Antrittsrede Landratspräsidium, Mathias Zopfi

Der frisch gewählte Landratspräsident Mathias Zopfi wendet sich mit folgenden Worten ans Glarner Parlament:



Mathias Zopfi ist der erste Landratspräsident aus der Grünen Partei. (Bild: ehuber)
Mathias Zopfi ist der erste Landratspräsident aus der Grünen Partei. (Bild: ehuber)

Meine Damen und Herren

ArtikelIch danke Ihnen für Ihr Vertrauen und die Wahl zum Landratspräsidenten.

Sie ehren damit mich, meine Familie, mein Dorf Engi, und meine Gemeinde Glarus Süd. Ich freue mich, dieses verantwortungsvolle Amt ein Jahr lang ausüben zu dürfen. Und ich freue mich, dass Sie mir dieses wichtige Amt zutrauen und anvertrauen.

Ich durfte nun fünf interessante und äusserst lehrreiche Jahre im Landratsbüro verbringen. Dabei hatte ich die Ehre, ausnahmslos mit hervorragenden Präsidentinnen und Präsidenten zusammenarbeiten zu dürfen. Stellvertretend für alle, und auch in Ihrem Namen, erwähne ich besonders unsere heute abgetretene Präsidentin, Susanne Elmer Feuz. Susanne, es hat Spass gemacht, dein Vizepräsident zu sein. Du hast den Rat ausgezeichnet und mit dem richtigen Mass an Durchsetzungskraft und Lockerheit geleitet. Ich danke dir dafür herzlich, sicher auch im Namen aller Anwesenden.

Es ist das Privileg des Präsidenten, dass er bei seiner Wahl über die Grenzen der normalen Geschäfte hinausgehen und über die Rolle des Landrates philosophieren darf.

Beginnen möchte ich bei der Statistik. Ich bin der sechste oder siebte Landratspräsident aus Engi seit der Verfassungsreform von 1887. Wieso der sechste oder siebte? Aus dem einfachen Grund, dass Leonhard Blumer-Blumer 1891 und 1900 Landratspräsident war. Dieser Ausnahmepolitiker – immerhin auch Ständerat, Gründer der Weberei WESETA in Engi und Initiant der Sernftalbahn – präsidierte unseren Rat gleich zweimal.

Mein letzter Vorgänger aus Engi war Martin Baumgartner im Jahr 1964. Auch er war ein politisches Schwergewicht unseres Dorfes und dieses Rates. Den heute 97-jährigen Vorgänger grüsse ich von hier aus herzlich.

Übrigens, ich bin nicht der jüngste Landratspräsident aller Zeiten. Im Jahr 1906 wurde Alfred Blumer mit 32 Jahren zum Präsidenten dieses Rates gewählt. Er war damit also ein Jahr jünger als ich heute. Und wenn Sie sich jetzt fragen, woher Alfred Blumer gekommen ist, sage ich es gerne: Natürlich aus Engi.

Die letzte statistische Auffälligkeit ist mir besonders wichtig: Als erster Grüner habe ich das Privileg, eine kleine Partei vertreten zu dürfen, die sich dieses Recht erkämpfen musste. Als ich im Jahr 1983 geboren wurde, gab es meine Partei noch gar nicht. Nach langen Jahren ohne Fraktionsstärke erreichten die Grünen dieses Ziel und durften, endlich, einen Vertreter im Landratsbüro stellen.

Wenn ich nun die Spitze der Tätigkeit in diesem Rat erreiche, so gebührt diese Ehre vor allem auch meiner Partei. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten in diesem Rat etabliert und ist aus dem politischen Betrieb des Kantons nicht mehr wegzudenken. Ich danke meiner Partei, dass sie mich immer unterstützt hat. Und dies, obwohl ich das eine oder andere Mal eine abweichende Meinung vertrete.

Es ist üblich, dass ein Landratspräsident drei Wünsche anbringt, wenn er in sein Amtsjahr startet. Auch ich möchte das tun.

Mein erster Wunsch ist: Lassen Sie uns beim Politisieren immer an die Menschen denken.

Parlamente haben, meine Damen und Herren, manchmal den Ruf, von der Bevölkerung abgehoben zu sein. Debattierstuben, die mit der Wirklichkeit und den Problemen der einfachen Leute wenig gemeinsam haben.

Politiker werden in Berufsrankings jeweils als unbeliebt und wenig glaubwürdig beurteilt. Bereits früher, scheinbar aber besonders heute, schwingen sich dagegen Demagogen in öffentliche Ämter auf, deren Programm vor allem aus der Verunglimpfung des politischen Gegners, letztlich aber eigentlich aller Andersdenkenden, besteht.

Unsere Politik benötigt aber das Vertrauen derjenigen, die wir vertreten. Dieses Vertrauen verdienen wir, wenn wir unsere Aufgabe gewissenhaft machen und uns für das Wohl aller, die res publica und somit eben auch und gerade für Andersdenkende einsetzen.

Wir sind uns bewusst, dass wir als Glarner Landrat viel weniger Kompetenzen haben, als die anderen Kantonsparlamente. Aber wir müssen uns auch bewusst sein, dass wir eine sehr wichtige Rolle spielen, wenn es um die demokratische Willensbildung geht. Die Landsgemeinde dieses Jahr hat es wieder gezeigt: Das Vertrauen der Mehrheit der Stimmberechtigten in die Behörden ist bei uns eben noch vorhanden. Dies liegt sicher auch daran, dass wir an der Landsgemeinde Teil derjenigen sind, die wir vertreten. Wir sitzen im Ring und sind Teil der Bevölkerung. Das finde ich einzigartig. Es zeigt, dass Politik eben genau nicht abgehoben sein muss und darf, sondern dass wir zu den Menschen müssen.

Wir müssen an die Menschen denken und die Menschen mögen. Wir müssen zeigen, dass wir nicht einfach eine Debattierstube sind, sondern eine würdige Vertretung aller Glarnerinnen und Glarner. Lassen Sie uns an diese Menschen denken, wenn wir Politik machen.

Mein zweiter Wunsch: Bleiben Sie so anständig und respektvoll, wie wir es uns gewohnt sind.

Dieser Wunsch mag erstaunen und scheint etwas gar belehrend zu sein. Ich kann Ihnen aber versichern, dass der Landrat, was den Umgang miteinander und den Respekt voreinander angeht, ein gutes Zeugnis verdient.

Als Mitglied des Büros durfte ich in den vergangenen Jahren zahlreiche Parlamente der Schweiz besuchen. Klar, da und dort waren die hitzigen Diskussionen spannend. Und natürlich, eine humorvoll-angriffige Rede ist besser als eine langfädig-ausufernde. Aber, meine Damen und Herren, ich habe niemals ein Parlament erlebt, in welchem die Diskussionen anständiger, ruhiger und sachlicher verlaufen sind. Und das ist gut so.

Ich will damit nicht sagen, dass Sie nicht auch einmal eine Spitze platzieren dürfen. Ich meine aber, dass wir als Parlament ein Musterbeispiel dafür sein sollten, dass die politische Debatte nicht auf den Mann oder die Frau zielt, sondern immer der Sache dient.

Ein guter Freund hat mir einmal gesagt: «Auch wenn wir noch so überzeugt sind von unserer Meinung, wir dürfen nie vergessen, dass wir auch im für uns wichtigsten Punkt Unrecht und unser politischer Gegner doch Recht haben könnte.»

Ich meine, dass der Landrat dieser Devise nicht perfekt, aber doch gut nachlebt. Ich wünsche mir, dass dies so bleibt. Ich wünsche mir, dass wir – wenn wir schon nicht die gleiche Meinung haben – einander doch zuhören. Nur wenn wir diese Bereitschaft aufbringen, können wir auch voneinander lernen und diesen Rat weiterbringen. Ich werde deshalb hohes Augenmerk auf Ordnung und Anstand im Rat legen. Und ich bin sicher, sie werden sich, auch unter meinem Vorsitz, wohlverhalten.

Mein dritter Wunsch ist schliesslich: Lassen Sie uns den Landrat stärken.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Landrat sich gegenüber dem Regierungsrat gar wenig traut. Schliesslich sind das die Profis, was wollen wir da noch beitragen, ausser die eine oder andere kleine Änderung in diesem oder jenem Artikel.

Das ist nicht falsch. Es ist richtig, wenn wir dem Regierungsrat vertrauen und ihm vertrauen können. Aber es ist auch wichtig, dass wir unsere kritische Rolle als unabhängige Staatsgewalt stets wahrnehmen. Und damit wir diese wahrnehmen können, benötigen wir Unabhängigkeit, Informationen und Ressourcen.

Viele Kantonsparlamente haben in den vergangenen Jahren eigene Parlamentsdienste eingerichtet. Die Erfahrungen sind gut. Zahlreiche Gespräche haben mir gezeigt, dass man auf keinen Fall zurück möchte. Und dies können nicht nur grosse Kantone wie Zürich oder der Aargau. Auch Uri hat, vor nicht langer Zeit, diesen Schritt gemacht.

Ich glaube, dass das richtig und wichtig ist. Wir müssen es nicht übertreiben und pragmatisch bleiben. Aber wir dürfen fordern, dass wir eigene Ressourcen haben. Die Revision der Landratsverordnung steht in diesem Jahr an, meine Damen und Herren. Das ist ein Projekt, welches ich mit Freude leiten werde. Mein Wunsch wäre hier – ohne der Diskussion vorzugreifen –, dass wir die Unabhängigkeit des Landrates stärken und über einen schlanken, aber leistungsfähigen, Parlamentsdienst beraten. Ich freue mich auf die Diskussion.

So, gut, jetzt habe ich es doch ausgereizt mit dem Philosophieren und dem Wünschen. Kommen wir zurück zum Tagesgeschäft. Wir haben ein strenges, interessantes und schönes politisches Jahr vor uns. Packen wir es an.

Mit dem Vertrauen unserer Bevölkerung, gegenseitiger Wertschätzung und Gottes Hilfe, werden wir unseren Kanton gemeinsam weiterbringen.

Ich danke Ihnen für die Mitarbeit und Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.