Am Tag des Denkmals durch Braunwalds Ferienhaussiedlung

Der europäische Tag des Denkmals bietet jedes Jahr spannende Begegnungen mit der Glarner Baukultur. Am vergangenen Samstag demonstrierte der Historiker Heinrich Speich anhand dreier Gebäude in Braunwald interessante Details zur fast 100-jährigen Bautradition.



Der «Urtyp vom Chalet». (Bilder: s.thiele-reuther) Historiker Heinrich Speich (rechts im Bild) vermittelt Details zur 100-jährigen Bautradition in Braunwald. Andreas Bircher (links): «Mein Grossvater hat die Energie an diesem Ort gespürt.» Veranda für Liegekuren der Lungenkranken auch im Winter. Am Wochenende konnten Interessierte exklusiv auch das Chalet von innen besichtigen. Die beiden Häuser «Max und Moritz» waren für die Kinder bestimmt. Das Haus «Rosmarie» der Familie Bircher-Benner ist eines der ersten Ferienhäuser von Braunwald und ist harmonisch in die umgebende Landschaft eingebettet. Marion Steiger (links) ist die heutige Besitzerin. Zimmer im «Führli». Im Kirchturm der reformierten Dorfkirche können seit der Erbauung im Jahr 1965 auch Jugendliche übernachten. Andreas Bircher im «Bsinti».
Der «Urtyp vom Chalet». (Bilder: s.thiele-reuther) Historiker Heinrich Speich (rechts im Bild) vermittelt Details zur 100-jährigen Bautradition in Braunwald. Andreas Bircher (links): «Mein Grossvater hat die Energie an diesem Ort gespürt.» Veranda für Liegekuren der Lungenkranken auch im Winter. Am Wochenende konnten Interessierte exklusiv auch das Chalet von innen besichtigen. Die beiden Häuser «Max und Moritz» waren für die Kinder bestimmt. Das Haus «Rosmarie» der Familie Bircher-Benner ist eines der ersten Ferienhäuser von Braunwald und ist harmonisch in die umgebende Landschaft eingebettet. Marion Steiger (links) ist die heutige Besitzerin. Zimmer im «Führli». Im Kirchturm der reformierten Dorfkirche können seit der Erbauung im Jahr 1965 auch Jugendliche übernachten. Andreas Bircher im «Bsinti».

Organisiert von der kantonalen Denkmalpflege trafen sich unerwartet viele Interessierte zum Rundgang durch die Ferienhaussiedlung von Braunwald. Mit Aufschwung des Tourismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden auf der Sonnenterrasse nach und nach architektonisch unterschiedliche Ferienhäuser. Vor allem durch die Eröffnung der Standseilbahn im Jahr 1907 wurde der Ort auch für zahlungskräftige Auswärtige interessant. Anlässlich des Denkmaltages zeigten daher drei Besitzer exklusiv ihre Häuser: Dr. Andreas Bircher öffnete erstmalig die Türen des Ferienchalets «Rosmarie», ebenso konnte das Haus «Führli» des Architekten Egidius Streiff und zuletzt die im Jahr 1965 erstellte reformierte Dorfkirche nebst Glockenturm besichtigt werden.

Der Urtyp vom Chalet


Auf dem Weg zum ersten Gebäude unternahm der Historiker Heinrich Speich einen kleinen Exkurs zur Quellenlage des Bergdorfes und seiner Besiedlungsgeschichte. Ab wann es eine Dauerbesiedlung gegeben habe, sei nicht genau belegt, jedoch seien die Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert die Vorbilder für die Chalets von heute. Beachtenswert sei die Mauer, die die Bergzone rechtlich von der Alpzone trenne. Demzufolge gebe es oberhalb der Mauer keine Ferienhäuser. Einen kleinen Zwischenstopp legte Speich am sogenannten «Urtyp vom Chalet» ein. Dieses sei eingeschossig mit einem Steinsockel und für eine grosse Familie kurz vor dem 18. Jahrhundert erbaut. Typisch sei auch hier, dass der Stall, also der Gadä, separat vom Gebäude errichtet wurde.

Zurück zur Natur und zu sich selbst


Das von Maximilian Bircher-Benner, dem Erfinder des Birchermüeslis, im Jahr 1909 erbaute Ferienchalet ist eines der ersten Ferienhäuser von Braunwald überhaupt. In die umliegende Landschaft harmonisch eingebettet, weise es eine bauliche Zurückhaltung auf. Wie der heutige Nachfahre Andreas Bircher vor der Besichtigung ausführte, sei es ein Haus aus dem Katalog, vom Stil her leicht und luftig. Es habe keinen Luxus, denn die Idee sei gewesen, für die eigene Familie einen Rückzugsort zu haben, bei dem man Ruhe und damit auch zu sich selbst finden könne. Zudem habe der Grossvater als Arzt eines Sanatoriums in Zürich an den Wochenenden auch adlige Patienten mitgebracht. Diese sollten das einfache Leben kennenlernen. Aus diesem Grund sind vermutlich auch die beiden kleineren zugehörigen Häuser «Max und Moritz» erbaut worden, damit die Kinder die Gesellschaft nicht störten und dort auch musizieren konnten.

Moderne Einflüsse treffen auf traditionelle Baumaterialien


Das «Führli», ein Ferienhaus vom Architekten Egidius Streiff 1929 erbaut, sei ebenfalls ein gutes Beispiel, wie ein Gebäude harmonisch in die sie umgebende Landschaft integriert werden könne. «Je mehr man sich Gedanken macht, wie die Häuser in die Landschaft passen, desto besser kommt es», ist Speich überzeugt und weist die Zuhörer gelegentlich auch auf einzelne Gebäude hin, die weniger gelungen seien. Den Ahornbaum habe der Architekt bewusst nicht abgehauen und die beachtliche Raumhöhe habe damit zu tun, sich besser an die Hügelhöhe anzugleichen. Die heutige Besitzerin, Marion Steiger, erklärte, dass das Haus noch immer im Originalzustand sei. Schon damals habe sich Streiff Mittel überlegt, wie das Weisstannenholz geschützt werden könne. Trotz traditioneller Baumaterialien und Bauweise mit Giebel und Holzverkleidung seien durch die grossen Fenster und die hellen Räume moderne Einflüsse sichtbar. Die Räume sind insgesamt klein, lassen sich aber daher besser einheizen.

Eine spezielle Jugendunterkunft

Die dritte und letzte Station führte die Besucher zur Dorfkirche samt Glockenturm, die 1965 mit einem sechseckigen Schiff, in der sogenannten Wabenform, erstellt wurde. Das Spannendste brachte der Historiker und Mediävist gleich zu Beginn mit einer Frage auf den Punkt: «In welchem Kirchturm kann man heute schon übernachten?» Dem damaligen Pfarrer Jakob Schildknecht, heute 95-jährig, und seinem persönlichen Engagement in der kirchlichen Jugendarbeit sei es zu verdanken, dass Braunwald bis heute über diese ganz spezielle Jugendunterkunft im Kirchturm verfügt. Die Idee, bei der die Jugendlichen über eine schmale Wendeltreppe zu ihren Betten gelangen, setzte der Zürcher Architekt Oskar Bitterli als Gewinner des Wettbewerbs um.

Für diejenigen, die noch mehr über die Geschichte der Familie Bircher-Benner erfahren wollten, las Andreas Bircher im «Bsinti»-Kulturcafé aus Briefen und Erinnerungen seines Vaters.