Arno del Curto bei Wortreich in Glarus

Dass der grosse, weit herum bekannte Arno del Curto in der Kulturbuchhandlung «wortreich» im kleinsten Hauptort unseres Landes weilte, hat gewiss mit seiner, kürzlich erschienenen, von Franziska K. Müller geschriebenen Biografie, zu tun. Er ist weit gereist, ist nicht bloss mit Eishockey bestens vertraut, sondern auch einer, der dann deutliche Worte brauchte und seine Stärken ausspielte, wenn es ihm notwendig erschien.



Arno del Curto bei Wortreich in Glarus

Beim Präsentieren der Biografie, dies vor «ausverkauftem Haus», den vielen Fragen von Christa Pellicciotta und in sachkundiger Beantwortung von Fragen aus dem Publikum wurde überdeutlich, dass da einer sitzt, der sehr genau weiss, was er kann, dies als Trainer verschiedenster Hockeyclubs, davon während 22 Jahre beim HCD. Seinen in der Biografie mehrfach erwähnten «Arno Mix» setzte er enorm nachhaltig und erfolgreich ein. Diese Mischung reifte über Jahre hinweg, nach Besuchen ausländischer Clubs und deren Trainer (Schweden, Finnland, Tschechien, St. Petersburg, Kanada). Von seinen Spielern verlangte er enorm viel. Er half ihnen dann, wenn es notwendig war. Del Curtos Biografie ist «Mit Köpfchen durch die Wand» übertitelt.
Liest man sich durch die Vielzahl der Begegnungen, Erfolge, durch sein Suchen und Ausdiskutieren, sollte der Buchtitel ein klein wenig geändert werden. Es müsste richtigerweise «Mit Köpfchen durch die Wände» heissen.

Del Curtos Aufzählen ist von beeindruckender Ehrlichkeit und Gradlinigkeit geprägt. Er braucht eine zuweilen sehr direkte, absolut deutliche Sprache, die oft Klarheit schaffte. Für viele war er während seiner Trainertätigkeit eine unbequeme, aneckende Person. Von seinen Spielern verlangte er ebenso viel, wie von sich selber. Dies ging zuweilen bis zur absoluten Erschöpfung, bis hin zum Kapitulieren. Viele wurden wesentlich stiller, wenn sie ihn hörten oder ihm zuzuhören hatten.

Diese Direktheit ist nicht abschliessend, sie ist Teil von Del Curtos Lebensphilosophie, ist wesentliche Summe aller Erkenntnisse, die in den langen Jahren als Trainer verschiedenster Mannschaften heranreiften und häufig mit grossen, zuweilen unerwarteten weit über die Schweiz hinaus beachteten und kommentierten Erfolgen verbunden bleiben.

Es wird beim Durchlesen auch für Nichtlaien überdeutlich, wie es zu und her ging, wie sich zahllose, in teilweise langen und leidenschaftlichen Gesprächen im In- und Ausland gewonnene Erfahrungen summierten und eben zu jenem «Arno Mix» führten, der mit Erfolg praktiziert wurde.

Arno del Curto weiss sehr wohl um zahllose Erfolge, ums Scheitern, um begangene Fehler, die sein Leben massiv änderten. Die Aufrichtigkeit seines Schilderns beeindruckt. Da wird nichts beschönigt, es sind deutliche Botschaften, die den Leser zuweilen sehr betroffen machen. Das ist inhaltliche und persönliche Stärke.

Die Karriere

Del Curto, 1956 in St. Moritz geboren und aufgewachsen, wusste schon früh, dass er Eishockeyprofi werden wollte. Aus diesem Wunschtraum wurde nichts, da er unfallbedingt als Spieler aufhören musste, dies im Alter von 21 Jahren. Er reifte zum gewiss erfolgreichsten Eishockeytrainer unseres Landes, trainierte den legendären HC Davos ab 1996 bis 2018 und hörte nach bemerkenswerten Erfolgen (sechs Meistertitel, fünfmaliger Gewinner des legendären Spengler-Cups, dreimal Vizemeister) auf. Das Ende kam abrupt, in der Biografie ist das deutlich und ausführlich genug ausgeführt. Del Curto spürte in sich eine grosse Erschöpfung, war nicht mehr zufrieden und motiviert genug.

Die vielen Wechsel von Persönlichem, Sportlichem, von zahllosen Begegnungen mit heute prominenten Spielern, mit international bedeutsamen Trainern, der Aufbau seiner riesigen Erfahrungen machen die Biografie lesenswert.

Begonnen wird – dies nur sehr kurz – mit der bleibenden Freundschaft zwischen del Curto und Teilen der HCD-Gemeinschaft. Unvergessen ist der letzte Tag im Stadion, der 27. November 2018. Nach 22 Jahren war Schluss, war Zeit für den Abschied von seiner Mannschaft. Del Curto hatte sich international hohe Beachtung erworben, hatte für diese Tatsache eine unüberschaubare Menge an Zeit und Präsenz am jeweiligen Ort investiert; dies mit riesiger Leidenschaft und der unstillbaren Lust, sich eine Summe an Erkenntnissen anzueignen, die dereinst für seine Trainerkarriere bedeutsam sein würden.

Und Arno del Curto gibt via Biografie und im Gespräch in Glarus klar an, was die für ihn bedeutsamen Erkenntnisse, Lebensinhalte und Realitäten in der Tätigkeit als stark fordernder Mannschaftstrainer sind. Halbheiten kennt er nicht. Für Insider ist das nachvollziehbar, Aussenstehende müssen sich erst mal reindenken. Zu jedem der vielen Kapitel sind Merksätze enthalten, die eine gute Einstimmung darstellen.

Es seien herausgegriffen: «Aus Fehlern lernen. Das habe ich immer gefordret und auch versucht zu leben»; «Der Exzess, die wilden Nächte und die unangepassten Typen sind mehrheitlich aus dem Eishockey verschwunden. Leider»; «Anstand, Ehrlichkeit, Mut, Integrität. Kein Neid, keine Gier. Wer nicht so ist, ist meiner Meinung nach auf dem Holzweg»; «Das Wichtigste ist der Wille der Biss, die Spielfreude, die Leidenschaft»; «Wenn der Einzelne stark und leistungsfähig ist, wird die Mannschaft als Ganzes besser und stärker»; «Freiräume zugestehen, in manchen Fragen Toleranz walten lassen: Dieses Prinzip stellte ich hundertmal unter Beweis»; «Dankbarkeit ist meist ein vorübergehendes, kurzes Gefühl, und manche Leute empfinden sie niemals, weil sie sich strikte darauf konzentrieren, was im Leben alles schlecht läuft»; «Werte, die wir in uns tragen, sind wichtiger als alles andere».

Arno del Curto hat das gelebt. Es sind teilweise echt bewegende Momente, die da vorkommen. Er griff ein, korrigierte, nahm sich der Spieler an, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen drohte. Er litt mit, er suchte und fand Kontakte in der Internationalität des Eishockeys. Er verpflichtete bedeutende Leute, die ein Spiel rumreissen konnten. Er war Geniesser, war mit verschiedensten Musikrichtungen eng und leidenschaftlich, oft enorm kenntnisreich verbunden, übte sich in diesem Segment. Er vermochte mit hoher Leidenschaft zu feiern. Diese Fülle beeindruckt, reisst mit.

Zu Heutigem

Nach der Trainerlaufbahn widmet er sich Neuem. Da sind der Wiederaufbau eines niedergebrannten Hotels in Davos, die Fabrikation von Beton aus Schaumglas. Da ist die Präsenz auf dem Golfplatz. Noch wartet das Erlernen des Klavierspiels.
Er ist wirblig, vielseitig interessiert unterwegs. Eishockey interessiert noch so «am Rande». Die Hinwendung zu Fussballspiel hat stattgefunden.
Er sprach im Rückblick über Taktisches, Spieltempo, Ausbildung, Internationalität des Eishockeys, erwähnte Rapperswil und Zürich. Er erwähnte seine Unlust, was Vorträge betraf. Da wolle er sich zurückziehen. Er streifte Episoden aus seiner Jugend und der Erziehung seiner nun erwachsenen Kinder. Das ging zuweilen recht ungewohnt zu und her.
Er kam auf seine zuweilen wilde Jugend zu reden, auf seine Liebe zu Hardrock und riesig lauter Musik. Er erwähnte Festivitäten, deren Inhalte bruchstückweise aufklangen.
Er zeigte auf, wie stark ihn Biografien berühmter Zeitgenossen interessierten.

Sympathisch war, dass er zugunsten von Pro Infirmis und deren Sportangebote auf seine Gage verzichtete.
Offen blieb, ob er in naher Zukunft als klavierspielender Unterhalter wieder in Glarus gastieren wird, sein «Stammpublikum» aus dem «Wortreich» käme in Scharen.