Ägypten: Wunderbares Land, aber ...

Nach vier Jahren Abstinenz verbringen wir wieder einmal eine Ferienwoche in Ägypten. Die Einheimischen machen schwere Zeiten durch, haben jedoch den Lebensmut nicht verloren. Beeindruckend!



Herrliche Strände
Herrliche Strände

Landung in Marsa Alam. Wie sind wir froh, der Konservenbüchse entrinnen zu können. Eine Zumutung, wie viele Touristen Air Berlin in den Flieger reinquetscht.

Dann aber haben wir viel Platz. Da wir die Einzigen von unserer Reisegesellschaft sind, die in einem Hotel ganz im Süden logieren, haben wir einen Privattransfer. Der Minibus rast über die Strassen, die da und dort auch schon bessere Zeiten gesehen haben. Rechts die Wüste, links das Rote Meer mit seinen Korallenriffen. Das vertraute Gefühl im herrlichen Land stellt sich sofort wieder ein. Wir passieren einige Checkpoints, wo Polizisten die Fahrzeuge kontrollieren. Da hat sich nichts verändert.

Unser Fahrer macht uns auf spezielle Bauten aufmerksam und auf entgegenkommende Laster mit Kamelen drauf. Die werden nach Kairo zu den Pyramiden gebracht. Herrlich! Weniger schön sind die vielen angefangenen Hotelbauten auf der Strecke. Da die Touristen nach der Revolution und dem Abschuss des russischen Fliegers auf dem Sinai vielfach ausbleiben, fehlt das Geld, um sie fertigzustellen. Und der Bedarf ist auch nicht mehr gegeben.

Nach der fast zweistündigen Fahrt vom Flughafen checken wir in unserem schönen Hotel direkt am Meer ein. Die Leute sind überaus freundlich – so haben wir sie bisher immer in Ägypten erlebt. Das Hotel sei zu rund 60 Prozent belegt, sagt unser Reiseleiter am nächsten Tag beim Willkommensgespräch. Das ist nicht schlecht: Die Spannweite reicht von 20 bis 70 Prozent. Und viele Hotels bleiben ganz geschlossen. Dies hat vielfältige Auswirkungen: Nicht nur die Hotels, sondern auch Tauchschulen, Shops, Ausflugsanbieter, Wellnesszonen, Schönheitssalons und viele mehr leiden unter der Situation.

Die Ägypter erzählen uns von ihrem schwierigen Leben – lachen aber auch mit uns. Es ist beeindruckend, wie sie den Lebensmut und die Lebensfreude trotz allem bewahrt haben. Da ist zum Beispiel Hassan. Er arbeitete vorher in einer spanischen Tourismusfirma in Kairo, hatte eine leitende Funktion inne und verdiente gut. Nach der Revolution verlor er die Stelle und ist nun noch für die Transfers bei Ausflügen rund um Marsa Alam zuständig. «Vor der Revolution ging es uns schlecht. Aber jetzt geht es uns noch schlechter», sagt er. Dabei muss er froh sein, überhaupt einen Job zu haben. Die Arbeitslosigkeit liegt gemäss seinen Aussagen bei rund 70 Prozent! Seine Familie lebt in Luxor, er hat sie sieben Monate nicht gesehen. Das letzte Mal bei der Geburt seines dritten Kindes, als er einen Tag nach Hause fuhr. Den Lohnausfall kann er sich nicht leisten.

Hassan lernen wir bei einem Ausflug kennen. Ahmed, Mikail und Mustafa sehen wir jeden Tag am Strand. Sie setzen sich zu uns auf den Liegestuhl und geben uns einen Einblick in ihr Leben. Ahmed zeigt meinem Mann zudem die schönsten Schnorchelplätze am Riff. Bei Mikael buchen wir eine Massage, bei Mustafa eine Schönheitsbehandlung. «Nicht für uns, sondern für euch, damit ihr etwas verdient», sagt mein Mann zu Mustafa. Der junge Ägypter ist noch ledig, will aber nächstes Jahr heiraten. Eine Frau ist zwar noch nicht in Sicht – die sucht seine Mutter für ihn aus. In Oberägypten (Region Assuan – Luxor) sei das Tradition, erzählt er. Apropos Heiraten: Wer kein Geld besitzt für ein Haus und für die Familie der Braut, kann sich nicht vermählen. Angesichts der schwierigen finanziellen Lage des Landes ein Riesenproblem.

Die Ferienwoche geht wie immer viel zu schnell vorüber. Wieder heisst es Abschied nehmen vom herrlichen Land mit den wunderbaren Menschen und der jahrtausendalten Kultur. Wir sind uns einig: Diesmal sollen nicht wieder vier Jahre vergehen, bis wir wiederkommen. Wir haben uns sehr wohl gefühlt, sind nie in eine brenzlige Situation geraten.

Am schönsten waren für uns die Begegnungen mit den Ägyptern. Nicht nur das «Hallo Schwiizer», welches Mikail jeweils von weiter Ferne rief, wird noch lange in uns nachhallen. Sie brauchen uns im fernen Land und sind froh über jeden, der kommt!