Dieses «Weltformat» hat eine derart dichte Fülle von Realem, Wirklichem, Utopischem, Vergangenem, Genuss, unbequemen Wahrheiten und Floskeln in sich, dass der aufmerksam und zeitkritisch Hinhörende – am besten mit breitem Allgemeinwissen ausgestattet – mit dem Mitvollziehen kaum nachkommt; derart elegant, rasch und quirlig kommt alles einher.
Der Mix an Botschaften beginnt selbstverständlich mit der Feststellung, dass ja alles da sei, der sich neigende Tag, die Infrastruktur, die Leute, der Aufführungsort. Und damit beginnt die Vielzahl der Fragen, eingebettet in gediegene Wortkunst und in inspirierende, kontraststarke, einfühlende, erfüllende Musiksequenzen. Zu vielen Fragen gehören, was wiederum selbstverständlich ist, auch entsprechende Antworten, wobei es immer – eben jeden Tag – darauf ankommt, wer die Antworten vorbereitet und das entsprechend wahrheitsgetreu, eindringlich, überzeugend, verharmlosend oder nichtssagend kommuniziert. Antworten können breit und bestens bekannte Facts zum Inhalt haben, wie Berlusconi ist weg, Mubarak ebenfalls. Erfüllend, weil faszinierendes Forschen und Vermuten angesagt ist, kann der Zeitsprung zu Darwin und dessen Evolution ausfallen. Der Bezug zu Reellem ist sofort geschaffen, wenn Gedankenfetzen zu Krieg, Überleben, Gott und Geld, Raub und Eingeständnissen aufkommen, wenn der blitzartige Wechsel zur Kraft der Gene erfolgt und Derartiges in die Frage mündet, ob man sich hin und wieder nicht auch ein bisschen ermordet fühle.
Über den errichteten, aber noch nicht funktionierenden Rettungsschirm für Griechenland wurde nicht losgealbert. Es wurde hinterfragt, wer denn eigentlich gerettet werde. Es ist das ungeheuer kecke, klug und sorgsam beobachtende, kritisch und deutlich hinterfragende Ensemble, das fortwährend neue Probleme erspäht, aufgreift und brillant umsetzt. Es schmerzt zuweilen ganz stark, wenn man mit der beinahe ausweglosen Situation der Sans-Papiers, deren Ängste und Nöte und deren Sehnen und Erhoffen konfrontiert ist. Fukushima sei als eines der vielen Themen rausgegriffen. Das Trinken des strahlenden Wassers soll die Bevölkerung eines ganzen Landes trösten und in die Gewissheit wiegen, dass es eigentlich gar nicht so schlimm sein könne – wären da nicht die Birkenmeierschen Schutzengel, die sich in unverständlichem Schutzenglisch an alle wenden und selber ihre verstrahlten Federn nach drei Tagen unter grossen Schmerzen ersetzen müssen, die in altem Schutzenglich gehaltene bitterböse Botschaft übersetzen und anfügen, dass sie als AKW-Schutzengel ungeheuer strahlen können, und – schwuppdiwupp – hat man sich mit Politikern zu befassen, an denen geschraubt und geschraubt wird, bis sie den Kopf um satte hundertachtzig Grad gedreht haben, immer noch reden und die Krawatte immer noch am richtigen Ort sitzt.
Dazu die Birkenmeiersche Feststellung, dass Politik das Marionettentheater der Finanzwirtschaft ist und Hochschulen zuweilen zu Kindergärten mutieren – oder umgekehrt. Und munter dreht sich das Angebot der Klugen, Redseligen, eingebettet in ständig wechselnde, faszinierende Musik. Etagenbekanntschaft, Boliden und deren Lenker, Soziusfahrerin, Kampfspiele und Joysticks, das abstruse Märchen des Rotkäppchens, das in gar vielen technischen Fallen hängenbleibt. Grenzzäune und deren fragwürdige Sicherheiten, Teddybärchen im Zaubermärchen – alles dreht, windet und fügt sich, bis das gar prächtig geschmückte Wort- und Musikbuffet überquillt und der verdiente, lange Applaus Dank und Abschied bedeutet.
Anspruchsvolles, forderndes Wort- und Musikbuffet
Mit dem Generaltitel «Weltformat» hatte sich das Theaterkabarett Birkenmeier kürzlich für ein abendfüllendes Begegnen in der Aula unserer Kantonsschule angekündigt. Dass Kabarett nicht immer mit sattsam Bekanntem, mit Schenkelklopfen, Losgrölen und Freude über Plattitüden gleichzusetzen ist, bewiesen die Wortakrobaten Sibylle und Michael Birkenmeier und die einfallsreich und gar virtuos begleitenden Annette Birkenmeier (Geige), Ines Brodbeck (Perkussion) und der Akkordeonist Srdjan Vukasinovic in hingebungsvoller, intelligenter, zuweilen bitterböser, kompromissferner Art.