Abzocker-Initiative: nicht verfassungstauglich


Wer eine Volksinitiative entwirft, formuliert eigentlich einen Verfassungsartikel. Die Bundesverfassung ist die Grundlage der Schweizerischen Gesetzgebung. Bei Volksinitiativen sollte man sich deshalb immer auch die Frage stellen: Passen diese Sätze in die Verfassung? Aus meiner Sicht ist die Abzocker-Initiative ein Beispiel für einen Text, der nicht in die Verfassung gehört. So liest man da: «Die Organmitglieder erhalten keine Abgangs- oder andere Entschädigung, keine Vergütung im Voraus, keine Prämie für Firmenkäufe und -verkäufe und keinen zusätzlichen Berater- oder Arbeitsvertrag von einer anderen Gesellschaft der Gruppe.» Das klingt eher wie ein Gesetzestext. Ebenso die folgende Passage: «Widerhandlung gegen die Bestimmungen wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und Geldstrafe bis zu sechs Jahresvergütungen bestraft.»

Schon inhaltlich sind solche Vorschriften fragwürdig: Sie sind von einem unliberalen Geist geprägt und sie nehmen keine Rücksicht auf komplexe Spezialfälle, die im Wirtschaftsleben an der Tagesordnung sind: In manchen Situationen ist es für ein Unternehmen sinnvoll und kostengünstiger, eine Abgangsentschädigung zu entrichten, statt beispielsweise einen jahrelangen Rechtsstreit zu riskieren oder einen Reputationsschaden zu erleiden. Strafandrohungen haben aus meiner Sicht erst recht nichts zu suchen in der Bundesverfassung.

Solche Initiativen sind sicher ein Zeichen für ein verbreitetes und begründetes Unbehagen. Ich hoffe dennoch, dass es gelingt, die Verfassung von derart engen, unflexiblen Bestimmungen frei zu halten. Der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments ist aus meiner Sicht ein besserer Verfassungstext, weil er sich auf das Grundsätzliche beschränkt und grosses Gewicht auf die Erhöhung der Transparenz in der Unternehmensführung legt.

Peter Beglinger
COO Stöckli Metall AG, Netstal
Vorstandsmitglied Glarner Handelskammer