Ein älterer Mann sitzt tief eingesunken in einem Ledersessel. Strahlend weisses Haar und einen buschigen Schnauz. Lech Walesa wirkt auf den ersten Blick wie der liebe Opa, der nette alte Mann, wenn er aber spricht spürt man, dass in ihm immer noch ein wildes Feuer brennt. Es ist sehr faszinierend diesem Mann zuzuhören. Eine klare deutliche Sprache und genauso klar und deutlich sind seine Aussagen, kein vages Andeuten oder Umschreibe, und doch in einer so sympathischen Art. Er wirkt wie jemand von der Strasse, „wie jemand von uns“. Dabei spürt man seine Vergangenheit als Elektriker in den Schiffswerften in Gdanks und man empfindet, dass er sich gewohnt ist anzupacken. Gleichzeitig zeigen seine Worte und Gedanken klare Ideen und Visionen, zeugen von grosser Intelligenz. Wie seine Arbeit als Gewerkschafter oder auch später als Präsident von Polen wirklich einzuschätzen sind, kann ich nicht beurteilen, da mir hier einfach das Wissen fehlt. Jedoch aus irgendeinem Grund wurde ihm vor 26 Jahren der Friedensnobelpreis verliehen. „Dabei war Solidarnosc am Anfang eine winzigkleine Sache“, erzählte Walesa,“ doch die Sowjetunion konnte nicht darauf reagieren und zerbrach daran.“ In seiner Rede zu den Teilnehmern des Solidarity Express blickte er jedoch nur kurz zurück und rief dagegen die Anwesenden auf etwas zu tun. „ Es ist nicht die Aufgabe meiner Generation, die neue erforderliche Demokratie zu gestalten. Das muss ihre Generation tun.“ Er sah dabei die Europäische Union als Beginn einer viel grösseren Entwicklung. Ebenfalls am Anfang von etwas sehr grossem stand die Halbinsel Westernplatte ausserhalb von Gdansk. Hier begann vor 70 Jahren mit den Schüssen des Kriegsschiffs „Schleswig-Holstein“ um 04:45 Uhr der Angriff von Nazi-Deutschland auf Polen. Der Auftakt zum Zweiten Weltkrieg. Aus diesem Grund findet Morgen eine grosse Gedächtnisfeier statt. Wir waren jedoch bereits heute kurz da, um uns die Sache genau anzusehen. Natürlich ist dies ein wichtiger geschichtsträchtiger Ort, doch irgendwie blieb mir das ganze fern. Nur ein weiteres Schlachtfeld auf dem Kriegsschauplatz Europa. Wenn ich bald wieder zuhause bin, weiss ich ganz genau, was ich als erstes tun will. Ok als zweites. Zuerst gibt es richtig feine Spaghetti mit einer Tomatensauce – bisher gab es nicht einmal Penne, dafür sehr oft Kartoffeln. Und dann schau ich mir einen alten Sergio Leone-Film an. Den Plan habe ich seit gestern Abend, als ich das Konzert von Ennio Morricone in der verlassenen Schiffswerft in Gdansk gesehen und vor allem gehört habe. Vom Komponisten selbst dirigiert, spielte ein grosses Orchester und ein rund hundertköpfiger Chor sang Filmmusik aus dem langjährigen Wirken von Morricone. Seine Musik ist angelegt mit sehr viel Pathos und bringt sehr viel Stimmung und lässt einem in Bildern schwelgen. Das eindeutige Highlight war dabei natürlich die Stücke aus dem bekannten Spaghetti-Western „Zwei glorreiche Halunken“ mit Clint Eastwood. Man konnte den Sand unter den Füssen und die Hitze beinahe spüren. Leider nur beinahe, denn es war ein ziemlich kalter Abend und ausserdem haben mich zwei Mücken in den Hals gestochen. Aber das ist natürlich nur halb so wild.
