Ausreden und Schmierfett oder die Kunst des Verspätens

Zugegeben: Pünktlichkeit gehört definitiv nicht zu meinen Stärken. Und wer sich mit dem werten Herrn Kolumnenschreiber auf einen Termin einlässt, braucht ein ziemlich strapazierfähiges Nervenkostüm.


Zugegeben: Pünktlichkeit gehört definitiv nicht zu meinen Stärken. Und wer sich mit dem werten Herrn Kolumnenschreiber auf einen Termin einlässt, braucht ein ziemlich strapazierfähiges Nervenkostüm. Ich habe Freunde, welche mit mir 15 Minuten früher abmachen, im Wissen dass sich die Verspätung in diesem Rahmen halten wird und ich dann ja zur wirklich geplanten Zeit da bin. Funktioniert meistens – aber eben nicht immer! In diesem Sinne hat sich natürlich das Repertoire der sogenannten Ausreden stark angehäuft. Da ich ein notorischer Nichtuhrentrager bin, zählt dieses Argument natürlich zu meinen stärksten. Dass man aber in der heutigen übertechnologisierten Zeit nicht mehr weiss wie spät es ist, nimmt einem leider niemand mehr ab. Hängt doch an sämtlichen Gadgets, Wänden und Gebrauchsgegenständen mittlerweile das ungeliebte Zahlenbild unseres Zeitsystems, welches unaufhörlich vor sich hin tickt. Vom Natel und dem Palm, welche ich immer dabeihabe, mal ganz abgesehen...

Nichtsdestotrotz besinne ich mich in Notsituationen auf diese Taktik. Selbstverständlich bin ich in solchen Momenten auch nicht um weitere „Ausweichausreden“ verlegen: der Motor ist nicht angesprungen, die frisch kastrierten Katzen entflohen, die Freundin schwanger oder die Wohnung eben abgebrannt. Dass diese Ausreden nur sporadisch einsetzbar sind, versteht sich wohl von selbst und muss gut bedacht sein.

Nun, ich habe mir ernsthaft überlegt, mein Zeitmanagement professionell in den Griff zu bekommen. Prompt fand ich Rat im Internet und habe mich bei den anonymen „Extremverspätern“ wiedergefunden. Leider fand der erste Kurs gänzlich ohne mich statt (Freundin war schwanger) und bei meiner zweiten Visite (Katzen auch noch schwanger) wurde mir höflich mitgeteilt, dass ich in diesem Kurs nun wirklich unerwünscht bin (nachdem ich 20 Minuten zu spät kam und den Kursleiter mit dem falschen Namen angesprochen habe). Hilfe, schreit es da nur aus mir raus. Wer kann mir bloss bei meinem Problem noch helfen. Selbsttherapie???

Selbsttherapie! Ich besinne mich... Ach war es doch früher noch einfach. Als Kind durfte ich ziemlich oft in den Genuss des verspäteten Auftauchens kommen, da ich gerne den Siebenschlaf gepflegt habe. Und im Angesichts der Unschuld eines Kindes werden Entschuldigungen mit einem sanften Gesichtsausdruck schnell in Mitleid umgewandelt und die Sache hat sich im Nu erledigt. Nun denn, ich habe mir nun überlegt, mich wieder vermehrt auf diese Tugenden zurückzubesinnen. Prophilaktisch werde ich nun jedes Mal wenn ich das Haus verlasse meine Hände mit Schmierfett einreiben. Ein genialer Schachzug: Nun kann ich fortwährend meine alte Kindheitsentschuldigung an den Mann bringen: „Sorry, aber mir ist die Kette vom Velo rausgesprungen!“. Geniale Sache, und mit nach Mitleid lechzendem Gesichtsausdruck einfach nicht zu überbieten. Dass mein letztes Fahrrad vor 15 Jahren sein Ende im Klöntalersee gefunden hat, braucht ja niemand zu wissen. An das Schmierfett am Steuerrad meines Renault Clios muss ich mich allerdings erst noch gewöhnen!!!