Anruf aus Tokio

Ein Telefonanruf einer Dame aus Tokio lässt mir keine Ruhe. Habe ich etwa die Chance meines Lebens verpasst?



Das Telefon führt mitunter zu wunderlichen Begegnungen. (Bild: mb.)
Das Telefon führt mitunter zu wunderlichen Begegnungen. (Bild: mb.)

Es ist ein ganz normaler Dienstagnachmittag im September. Mein Mann ruft mir aus seinem Büro zu, ich solle unverzüglich zu ihm kommen. Eine Dame aus Tokio sei am Telefon, und sie verlange explizit nach mir. Ich wundere mich zunächst, dass die Dame die Geschäftsnummer meines Mannes anruft, wenn sie doch mich sprechen will – aber die Neugierde der Journalistin überwiegt.

Ich melde mich also mit «Kuhn», und ein Schwall von englischen Sätzen prasselt auf mich ein. «Von welcher Firma rufen Sie an?», frage ich mal zwischendurch auf Englisch. Die Antwort kommt wieder so schnell, dass ich den Firmennamen zum zweiten Mal nicht verstehe. Mein einstiger Englischlehrer möge mir verzeihen ...

«Sprechen Sie Deutsch?», frage ich nun, um mir etwas mehr Klarheit verschaffen zu können. Nein, die Dame spricht kein Deutsch – und ihr vermutlich eingeübter Schwall geht munter weiter. Ich verstehe nur so viel, dass sie meine Adresse (respektive eben die meines Mannes) von einer Marketinggesellschaft bekommen hat. «Weshalb aber rufen Sie mich an?», frage ich nochmals auf Englisch. Da hat die Dame genug von mir und hängt einfach auf. Ohne sich zu verabschieden. Sehr höflich, muss ich sagen.

Ich bleibe etwas ratlos zurück. Von welcher Nummer Sie angerufen hat, finde ich nicht heraus, weil die Ziffern unterdrückt waren. Ob sie sich wirklich aus Tokio gemeldet hat, weiss ich nicht. Ihr Englisch war auf jeden Fall mit einem asiatischen Akzent versehen – was das Verstehen nicht eben leichter gemacht hat.

«Es gibt vielleicht Sachen», sage ich zu meinem Mann, der das Ganze mit angehört hat. Damit ist der Anruf für mich erledigt. Ich gehe zurück in mein Büro und arbeite weiter am Computer. Doch irgendwie lässt mir das Ganze keine Ruhe. Vielleicht wollte mir die Dame ja ein sensationelles Angebot unterbreiten? Oder vielleicht habe ich in einem Gewinnspiel den ersten Preis gewonnen?

Ich werde wohl nie erfahren, was der Grund des wunderlichen Telefonanrufes war. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass mir die Dame irgendetwas andrehen wollte, was ich sowieso nicht gebraucht hätte. Denn damit kann ich besser leben als mit der Vorstellung, die Chance meines Lebens verpasst zu haben ...