Auf Wanderschaft mit Johannes Brahms

Nach neblig-regnerischen Probetagen konnte sich der ad hoc-Chor der “Musikwoche Braunwald“ am Freitag bei tiefblauem Himmel endlich auf Wanderschaft begeben. Während einer Woche wurde die Wanderung durch Brahms Liebeslieder gesanglich und szenisch minutiös vorbereitet, zusammen mit den Pianisten und den Gesangssolisten, die als Wanderleiter die muntere Gruppe über alle noch so heiklen Wege sicher führten.



Auf Wanderschaft mit Johannes Brahms

„Die Liebe ist ein Rosenstrauch. “

Die zufällige Begegnung zweier Menschen „..unten im Tale..“ war Liebe auf den ersten Blick und führte im szenisch aufgeführten Musikwerk durch all die grossen Gefühle zweier Liebenden. Einem Rosenstrauch gleich entfaltete sich die Tiefe der Liebe anfänglich ganz sanft von einer Knospe bis zur wunderschönen Blüte. Doch die Dornen stachen die Liebende schmerzlich und in einem heftigen Ausbruch überdeckte sie den Geliebten mit Vorwürfen und Anklagen, der sich erstaunt darüber und kopfschüttelnd entfernte. Gereift nach intensiver Aussprache versöhnten sich beide wieder „..in stiller Nacht..“.

Aus einer Auswahl von über 120 weltlichen Chorwerken des deutschen Komponisten Johannes Brahms (1833-1897) gestaltete das Musikerehepaar Gabriela Schöb und Peter Freitag zusammen mit der Regisseurin Salome Schneebeli diese Liebesgeschichte für Chor, Solisten und Klavier in 41 Szenen mit viel Ideenreichtum. Die an sich nüchterne Turnhalle wurde bis in die letzte Ecke voll in die szenische Gestaltung mit einbezogen, ganz den Stimmungen der Musik entsprechend, so dass beispielsweise eine Klangwolke das Liebespaar und auch das Publikum vom oberen Stockwerk her einhüllte oder aus dem verschlossenen Geräteraum leiser, wehmütiger Gesang erklang. Die Sängerinnen und Sänger, die Solisten Nicola Brügger (Sopran) als Geliebte und Simon Witzig (Tenor) als Liebender waren zusammen mit den Pianisten Rafael und Tobias Rütti ständig in Bewegung – eben auf Wanderschaft.

Als gegen Schluss der Aufführung aus dem Eingangsbereich der „Tödihalle“ das berührende Duett „Im Liebesgarten“ von Robert Schumann (1810-1856) erklang, tat dies der musikalischen Einheit der brahmschen Melodien keinen Abbruch, im Gegenteil, thematisch wie auch textlich fügte sich dieses Lied des Förderers von Johannes Brahms harmonisch ins Ganze. Wie auch die Gesangsleistungen des Chors mit wenigen Ausnahmen sich als stimmlich einheitlich darboten, so waren sich auch die Solistimmen in ihren kräftigen wie auch leisen Gesangsmomenten ebenbürtig. Dass die Brüder Rafael und Tobias Rütti eine stupende Technik im vierhändigen Klavierspiel beherrschen, war ebenso wie die gesamte Aufführung ein letzter grosser Höhepunkt in der diesjährigen „Musikwoche Braunwald“.

Resümee

Vorgängig zum Schlusskonzert in der „Tödihalle“ wurde zusammen mit Mitgliedern der „Gesellschaft der Musikfreunde Braunwald“ unter der Leitung des Präsidenten Robert Jenny und Peter Wettstein, ehemaliger Leiter der Musikhochschule Zürich, ein gemeinsamer Blick zurück auf alle Aufführungen und Referate der diesjährigen Musikwoche geworfen. Alle waren sich einig, dass das Thema „Volksmusik als Quelle der Kunstmusik“ in der ganzen Breite hervorragend abgedeckt war, wobei einige grossartige Momente hervorstachen. Neben dem dominierenden Hauptthema wurde noch ein Streichinstrument, das Violoncello, ins Zentrum gerückt. Die zur Aufführung gelangenden Werke wurden durch den Cellisten Wen-Sin Yang zu Sternstunden, der dieses Jahr als „Artist in residence“ wirkte. Eine nicht zu missende Besonderheit der „Musikwoche Braunwald“ ist die Nähe des Publikums zu den Künstlern, die ein persönliches Gespräch in den Räumen des Märchenhotels Bellevue jederzeit ermöglichen. So war das auch mit Wen-Sin Yang in völliger Lockerheit möglich, der heute schon als würdiger Nachfolger des kürzlich verstorbenen weltberühmten russischen Cellisten Mstislav Rostropovitch nicht nur bei einem Fachpublikum gilt.

Nun haben die kreativen Gestalter der Musikwoche ein Jahr Zeit, um sich ganz dem nächstjährigen Thema zuzuwenden, das da lautet: „Humor in der Musik“. Die weltweit begehrten und hochkarätigen Musiker, die immer wieder für Konzerte an der „Musikwoche Braunwald“ gewonnen werden können, sind es, die diesem Festival der Töne und Sinne das Prädikat „aussergewöhnlich“ Jahr für Jahr verleihen. So mit Bestimmtheit auch wieder im nächsten Jahr.