Alpabfahrten im Glarnerland sind gelebtes Brauchtum

Immer am letzten Tag im September endet jeweils die Sömmerung auf den Glarner Alpen. In den letzten Septembertagen ziehen dann die Älpler und Pächter der 88 Glarner Alpen mit ihrem Vieh heimwärts, unterstützt von zahlreichen Helferinnen und Helfer. Näfels war am vergangenen Samstag nebst Schwanden und dem Klöntal einer der Hotspots der diesjährigen Alpabfahrten. Vor einer Rekordkulisse wurden die verschiedenen Senten aus dem Oberseetal, Schwändital und dem Klöntal vom zahlreich anwesenden Publikum herzlich empfangen.



Die Alpabfahrten im Glarnerland 2023 im Rückblick (Bilder: hasp)
Die Alpabfahrten im Glarnerland 2023 im Rückblick (Bilder: hasp)

Gesetzlich verankert, müssen Älpler und Pächter der 88 Glarner Alpen bis zum 30. September ihre Alpen verlassen und in ihre Winterquartiere im Tal zurückkehren. Im Vorfeld sorgen jeweils fleissige Helferinnen und Helfer, dass sich ihr Vieh am Tag der Alpabfahrt von ihrer besten Seite zeigen kann. Ihre mit Herzblut und viel Engagement geschmückten Kopfbedeckungen und Glocken waren auch heuer für das begeisterte Publikum eine wahre Augenweide.

Organisatoren vom Publikumsaufmarsch freudig überrascht

Schon in den frühen Morgenstunden war es ein Glücksfall, einer der wenigen, nicht zahlpflichten Parkplätze in Näfels zu finden. Klare Vorzeichen für einen neuen Publikumsrekord, welcher sich im Laufe des samstagvormittags bestätigte. Es war schwierig abzuschätzen, wie viele Zuschauer effektiv die Alpabfahrten in Näfels bewunderten. Es dürften aber sicher einige Tausend gewesen sein. Jedenfalls zeigten sich die Organisatoren von Agrotourismus über den gewaltigen Zuschaueraufmarsch hocherfreut. Die breite Werbekampagne hat hier zweifellos Spuren hinterlassen. Das Publikum kam aus allen Ecken der Schweiz und sogar aus dem Ausland. In unruhigen Zeiten, wie wir es aktuell erleben, scheinen sich die Menschen auf althergebrachte Traditionen und Bräuche zurückzubesinnen. Wie aus dem Munde eines Insiders zu erfahren ist, erzielte die Alpabfahrt in Näfels einen neuen Publikumsrekord. Die breitgestreute Werbekampagne von Agrotourismus Glarnerland zeigte offensichtlich seine Wirkung. «Das hät ja nuch viel meh Lüüt als änärä Fahrt», meinte das Näfelser Urgestein und alt Gemeindepräsident Fridolin «Osterhazy» Hauser. In der Tat säumte eine unglaubliche Menschenmenge links und rechts die Hauptstrasse entlang der Route und auf dem Schulhausplatz, drinnen und draussen vor dem Festzelt und die fleissigen Serviceangestellten hatten alle Hände voll zu tun, für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen.

Sieben Senten begeisterten das Publikum

Mein Weg führte auf den Schulhausplatz, wo Maya Rhyner als versierte Moderatorin und Herausgeberin des tollen «Glarner Alpbuch» den ganzen Tag hindurch die zahlreichen Gäste in und ausserhalb des Festzeltes kompetent über die Glarner Alpen und den aktuellen Standort und die Ankunft der Senten informierte. Übrigens ist eine zweite Auflage des neuen «Glarner Alpbuch» in Arbeit und wird voraussichtlich im Oktober 2024 auf dem Büchermarkt erscheinen. Gespannt und mit viel Vorfreude erwarteten die Zuschauer mitten im Dorf Näfels, rechts und links entlang der Hauptstrasse und auf dem Schulhausplatz, die sieben angekündeten Senten. An dieser Stelle taucht immer wieder die Frage auf: Was sind überhaupt Senten. Dazu das Historische Lexikon der Schweiz: «Der milchwirtschaftliche Alpbetrieb samt Herde unbestimmter Grösse (z.B. 20–40 Tiere), im Appenzell mit fester Grösse (24 Kühe, 1 Stier) wird als Sennerei, Sente oder Senntum bezeichnet. Sentenbauern sind Bauern, die mit eigenem Vieh eine Alp neben dem Talbetrieb bewirtschaften». Dann ging es los – Schlag auf Schlag! Um 09.30 Uhr zog die erste Sente der Familie Vogel von der Alp Winteregg bei den Zuschauern vorbei, immer wieder applaudiert von den vielen Zuschauern entlang der Route. Kurz nach 10.00 Uhr war die Reihe an den Senten der Familie Kurt Fischli von der Alp Obersee-Rauti. Diesem folgte um 10.30 Uhr das prächtig geschmückte Vieh der Familie Thomas Fischli, rund dreiviertel Stunden später die Senten der Alp Obersee-Rauti von der Familie Willi Pianta, welches mit frenetischem Beifall von den begeisterten Zuschauern empfangene wurde. Kurz vor der Mittagszeit erreichte auch das Senten der Familie Fritz Fischli-Wildhaber von der Alp Nidersee-Grappli den Talboden. Nach der Mittagszeit erwarteten die vielen Zuschauer mit Spannung das absolute Highlight des Tages: Die spektakuläre Ankunft der Sente der Familie Christian Krieg von der Alp Oberlängenegg. Rund 150 Kühe, Rinder und Ziegen zogen von der im hinteren Klöntal liegenden Alp Oberlängenegg durch das Klöntal, über die Rütigasse in Netstal und der Hauptstrasse entlang durch das Klosterdorf Richtung Endziel in Oberurnen. Der krönende Abschluss einer in jeder Beziehung gelungenen Alpabfahrt 2023 bildetet die Sente der Familie Marco Landolt-Müller von der Alp Sattboden.