«Anleitung für glückliche Ferien»

Ob man verreist oder daheim bleibt, ist laut «Sonntagszeitung» vom 4. Juni nicht entscheidend: «Wichtig ist nur, dass man das Beste herausholt.» Was auch immer das heisst.



Ausspannen
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Wer mich kennt, weiss, dass ich für Ferien jederzeit empfänglich bin. Und so springt mir die Schlagzeile in der «Sonntagszeitung» sofort in die Augen: «Anleitung für glückliche Ferien.» Wow! Das muss ich natürlich lesen! Obwohl ich in den Ferien eigentlich immer glücklich bin. Aber vielleicht lässt sich das Hochgefühl ja noch steigern?

Gespannt beginne ich mit der Lektüre. Ferien machten höchstens kurzzeitig glücklicher – wenn man Pech habe, sogar unglücklicher, steht da geschrieben. Dies möchte ich eigentlich gar nicht wissen. Trotzdem lese ich weiter: «Stellt man es allerdings richtig an, kann man einiges aus seinen Ferien herausholen und die positive Wirkung in den Alltag hinüberretten.» Na also, geht doch!

Nun folgen die Entscheidungshilfen. «Aktiv sein oder faulenzen?» Gemäss Glücksforschung machen uns ausgerechnet die Tätigkeiten, die uns etwas abverlangten, zufrieden. «Eine mehrstündige Wanderung zum Beispiel oder ein Ausflug, für den wir in aller Herrgottsfrühe aufstehen mussten, statt auszuschlafen.» Das hilft mir nicht weiter. Ich liebe sowohl mehrstündige Wanderungen als auch einfach Liegestuhlferien am Meer. Und behaupte mal, dass ich in und nach beiden Ferienarten glücklich bin.

Also weiter im Text. «Lieber in die Ferne fahren oder zu Hause bleiben?» Um sich zu erholen, sei ein örtlicher Tapetenwechsel vom Alltag gar nicht zwingend nötig. Ein gefühlsmässiger hingegen schon, schreibt die Autorin des Artikels. Wer es schaffe, sich auch zu Hause aus allem Mühseligen auszuklinken, könne sich hier genauso gut erholen wie in der Ferne. Das schaffe ich nicht, ganz klar. Sobald ich aber die Haustüre hinter mir schliesse, um in die Ferien zu fahren, lasse ich alles hinter mir. Dann kann ich von einem Augenblick auf den andern abschalten. Und die Ferne muss nicht mal so fern sein.

«Wie viele Tage soll man idealerweise verreisen?» Zu kurz sollten die Ferien gemäss «Sonntagszeitung» nicht sein. Niederländische Forscher hätten herausgefunden, dass wir uns am achten Tag der Ferien «am gesündesten, entspanntesten, zufriedensten, erholtesten» fühlten. Danach nehme die Zufriedenheit wieder ab – und man könne getrost wieder nach Hause fahren. Ich behaupte mal, nach zum Beispiel vier Tagen im Engadin auch entspannt, zufrieden und erholt zu sein.

Nächste Entscheidungshilfe: «Alle Ferienwochen am Stück oder aufs Jahr verteilt?» In Sachen Erholung spiele dies keine Rolle, lese ich da. Wie bitte? Widerspricht dies nicht den vorangehenden Äusserungen? Trotzdem weiter. Verschiedene Untersuchungen zeigten, «dass Kurztrips genauso entspannend sein können wie eine längere Auszeit». Aha, sag ich doch. Zudem kann man sich dann mehrmals pro Jahr auf die Ferien freuen. Was wiederum glücklich macht: Befragungen zeigten nämlich, dass Leute, die eine Reise planten, sich glücklicher fühlten als solche, denen keine Ferien bevorstünden.

«Meer oder nicht Meer?» Grundsätzlich weckten alle Orte in der Natur «positive Gefühle wie Glück, Ruhe und Erholung», so der Artikel. «Tatsächlich aber zeigten Ausflüge ans Meer in Untersuchungen die besten Effekte.» Womit wir wieder bei den erwähnten Liegestuhlferien am Meer wären. Die haben für mich aber noch einen anderen Effekt: Da wir in Glarus umgeben von Bergen sind, geniesse ich am Meer den freien Horizont und sauge das Bild, wie Himmel und Wasser nahtlos ineinander übergehen, richtiggehend in mich auf. Zu Hause fühle ich mich anschliessend wieder geborgen inmitten der Bergwelt.

«Auto oder Flugzeug?» Am Anfang und am Ende der Ferien sei unsere Laune am schlechtesten. Am übelsten gelaunt seien diejenigen, welche mit dem Zug oder Flugzeug gereist seien, und etwas besser drauf diejenigen, welche den Bus oder das Auto genommen hätten. Mal abgesehen davon, dass ich am Anfang der Ferien sowieso gutgelaunt und am Schluss höchstens etwas traurig über das Ende, nicht aber schlecht gelaunt bin, kann ich diese Aussage nicht nachvollziehen. Die Art des Verreisens spielt für mich keine Rolle.

Letzte Entscheidungshilfe: «Soll man überhaupt Ferien machen?» Was für eine Frage! «Jein» lautet die Antwort im Artikel. Verschiedene Forscher wiesen übereinstimmend nach, dass wir nach den Ferien nicht glücklicher seien als Kollegen, die keine Auszeit gehabt hätten. Wenn es dumm laufe, befalle einen sogar eine Verstimmung. Einzig bei der Vorfreude sei ein Unterschied feststellbar.

Klar «Ja» lautet meine Antwort. Ausspannen, abschalten, die Seele baumeln lassen: Das brauche ich, um mich anschliessend wieder voll engagieren zu können. Lieber aber nicht gleich am Tag nach der Rückkehr: Dann ist meine Seele nämlich noch unterwegs – wie die Indianer zu sagen pflegen. Auch die «Sonntagszeitung» empfiehlt, erst am Mittwoch mit der Arbeit zu beginnen und nicht schon am Montag. Und nach der Rückkehr möglichst oft in Erinnerungen zu schwelgen. So könne man die positiven Feriengefühle länger konservieren. Da bin ich ausnahmsweise mal gleicher Meinung.

Ich wünsche auch Ihnen glückliche Ferien. Wo und wie auch immer Sie diese verbringen!