Meine Damen und Herren
Wörter
meine Fallschirme
mit euch
springe
ich
ab
Ich fürchte nicht die Tiefe
wer euch richtig
öffnet
schwebt
(Horst Bienek)
Nein – ich halte nicht nochmals die gleiche Rede wie vor einem Jahr; aber ich lasse sie gleich beginnen, mit dem Gedicht von Horst Bienek.
Vor einem Jahr habe ich mir gewünscht, dass ich als Landratspräsidentin die Wörter «richtig öffne», mit Ihnen zusammen «sicher schwebe» – und hoffentlich möglichst punktgenaue Landungen hinbekomme. Aus meiner Sicht erlaube ich mir zu sagen. Es war ein sicherer (und mit nur 8 Sitzungen auch kurzer) Flug mit wenig Turbulenzen – ob die Landungen punktgenau waren, diese Beurteilung überlasse ich hingegen Ihnen. Auf jeden Fall hatte ich mit der Vizepräsidentin Daniela Bösch-Widmer eine gute Co-Pilotin dabei! Ich wünsche der designierten neuen Präsidentin bereits hier alles Gute für ihr Jahr.
Ich möchte mein Jahr Revue passieren lassen anhand von Wörtern, die mich in der Ratsleitung begleitet haben, aber auch anhand von Wörtern, die mir bei den insgesamt 48 Anlässen begegnet sind, an denen ich den Glarner Landrat repräsentieren durfte.
Zur Arbeit im Rat resp. Sitzungsleitung an sich haben sich mir vier M-Wörter eingeprägt: Mikrofon, Moderation, Michael Schüepp und MITEINANDER.
Das richtige Timing haben im Ein- und Ausschalten des Mikrofons resp. im Erteilen des Rederechts – und vor allem im «Mich-Selber-Abschalten» – so banal das klingen mag, doch immens wichtig. Das richtige Mass an Moderation finden – wo braucht es welche und wie viel an Erklärung und Erläuterung für eine effiziente und klare Führung? Bei beiden genannten Aspekten war ein drittes M-Wort wichtig: Michael Schüepp, der Ratssekretär, der immer mit den passenden Worten auf mögliche Untiefen und Unklarheiten aufmerksam machte. An dieser Stelle darum ein grosses Dankeschön an den Ratssekretär, aber auch generell an alle Personen in der Staatskanzlei, die mich im vergangenen Jahr wunderbar unterstützt haben. Und da passt natürlich auch mein letztes M-Wort gut rein: MITEINANDER, ein respektvolles MITEINANDER. Ich danke allen im Rat für den respektvollen Umgang miteinander – Einblicke in andere Räte haben gezeigt, dass dies nicht überall in diesem Masse wie hier üblich ist. Ein grosser Dank geht insbesondere auch an die Fraktionspräsident/-innen, die mich vorgängig über Beschlüsse und geplante Anträge informiert haben. Das hat meine Arbeit immens vereinfacht. Und ein grosses Dankeschön möchte ich meinen Kolleg/-innen im Landratsbüro aussprechen: Wir haben ein vertrauensvolles Miteinander erreicht, in dem offene Worte ihren Platz haben, unterstützen uns gegenseitig.
Wörter, die mir zu einzelnen Vorlagen in Erinnerung geblieben sind:
Die «Gleichbehandlung im Unrecht» und der «Vertrauensschutz». Es ist noch nicht lange her, dass wir hier im Rat intensiv diskutiert (man könnte auch sagen «gestritten») haben über die «richtige Rechtsauslegung» des ÖV-Gesetzes rund um die Finanzierung der Buslinie544 ins Kies. Ich habe dabei viel über das Recht an sich gelernt – aber auch darüber, wie es diesem Rat gelungen ist, MITEINANDER eine aus meiner Sicht tragfähige Lösung zu finden. Und ich gebe es zu, als Germanistin und eben Nicht-Juristin wunderte und wundere ich mich ab und zu über den juristischen Sprach- und Wörtergebrauch – in diesem Falle jedoch hat sich mir die Jurist/-innensprache wirklich erschlossen. Darum auch ein spezieller Dank an Arpad Baranyi, den Ratsschreiber, der Jurist, der hier mitgeholfen hat.
Ich habe auch den einen oder anderen nichtjuristischen Fachbegriff aus regierungsrätlichen Berichten aufgeschnappt, aktiv in meinen Wortschatz aufgenommen habe ich u.a. die «Neuweltkameliden» – was für ein Wort, um über Lamas und Alpakas zu sprechen.
Und gefreut habe ich mich, ich gebe es zu, dass auch in der von mir aus gesehen rechten Ratshälfte wunderbar elegant unaufdringlich gegendert wurde, bspw. bei der Vorlage zur wissenschaftlichen Edition der Gerichtsakten des Anna-Göldi-Prozesses. Vielleicht ist ja doch etwas Magie im Spiel …
Zum Schluss noch eine kleine Blüten- resp. Wörterlese von Besuchen in anderen Räten, bei Glarner Vereinen, Wirtschaftsbetrieben, Genossenschaften oder beim Militär:
Letzteres ist zumindest sprachlich recht altmodisch unterwegs, sitzt man doch bspw. auf und ab, wenn man ein Fahrzeug besteigt, als ob es immer noch ein Pferd wäre. Im Forst und Wald gibt es ein «Schlachthausparadox», so gelernt beim Glarner Waldanlass. Mitglieder beim TCS kennen nicht nur «Super Benzin», sondern auch «Superveteranen». Ich weiss jetzt, warum aus der Eternit die «Swisspearl» wurde und dass Sportschütz/-innen nicht mit einer Waffe schiessen, sondern ein Sportgerät nutzen.
Die St. Galler Parlamentarier/-innen brauchen ein «Abstandszimmer» und veranstalten eine «Aufräumsession», während das Obwaldner Ratsbüro völlig «frauenlos» ist.
Mein Lieblingswort jedoch ist der «Wortmeldeschalter» – eine bei Banken-Aktionärsversammlungen, so auch bei der Glarner Kantonalbank, verbreitete Regelung der Kommunikation.
Allenfalls ist der «Wortmeldeschalter» ja auch ein Begriff, der zur Leitung eines Parlamentes passt.
Es war ein spannendes, erfülltes und erfüllendes Jahr – und ich konnte neue Menschen und neue Seiten des Kantons kennenlernen – es ging eben nicht nur um Wörter. Und ich habe dabei in der Regel grosse Wertschätzung gespürt gegenüber der Arbeit des gesamten Landrates. Diese Wertschätzung gebe ich hier gerne weiter.
Vor allem aber habe ich dabei erneut realisiert, wie gut es uns im Glarnerland, in der Schweiz geht, gerade auch mit unserer Freiheit – und mit Blick in die Welt hinaus, wie wichtig es ist, dass wir zur Freiheit aller (und dabei insbesondere zur Freiheit der anderen, um auf die von mir in meiner Antrittsrede vor einem Jahr zitierten Worte von Immanuel Kant einzugehen) Sorge tragen. Freiheit und Demokratie sind nicht selbstverständlich.
Ich sage an dieser Stelle Danke für das Privileg, diesen Rat ein Jahr geleitet haben zu dürfen. Es war schön!