Der kantonale Kirchenrat betont nochmals, dass Hexenverfolgungen nur zu verurteilen und durch nichts zu rechtfertigen sind. Es ist sehr zu bedauern, dass sich daran auch Vertreter der Evangelisch-Reformierten Kirche beteiligt respektive sich nicht wirkungsvoll genug dagegen gewehrt haben. Das Todesurteil gegen Anna Göldi wegen Giftmischerei war ein klares Fehlurteil. Dies hat der Kirchenrat auch an der Frühlings-Synode von diesem Jahr ausgeführt.
Schon frühere Synoden haben sich mit Anna Göldi befasst: Am 16. November 1989 lehnte das reformierte Kirchenparlament einen Antrag des kantonalen Kirchenrates ab, an die Produktionskosten des Filmes «Anna Göldin – letzte Hexe» 10 000 Franken aus dem evangelischen Reservefonds zu sprechen. Man wollte sich stattdessen für in der Gegenwart lebende, notleidende Frauen einsetzen. Dies geschah ein Jahr später, als die Synode am 15. November 1990 dem glarnerischen Verein für alleinerziehende Mütter und Väter einen einmaligen Beitrag in der Höhe von 10 000 Franken gewährte. Der Verein gründete daraufhin den Anna-Göldi-Fonds. «Die Glarner Landeskirche hat damit zweimal öffentlich Stellung genommen zum Göldi-Prozess und gleichzeitig ein deutliches finanzielles Zeichen ihrer Verantwortung gesetzt», sagt Pfarrer Alfred Meier, Präsident des heutigen kantonalen Kirchenrates.
Wissenschaftlich breit aufarbeiten
Was die wissenschaftliche Aufarbeitung der damaligen Verhältnisse betrifft, so müsste diese breiter abgestützt sein als bisher. Der Rat hält fest, dass Anna Göldi kein Einzelfall im Kanton Glarus ist. Rudolf Steinmüller, auch er ein unbequemer und ungeliebter Zeitgenosse, wurde ebenfalls der Giftmischerei bezichtigt, entzog sich dem Urteil jedoch durch Suizid. Zudem wurde sein Vermögen eingezogen, um daraus die Gerichtskosten zu bezahlen. Einige Jahre später ging ein ähnliches Treiben in Netstal los.
«Es kann nicht sein, sich allein auf Anna Göldi zu konzentrieren. Das ist nicht seriös. Es ist ungerecht gegenüber dem bekannten zweiten Opfer», so die Haltung des kantonalen Kirchenrates dazu. Insbesondere weil der Suizid Steinmüllers gesellschaftlich und kirchlich lange Zeit diskriminiert wurde, ist es wichtig, nicht den Anschein zu erwecken, es werde hier mit verschiedenen Massstäben gemessen.
Begriff Rehabilitation klären
Bleibt die Frage nach dem jetzt geforderten offiziellen oder formalen Akt einer Rehabilitation. Der Rat hat ein grosses Interesse daran zu klären, was der Begriff Rehabilitation im fraglichen Zusammenhang überhaupt bedeutet. Denn es ist keineswegs klar, was ein offizieller Akt von Rehabilitation im Hinblick auf ein Fehlurteil aus dem 18. Jahrhundert überhaupt sein kann – speziell auch, was dies kirchlich heisst. Selbst Juristen sind sich darüber uneinig. Auch die Zürcher Regierung und der reformierte Kirchenrat des Kantons Zürich haben keinen formalen Akt der Rehabilitation, zum Beispiel gegenüber den Hexenverfolgungen von Wasterkingen, vorgenommen, sondern es wurde 2001 an einer Gedenkveranstaltung zur historischen Verantwortung gestanden, die Geschehnisse wurden bedauert und verurteilt.
Unklar ist zudem die Rechtsnachfolge derer, die den Prozess und das Urteil zu verantworten haben. Neben dem evangelischen Rat (Regierung des evangelischen Konfessionsteils) gab es eine kirchliche, evangelische Synode, zusammengesetzt aus den evangelischen Pfarrpersonen und je zwei ausgelosten Vertretern aus den Wahltagwen. Der Synode stand ein Dekan vor. Das zweite Amt war der Camerarius. Wie die Verflechtungen liefen, ist nicht geklärt – auch diesbezüglich ist eine gründliche wissenschaftliche Klärung erforderlich.
Ausserordentliche Landsgemeinde am Ewigkeitssonntag
In der reformierten Kirche ist es Tradition, am Ewigkeits- und Totensonntag der im vergangenen Kirchenjahr verstorbenen Menschen zu gedenken. Dies wäre heuer am 25. November der Fall. Nachdem nun aber der Regierungsrat die ausserordentliche Landsgemeinde an diesem Datum angesetzt hat, empfiehlt der Rat den Kirchgemeinden, das spezielle Gedenken auf den 18. November vorzuverlegen. Am Landsgemeindetag findet ja kein Gottesdienst statt, und eine Vorverlegung auf den Samstagabend erachtet der Rat als nicht sinnvoll.