Alterszentren: Regierungsrat beantwortet Interpellation zu Besuchseinschänkungen

Der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner der Alterszentren vor dem Coronavirus ist wichtig. Wichtig ist aber auch, die Freiheit der Menschen möglichst wenig einzuschränken. In seiner Antwort auf einen politischen Vorstoss erklärt und erläutert der Regierungsrat die geltenden Schutzmassnahmen.



Während der ersten Corona-Welle brachte der Zirkus Mugg mit einer speziellen Tournee Abwechslung in die Alterszentren (• Foto Keystone-SDA)
Während der ersten Corona-Welle brachte der Zirkus Mugg mit einer speziellen Tournee Abwechslung in die Alterszentren (• Foto Keystone-SDA)

Am 25. Oktober 2020 reichte die SP-Fraktion eine «dringliche Interpellation zum generellen Besuchsverbot der Alters‐ und Pflegeheime in der Phase Rot des COVID‐19‐Rebound‐Konzepts»,ein.

Rebound-Konzept ist hinfällig

In seiner Antwort legt der Regierungsrat dar, wie aufgrund der stark ansteigenden Corona-Fallzahlen das kantonale COVID-19-Rebound-Konzept mit seinen verschiedenen Alarmierungsstufen durch vom Bund verfügte Massnahmen obsolet geworden ist. Deshalb kann das Rebound-Konzept nicht mehr als Grundlage für kantonale Massnahmen genutzt werden. Gleichwohl können je nach epidemiologischer Entwicklung einzelne im Rebound-Konzept erwähnte Massnahmen bei Bedarf ergriffen werden. 

Besuchsverbot gelockert

Im Zuge der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie verfügte das Departement Finanzen und Gesundheit (DFG) am 13. März 2020 gestützt auf das Epidemiengesetz ein generelles Besuchsverbot für alle Spitäler, Alters- und Pflegeheime sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen im Kanton Glarus. Damit sollten die besonders gefährdeten Patientinnen und Patienten bzw. Bewohnerinnen und Bewohner dieser Einrichtungen geschützt werden. Hinzu kam Ende März 2020 – in Übereinstimmung mit dem Bund – ein Ausflugsverbot für Bewohnerinnen und Bewohner dieser Institutionen. Im Mai 2020 wurden diese Massnahmen schrittweise gelockert. Im Zusammenhang mit dem Wechsel von der ausserordentlichen in die besondere Lage beschloss der Regierungsrat, dass auch im Kanton Glarus in Bezug auf die gesundheitspolizeilichen Massnahmen wieder die ordentlichen Zuständigkeiten gelten sollen. Er hob daher am 2. Juli 2020 die Besuchseinschränkungen, das Ausflugsverbot für die Bewohnerinnen und Bewohner der Alters- und Pflegeheime und die Isolationspflicht auf.

Stattdessen erliess das DFG am 2. Juli 2020 eine Allgemeinverfügung mit Anordnungen gegenüber den Gesundheitseinrichtungen zur Bekämpfung des Coronavirus. Diese beinhaltet auch Besuchseinschränkungen für Spitäler, Alters- und Pflegeheime sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. 

Beantwortung der Fragen

Frage 1: Kann sich der Regierungsrat in Zusammenarbeit mit den Heimen in der Phase Rot Optionen vorstellen, wie ein generelles Besuchsverbot zu verhindern wäre? Wie wären diese ausgestaltet?

Antwort des Regierungsrates: Der Regierungsrat und das für ein Besuchsverbot bzw. für Besuchseinschränkungen zuständige Departement Finanzen und Gesundheit sind sich des ethischen Dilemmas wie auch der negativen gesundheitlichen Auswirkungen auf die Bewohnerinnen und Bewohnern, die mit einem generellen Besuchsverbot in Heimen verbunden sind, sehr bewusst. Ein generelles Besuchsverbot für sämtliche Heime ist denn auch nur als letztes Mittel denkbar. Ein vorübergehendes Besuchsverbot in einem einzelnen Alters- und Pflegeheim im Fall von mehreren an COVID-19 erkrankten Personen ist jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Der Regierungsrat möchte stattdessen grundsätzlich an den geltenden Besuchseinschränkungen festhalten. Gestützt darauf können die Verantwortlichen der Einrichtungen aufgrund der epidemiologischen Lage und der konkreten Situation vor Ort die Besuche so beschränken, dass das Risiko einer Einschleppung des Coronavirus durch eine Besucherin oder einen Besucher möglichst minimiert wird. Hingegen ist es ihnen untersagt, ein generelles Besuchsverbot zu erlassen. Wie die Entwicklungen der letzten Wochen zeigen, nehmen die Einrichtungen ihren diesbezüglichen Spielraum und ihre Verantwortung wahr.

Frage 2: Wurde in den Heimen mit den Pflegebedürftigen eine Abklärung vorgenommen, inwieweit sie selber geschützt werden wollen? Wurde bei urteilsunfähigen Bewohnenden diese Abklärung mit den Angehörigen gemacht? Sind – je nach Ergebnis der Abklärungen – organisatorische oder räumliche Änderungen vorgesehen (z. B. Stockwerke/Hausteile mit oder ohne Besuchsmöglichkeit)?


Antwort des Regierungsrates: Namentlich aus den Schutzkonzepten der Alters- und Pflegeheime (APH) im Kanton Glarus können deren Haltung und die daraus resultierenden Handlungen abgeleitet werden. Stellvertretend dafür steht die entsprechende Haltung des APH Salem (gekürzt):

«Alters- und Pflegeheime verfolgen zuallererst ein Ziel: den Bewohnerinnen und Bewohnern ein gutes Leben zu ermöglichen, und zwar so, wie es den individuellen Vorstellungen der Bewohnerinnen und Bewohner entspricht. Wann immer das Recht, über das eigene Leben zu bestimmen, beschnitten wird (etwa durch Besuchsverbote), bedarf es einer verantworteten Begründung. Freiheits- und Persönlichkeitsrechte einer Person dürfen niemals leichtfertig, sondern nur aus schwerwiegenden Gründen eingeschränkt werden. Die Verhältnismässigkeit der Eingriffe muss jederzeit gewahrt sein.

Viele Menschen bilden ein Gemeinwesen mit mehreren gemeinsamen Räumen (inkl. Küche, Speisesaal, Aktivierung usw.) und kleineren sowie nahen privaten Räumlichkeiten. Lösungen, die alle Beteiligten zufriedenstellen, sind deswegen nicht zu erwarten. Die Alters- und Pflegeheime stehen in diesem Spannungsfeld: individuelles Recht zu belassen versus dem Schutzauftrag zugunsten der Bewohnenden. Im Kontext der Alters- und Pflegeheime sind die Grundwerte «Recht auf Selbstbestimmung» und «Schutz vor Fremdgefährdung» sich teilweise konkurrierende Determinanten. Bei der Definition von Richtlinien zum Gesundheitsschutz müssen beide Aspekte berücksichtigt werden. Umso wichtiger ist es, Lösungen zu finden, die möglichst alle Beteiligten aus guten Gründen mittragen.

In diese Güterabwägung gehört auch die Abschätzung des einzugehenden Risikos. Dabei gibt es verschiedene Risiken und Risikostufen.

  • Ist das Risiko einer Ansteckung und einer Ausbreitung der Erkrankung im Haus hoch, steht bei der Güterabwägung der Schutz aller im Vordergrund. Ist das Risiko klein, steht eher die Frage der Selbstbestimmung und der Lebensqualität im Vordergrund.
  • Die Beurteilung des Ansteckungsrisikos hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es kann davon ausgegangen werden, dass beim Personal und den Besuchenden eine hohe Eigenverantwortung zum Thema herrscht (bei Krankheitssymptomen erscheint das Personal nicht zur Arbeit und Angehörige verzichten auf Besuche).»

Bei der Bekämpfung der Ausbreitung des neuen Coronavirus dienen die in den Schutzkonzepten festgehaltenen Massnahmen dazu, besonders gefährdete Personen zu schützen. Dabei ist Rücksicht auf die Infra- und Bewohnerstruktur der einzelnen Einrichtungen zu nehmen. Die Schutzkonzepte tragen dem Selbstbestimmungsrecht von Bewohnerinnen und Bewohnern solcher Einrichtungen Rechnung und sehen allenfalls auch organisatorische und räumliche Anpassungen vor. Dabei ist aber immer eine Güterabwägung vorzunehmen, wie dies das Schutzkonzept des APH Salem vorsieht.

Frage 3: Gibt es genügend Schutzmaterial in den Heimen?

Antwort des Regierungsrates: Gemäss Ziffer 4 der Anordnungen des Departements Finanzen und Gesundheit gegenüber den Gesundheitseinrichtungen bezüglich Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus vom 2. Juli 2020 sind sämtliche Gesundheitseinrichtungen verpflichtet, im Hinblick auf eine mögliche zweite epidemische Welle – allenfalls in Kombination mit einer Grippewelle – die für eine Dauer von 40 Tagen benötigten Bestände an Schutzmaterialien zu halten. Die Einhaltung dieser Vorgabe wurde vom Kanton auch mittels Umfrage bei den Gesundheitseinrichtungen im September 2020 überprüft. Zusätzlich zu den Schutzmaterialien in den Einrichtungen halten auch der Kanton und der Bund Bestände an Schutzmaterialien für einen durchschnittlichen Bedarf über je 40 Tage.

Frage 4: Sind in naher Zukunft Schnelltests für die Heime vorgesehen?
Antwort des Regierungsrates: Vorweg gilt es klarzustellen, dass die SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests einzig ein schnelleres Testergebnis liefern. Für positiv getestete Personen verkürzen sie die Dauer der Isolation nicht. Für Personen mit einem engen Kontakt zu einer infizierten Person kann die Quarantäne aufgrund eines negativen Testergebnisses ebenso wenig vorzeitig aufgehoben werden.

Betreffend die Frage einer Durchführung von Antigen-Schnelltests in Heimen gilt es festzuhalten, dass diese gemäss Artikel 24 Absatz 1 Covid-19-Verordnung 3 nur in bewilligten Laboratorien und von ihnen betriebenen Probeentnahmestellen sowie in Arztpraxen, Apotheken und Spitälern sowie in Testzentren, die vom Kanton oder in dessen Auftrag betrieben werden, durchgeführt werden dürfen.

Darüber hinaus sind die Antigen-Schnelltests gemäss den Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit nur für Personen vorgesehen, die Symptome des neuen Coronavirus haben und alle vier folgenden Kriterien erfüllen:

  1. Die Symptome haben vor weniger als 4 Tagen begonnen.
  2. Die Person gehört nicht zu den besonders gefährdeten Personen.
  3. Die Person arbeitet nicht im Gesundheitswesen mit direktem Patientenkontakt.
  4. Die Person wird ambulant behandelt.

Aufgrund dieser Kriterien ist die alleinige Anwendung von Antigen-Schnelltests für Bewohnerinnen und Bewohner (Kriterium 2) und Mitarbeitende (Kriterium 3; mit Ausnahme von allfälligen Mitarbeitenden ohne direkten Patientenkontakt) in Alters- und Pflegeheimen ausgeschlossen.

Die generelle Durchführung von Antigen-Schnelltest in Heimen ist demnach weder erlaubt noch entspricht sie den Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit. Denkbar wäre einzig die Anwendung im Rahmen einer Ausbruchsuntersuchung im Auftrag des Kantons, wobei jedoch mittels Schnelltest negativ getestete Kontaktpersonen trotzdem unter Quarantäne gestellt würden.