Bettagsmandat 2021

Nach der Pandemie: Keine Rückkehr zu einem «normalen» Leben.



Bettagsmandat 2021 (Archivbild: e.huber)
Bettagsmandat 2021 (Archivbild: e.huber)

Mit Zuversicht starteten das Glarnerland und die Schweiz ins Jahr 2020. Alle Prognosen und Indikatoren standen auf Grün. Doch dann stellte ein Virus die ganze Welt auf den Kopf. Der Bundesrat rief angesichts der Corona-Pandemie die höchste Eskalationsstufe aus. Das führte zu einem massiven wirtschaftlichen Einbruch. Geschockt durch Ansteckungen, Erkrankungen und Todesfälle wurden die behördlichen Anordnungen von der Bevölkerung mit Verständnis angenommen und befolgt.

Trotz weiterer Infektionswellen begannen aber bereits im Herbst 2020 Diskussionen über Einschränkungen und Lockerungen. Den einen gingen die Massnahmen viel zu weit und die Öffnung viel zu langsam. Andere warnten vor zu frühen Lockerungen. Aus der während der ersten Welle zu beobachtender Akzeptanz wurde zusehends Gleichmut.

Genug der Einschränkungen

Allmählich sind nicht nur die Demonstrierenden der vielen Covid-19-Einschränkungen überdrüssig. Die Rückkehr zu einem «normalen» Leben wird ersehnt und gefordert.

Die Pandemie überraschte Bevölkerung und Behörden gleichermassen. Die üblichen politischen Prozesse zur Lösungsfindung sorgfältiges Abwägen einzelner Argumente im Zusammenspiel zwischen Legislative und Exekutive waren für die Bewältigung der Krise offensichtlich ungeeignet. Gefragt war nicht endloses Debattieren, sondern unverzügliches Handeln. Die Pandemie zeigte Defizite auf in der Vorbereitung auf das Unerwartete. Aus den Erfahrungen in der Krise müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Alte und neue Begriffe

Noch nie wurden innerhalb einer so kurzen Zeit so viele neue Wörter erfunden wie in den letzten beiden Jahren. Neudeutsche Ausdrücke wie Lockdown, Social Distancing oder Homeschooling verbreiteten sich so schnell wie das Virus selbst. Während der Pandemie tauchte aber auch ein fast vergessenes Wort wieder auf: Demut. Es wurde zu einem Synonym für: «Hey, Mensch, du hast gedacht, es geht immer nur aufwärts und plötzlich kommt doch ein abrupter Stopp, der das Alltägliche, das Selbstverständliche lahmlegt.» Das Wort Demut kommt von dem althochdeutschen Begriff diemuoti: Dienen und Mut. Genau darum geht es: Den Mut zu haben, zu dienen, schwierige Entscheide zu treffen, ohne seine Macht an Andern auszuspielen. Es gehört Mut dazu, seinen Mitmenschen zu helfen. Dieser Mut konnte so neue Kontakte schaffen, welche vorher nur aus oberflächlichem Smalltalk bestanden. Gerade in der Nachbarschaftshilfe und im Gesundheitswesen wurde Grossartiges geleistet, weil viele die Demut hatten, den Mut aufbrachten, oft im Verborgenen dem Andern zu dienen.

So sehr sich die Menschen nun nach einer Rückkehr zu Vertrautem und Bekanntem sehnen, so sehr müssen sie erkennen und anerkennen, dass sie nicht einfach dort wieder anknüpfen können, wo sie aufgehört haben. Nostalgie ist nicht hilfreich, wenn es darum geht, die Zukunft zu gestalten.

Nach der Pandemie beginnt das Leben nicht bei null, aber es zeigt sich, dass «Normalität» angepasst und verändert werden muss. Die eigene Wahrnehmung von normal ist nicht mit Normalität gleichzusetzen. Normalität ist ein sehr fragiles Gebilde. Augenmass und die Einsicht, dass nichts bleibt, wie es war, wird so zum Leitfaden in der Kunst des Möglichen.

Neuausrichtung ist notwendig

Die Bibel weist darauf hin, wie eine Rückkehr und Umkehr aussehen kann. Israel kommt beim Auszug aus Ägypten nicht wieder einfach auf direktem Weg in das gelobte Land. Das ist kein Weg, der völlig reibungslos gerade mal eben unter die Füsse genommen wird. Diverse Bussübungen – modern formuliert: Neuausrichtungen – sind notwendig. Umkehr bedeutet aber nichts anderes als Busse, ein Wort, das heute fast nicht mehr verstanden wird. Eine Busse ist weit mehr als eine Strafe oder eine Auflage. Busse ist das Angebot, zurückzukehren auf einen besseren Weg.

Umkehr ist auch nicht einfach ein Richtungswechsel. Umkehr setzt ein Nachdenken und ein Nachfühlen voraus. Umkehr ist immer verbunden mit der Einsicht, dass ein früherer Weg, eine frühere Idee, eine frühere Haltung nicht zielführend waren.

Es gehört jedenfalls zu der Einsicht, dass das Erträumte und die eigenen Möglichkeiten nicht deckungsgleich sind. Genauso wenig können persönliche Gefühle zur allgemeinen Wahrheit erklärt werden. Das mag einen kränken, aber es weist ihm auch seinen Ort.

Der heutige Bettag lädt dazu ein, sich auch diesen unbequemen Fragen zu stellen.