Abschied

Abschied ist immer ein bisschen Sterben, sagen die Franzosen. Dabei gibt es verschiedene Formen des Abschieds – und er kann auch ein Neuanfang sein.



Ein Abschied ist auch ein Neubeginn. (Bild: mb)
Ein Abschied ist auch ein Neubeginn. (Bild: mb)

An den Tagen um den 1. November ist der Abschied besonders präsent. Wir gedenken der Verstorbenen und besuchen deren Gräber auf dem Friedhof. Wir nehmen Abschied vom Licht, von den warmen Herbsttagen und den prachtvollen Farben, die uns die Natur in dieser Jahreszeit wieder beschert hat.

Vielleicht nehmen wir auch Abschied von Arbeitskolleginnen und -kollegen. Ich zum Beispiel habe nach mehr als 17 Jahren meine Stelle als Medienbeauftragte der Evangelisch-Reformierten Landeskirche gekündigt. Die Reaktionen beim Abschied haben mich tief berührt. Sehr viele haben mir geschrieben oder telefoniert, haben nochmals Danke gesagt, ihr Bedauern über meinen Weggang ausgesprochen, haben mich eingeladen. Dies hat doch eine gewisse Wehmut in mir ausgelöst, auch wenn ich überzeugt bin, dass der Schritt richtig gewesen ist.

Alle Veränderungen haben ihre Melancholie. Aber ein Abschied kann auch ein Neuanfang sein – für den, der geht, und für den, der zurückbleibt. Die Verstorbenen sind wohl längst in einem anderen Leben angekommen. Die Hinterbliebenen trauern um sie, aber auch für sie geht das Leben – anders – weiter. Auf den Herbst folgt der Winter, das Licht kommt mit Advent und Weihnachten zurück. Die Arbeitskolleginnen und -kollegen sind vielleicht auch noch in der Nähe, was die weitere Kontaktpflege ermöglicht. Wenn Menschen auseinandergehen, sagen sie ja schliesslich «Auf Wiedersehen» und nicht einfach «Tschau».

So steht das sprichwörtliche lachende Auge neben dem weinenden plötzlich wieder im Zentrum. Der Neubeginn greift, man sieht die Zukunft klarer. Der chinesische Philosoph Konfuzius hat gesagt: «Wohin du auch gehst, geh mit deinem ganzen Herzen.» Um zu gehen, muss man vorher Abschied nehmen. So gesehen ist ein Abschied immer auch eine Chance für einen Aufbruch in ein anderes Leben.

Und übrigens: Während ich diese Zeilen schreibe, gibt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf ihren Rücktritt per Ende Jahr bekannt. Auch sie nimmt also Abschied, packt die Chance für einen persönlichen Neuanfang und schafft damit die Möglichkeit für eine andere Zusammensetzung des Bundesrats. Ja, alles hat zwei Seiten – auch der Abschied.