Die Landsgemeinde 2007 beschloss eine Änderung des Steuergesetzes. Das Memorial machte deutlich, weshalb eine Steuergesetzrevision vorgenommen wird: Steuerliche Entlastung von Verheirateten, Einelternfamilien mit tiefen Einkommen sowie Familien mit Kindern. Man wollte gezielt die Personen steuerlich entlasten, die ein hohes Armutsrisiko aufweisen. So schreibt die Organisation „Caritas“ in ihrer Studie zur Armut in der Schweiz: „Junge Familien mit mehreren Kindern, allein Erziehende, alleinstehende Personen und junge Erwachsene, die um einen Einstieg in die Arbeitswelt kämpfen müssen, sind einem besonderen Armutsrisiko ausgesetzt“. Verfehlt wäre daher der Vorwurf einer unsozialen Vorlage!
Die Änderung des Steuergesetzes führte dazu, dass deutlich mehr als zwei Drittel aller Rentner weniger Steuern bezahlen als bisher. Der Rest zahlt etwas mehr, was zweifellos zu bedauern ist. Der Grund für die Mehrbelastung ergibt sich aus der Tatsache, dass Artikel 33 des Steuergesetzes geändert wurde. Dieser Artikel 33 sah vor, dass unter gewissen Bedingungen Rentner sowie Alleinstehende mit Kindern einen Pauschalabzug in der Höhe von 3'500 – 4'500 Franken machen dürfen. Weil mit der Vorlage wie erwähnt die Alleinstehenden mit Kindern tariflich entlastet wurden, musste besagter Artikel zwingend geändert werden.
Die Frage war nun, belässt man die Abzüge einfach noch für die Rentner? Da verheiratete Rentner ebenfalls über den Steuertarif entlastet wurden, hätte man diese Abzüge ausschliesslich für alleinstehende Rentner aufrecht erhalten müssen. Dies wäre jedoch sehr heikel gewesen. Es hätte sich dann nämlich zwangsläufig die Frage gestellt, weshalb denn ein solcher Abzug lediglich alleinstehende Rentner und nicht auch andere Personengruppen wie beispielsweise alleinstehende Arbeitslose machen dürfen? Man entschied sich trotz dieser erheblichen Bedenken für eine Sonderlösung für die alleinstehenden Rentner. Allerdings wurde der Pauschalabzug auf 2000 Fr. reduziert.
Früher kannte man genau die Lösung, welche heute gültig ist (d.h. Pauschalabzug von 2000 Fr. für Rentner). Die Landsgemeinde 2002 erhöhte den Pauschalabzug, weil gleichzeitig neu die Renteneinkommen aus der beruflichen Vorsorge zu 100 Prozent besteuert wurden. Mit diesen Abzügen wollte man die schlagartige Höherbelastung „abfedern“. Die Sonderlösung wurde ausführlich begründet, wobei schon damals im Memorial klar festgehalten wurde, dass „die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei Renteneinkommen nicht kleiner ist als bei Erwerbseinkommen“. Ferner: „Das Alter stellt keinen ausreichenden Grund für die Gewährung eines zusätzlichen Steuerabzuges dar“.
Eine völlige Gleichbehandlung aller alleinstehenden Steuerpflichtigen brachte dann die Landsgemeindevorlage 2008, welche ab dem 1.1.2009 gültig ist. Den Abzug von 2000 Fr. können seit Beginn dieses Jahres nicht nur alleinstehende Rentner, sondern grundsätzlich alle alleinstehenden Personen unabhängig von ihrem Status machen. Die Landsgemeinde 2009 wird zum dritten Mal in Folge über steuerliche Entlastungen entscheiden können. Vorgesehen sind weitere, kräftige Steuererleichterungen für alle Personen. Nimmt die Landsgemeinde die Vorlage an, fällt dieser Pauschalabzug ab 2010 gänzlich weg. Im Gegenzug werden steuerliche Entlastungen beim Tarif vorgeschlagen. Die tieferen Steuertarife gelten dann selbstverständlich auch für die alleinstehenden Rentner.
Die Steuerbelastung (resp. die Abzüge) legt nicht der kantonale Finanzdirektor fest. Vielmehr resultiert diese aus einem demokratischen Entscheid der Landsgemeinde. Vorgeschaltet ist ein politisches Verfahren, in welchem sich die verschiedenen Akteure wie Politiker und Parteien mit der Materie befassen. Der besagte Artikel 33 wurde nirgends kritisiert. Ist der mündige Bürger mit den Vorarbeiten von Verwaltung und Politik nicht einverstanden, kann er am ersten Sonntag im Mai selber aktiv werden und entsprechende Anträge stellen. An der Landsgemeinde 2007 war jedoch keine Wortmeldung zu diesem Thema zu verzeichnen. Man darf deshalb annehmen, dass der Souverän die vorgängig dargelegten Überlegungen betreffend Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht bestreitet.
Rolf Widmer, Dr. oec. HSG, Landesstatthalter, Departement Finanzen und Gesundheit