr zufrieden mit der Antwort. Es bestehe aber dazu in der Verwaltung noch Nachholbedarf. 2040 sei aber nicht mehr weit weg und es brauche ein Klimagesetz. Bis wann das kommt? Wie schreibt Wolf(!) Biermann so schön: «Es betet ihren Rosenkranz / und gelassen / die Natur.» Sicher kommt die nächste Sitzung – allerdings erst am 24. April.