Bettagsmandat 2012

Im Mittelpunkt des diesjährigen Bettagsmandates des Glarner Regierungsrates stehen Geld und Verantwortung.



Geld und Verantwortung stehen im Mittelpunkt des Bettagsmandates 2012 des Glarner Regierungsrates. (Bild: ehuber)
Geld und Verantwortung stehen im Mittelpunkt des Bettagsmandates 2012 des Glarner Regierungsrates. (Bild: ehuber)

Getreue, liebe Mitlandleute

Der Regierungsrat erlässt folgendes Bettagsmandat:

Geld und Verantwortung

Die Finanzmarkt- und Schuldenkrise hält Europa und die Welt in Atem. Verschiedene Staaten mussten ihren Banken helfen, nachdem diese wegen grosszügig gewährten Krediten in Schwierigkeiten geraten waren und viele Schuldner die Zinslasten ihrer Kredite nicht mehr zu tragen vermochten. Die Aufsichtsbehörden reagierten, indem sie die Eigenkapitalvorschriften der Banken verschärften, und die Staaten, indem sie den Banken Gelder zur Verfügung stellten, um eine Kreditklemme zu vermeiden und die kriselnde Wirtschaft zu beleben. Die Notenbanken in Europa und Übersee senkten ihre Leitzinsen auf historische Tiefststände. Zudem gerieten einige europäische Länder in Schwierigkeiten; ihre grossen Schulden stiegen weiter. Da Ratingagenturen ihre Bonität herunterstuften, hatten sie immer höhere Zinsen zu bezahlen, was sie an den Rand des Staatsbankrotts brachte. In der EU jagten und jagen sich Krisengipfel, und die Rettungsschirme werden immer weiter gespannt.

Geldmisere trifft alle

Die Schweiz blieb als Nicht-EU-Mitglied davon zwar nicht verschont, wurde aber nicht in gleichem Ausmass getroffen. Allerdings werfen sichere Bundesobligationen praktisch keine Rendite mehr ab und musste die Nationalbank der UBS unter die Arme greifen. Die Finanzmarktaufsicht verschärfte die Eigenkapitalvorschriften der Banken massiv, was auch unsere Kantonalbank zu spüren bekam. Die Schuldenkrise entwickelte sich zu einer Eurokrise. Der erstarkte Franken belastet unsere exportorientierte Wirtschaft und den Tourismus derart massiv, dass die Nationalbank gezwungen ist, die Euro-Untergrenze von 1.20 Franken mit enormen Devisenkäufen zu verteidigen.

Dennoch geht es uns vergleichsweise gut; Bund, Kantone und Gemeinden weisen eine tiefe Verschuldung aus. Sie nehmen ihre Verantwortung für Land, Volk und Wirtschaft wahr: keine Schuldenwirtschaft und haushälterischer Umgang mit den Staatsmitteln.

Verantwortung der Einzelnen

(Fehlendes) Geld, Zinsen, Schulden sind die aktuellen Themen. Es wird verantwortungsbewusster Umgang mit dem Geld gefordert. Hohe Bonis und Abgangsentschädigungen, die in keinem Verhältnis zu erbrachten Leistungen stehen, werden immer weniger hingenommen.

Für die Gier nach Geld, die dahintersteckt, sind Menschen verantwortlich. Ihr Handeln – vor allem das der sogenannten «Banker» – trug dazu bei, dass sehr viele unter der Krise leiden und nur wenige davon profitieren. Dabei würden die Banken einen sinnvollen Zweck erfüllen: Geld von jenen nehmen, die zu viel davon haben, um es jenen zu leihen, die Geld brauchen; beides gegen Entgelt. Einige Banker haben dies völlig missverstanden. Sie handelten und dachten kurzfristig und achteten einzig auf das eigene Wohlergehen. Nicht der Nutzen für Kunden, Wirtschaft und Gesellschaft stand im Vordergrund, sondern das eigene Portemonnaie. Selbstverständlich gilt das nicht für alle Bankangestellten, sondern es haben leider Angehörige der obersten Kader das Vertrauen von Kunden, Politik, Öffentlichkeit und Mitarbeitenden missbraucht. Der amerikanische Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz versucht in seinem aktuellsten Buch über Ungleichheit zu beweisen, dass sich 1 Prozent der Bevölkerung – er nennt namentlich Banker – sich auf Kosten der übrigen 99 Prozent schamlos bereichern. Die Liste ihrer Verfehlungen ist lang: Sie reicht von Manipulation des Zinssatzes bis zur Aufforderung zur Steuerhinterziehung. Ein Umdenken hat noch nicht wirklich stattgefunden. Immer neue Skandale machen zu Recht ratlos, wütend, zerstören Vertrauen, wecken Neid und lassen nicht mehr daran glauben, nur für ehrliche Arbeit erhalte man angemessenen Lohn. Zudem ist das Bemühen zu verantwortlicherem Handeln kaum spürbar. Es ist erschreckend, wenn sich Menschen auf Kosten anderer bereichern, Geld, das ihnen weder gehört noch zusteht, in die eigene Tasche stecken. Kommt es ans Licht wird vorerst alles abgestritten, und wenn es nicht mehr anders geht, alles verharmlost; es mangelt an Unrechtbewusstsein und Moral. Deshalb ist politisch dagegen vorzugehen. Massnahmen, wie sie die Abzocker-Initiative fordert – Begrenzung der Managergehälter –, sollte den Verantwortlichen in Finanzwelt und Wirtschaft eigentlich die Augen öffnen: Wer über Geld herrscht, trägt besondere Verantwortung für das Ganze.

Ausgleich ist notwendig – auch für die Besitzenden

Geld ist nicht zum Vornherein etwas Schlechtes. In der Bibel steht: «Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon.» Wenn wir Geld schon nicht immer gerecht und redlich erwerben, sollen wir es wenigstens für unseren Lebensunterhalt und zum Wohl unserer Mitmenschen einsetzen, statt zu horten oder anzuhäufen. Jesus erzählt die Geschichte vom Bauer, der dank reicher Ernte seine Scheune füllen durfte. Aber das war ihm nicht genug. Er plante, eine grössere Scheune zu bauen. In der folgenden Nacht starb er. Es scheint zuzutreffen: Je mehr ein Mensch hat, desto mehr will er; je reicher er ist, desto reicher will er werden. Mit dieser Haltung wird die Kluft zwischen Reich und Arm immer grösser und damit auch die Gefahr, dass so die Verantwortung der Reichen gegenüber den Armen verloren geht. Leidet jedoch die Mehrheit grosse Not und hat sie nichts mehr zu verlieren, wird Aufruhr, Zerstörung die Folge sein.

Darum kannten die Israeliten das sogenannte Jubeljahr. In jedem 50. Jahr wurden die Schulden erlassen, die Sklaven freigelassen. Das glich zu grosse Unterschiede aus. Alle konnten neu beginnen. Symbolhaft lagen gar die Äcker brach; selbst die Natur sollte sich erholen!

Geld nicht Lebenszweck – aber notwendiges Hilfsmittel dazu

Geld hat keinen Selbstzweck. Es muss im Dienst der Menschen stehen und sollte allen Menschen das Leben ermöglichen; mehr Geld braucht es nicht. Wer arbeitet, hat Anrecht auf seinen Lohn, denn die meisten leben vom Geld, das sie verdienen. Arbeit ist aber gerecht und angemessen zu entlöhnen. Spekulieren auf Einnahmen aus dem Tun anderer ist zu bequem und zudem droht ein Absturz. Wenn die einen immer mehr Geld ohne entsprechende Gegenleistung anzuhäufen vermögen, während den anderen immer weniger bleibt, stimmt etwas nicht. Wir sind für unsere Mitmenschen verantwortlich. Diese Verantwortung nehmen wir wahr, indem wir anderen etwas geben, was zudem Befriedigung gibt, und wenn wir die geschuldeten Steuern bezahlen. Das ist keine lästige Pflicht. Denn Staat und Kirche können ihre vielfältigen Aufgaben nicht erfüllen, wenn ihnen das Geld dazu vorenthalten wird. Gerade unseren Sozial- und Hilfswerken mangelt es an Mitteln für soziale Vorhaben, die erreichen wollen, dass alle Alter und Schichten ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Dafür braucht es unsere Solidarität und dafür sind wir verantwortlich, indem wir Geld für die eigenen Bedürfnisse und zum Wohl der Mitmenschen einsetzen.

Das Hauptproblem mit dem Geld wurzelt in der Haltung: Um zufrieden oder glücklich zu sein, brauchen wir mehr davon – mindestens ein bisschen, lieber aber viel mehr; oder: man hat nie genug davon – bald könnte es zu wenig sein. Fast jeder problematische Umgang mit Geld liegt darin begründet. Bei Licht betrachtet erweisen sich diese Ideen als Irrtümer.

Doch überprüfen Sie selbst Ihre Glaubenssätze bezüglich Geld, und Sie werden Richtigkeit erkennen. In der Folge davon wird Ihr Stress mit dem Geld Gelassenheit und Zufriedenheit weichen, und Sie werden erst noch vernünftiger und verantwortungsvoller mit Ihrem Geld umgehen.

Dafür danken wir Ihnen.

Glarus, im September 2012

Namens des Regierungsrates

Dr. Andrea Bettiga, Landammann

lic. iur. Hansjörg Dürst, Ratsschreiber