Der Gönnerverein Glarner Wirtschaftsarchiv wurde im Jahr 2004 zur materiellen und ideellen Unterstützung der Stiftung Glarner Wirtschaftsarchiv ins Leben gerufen. Mittlerweile umfasst der Verein knapp 200 Mitglieder. Der Gönnerverein unterstützt das GWA, indem er die Beschaffung spezieller Einrichtungen und Materialien finanziert.
Die motivierten Mitarbeiter des Glarner Wirtschaftsarchivs seinerseits wollen industrielle Kulturgüter des Glarnerlandes sammeln, elektronisch erfassen und bewahren, Archivbestände von verschiedenen Glarner Firmen für wissenschaftliche Forschung und interessierte Öffentlichkeit zugänglich machen und durch Wechselausstellungen das Bewusstsein für Glarner Industriekultur stärken und Mut machen für Zukunftsperspektiven des Glarnerlandes.
Vom Firmenarchiv Blumer zum Glarner Wirtschaftsarchiv
Die Firma Blumer in Schwanden hat von 1828 bis 1980, also während rund 150 Jahren, Tücher und Stoffe mit vielfarbigen, faszinierenden Mustern gedruckt und in die ganze Welt exportiert. Von dieser langen industriellen Produktion und Handelstätigkeit blieben in den Dachräumen der Firma Blumer interessante Zeitzeugnisse erhalten. Einerseits waren es aus der Produktion 10 000Zeichnungen – ein einzigartiger Schatz – welcher bei der Schliessung der Betriebe meist achtlos im Abfall landeten. Rund 2000 davon, welche einen Einblick ins gesellschaftliche Leben in dieser Periode zeigen, wurden ausgewählt, inkl. Model und Tuch.
Andererseits sind es Musterbücher, Model, Walzen, Schablonen, Rezeptbücher und als Produkte Schals, Tücher und Stoffe sowie andererseits aus der Handelstätigkeit Tausende von Briefen der umfangreichen Geschäftskorrespondenz, Kontobücher, Bilanzen, Erschliessungs- und Baudokumentationen. Viele Angehörige der Familien Kindlimann wirkten im Lauf der Zeit mit, um die Objekte und Akten zu reinigen, zu sortieren und in den Fabrikräumlichkeiten zu lagern.
Der denkmalgeschützte Hänggiturm (Hängeturm) auf dem Areal der ehemaligen Textildruckerei P. Blumer & Jenny in Schwanden wurde 1828 bei der Gründung der Firma Blumer erbaut. Er ist eines der wenigen noch bestehenden Trocknungsgebäude, die einst in grosser Zahl ein charakteristisches Merkmal der Glarner Druckindustrie bildeten. Der Hänggiturm des GWA ist ein Beispiel eines kombinierten Fabrikations-, Heisshänge- und Lufthänge-Gebäudes. Im vorderen Teil, der Lufthänge, wurden die zum Trocknen bestimmten, bedruckten Tuchbahnen im Dachgeschoss innen und aussen über einen Lattenrost gehängt und trockneten so an der freien Luft.
Im hinteren gemauerten Teil, der Heisshänge, wurden die Tücher mit der durch Feuer entstandene Wärme getrocknet. Heute dient die Heisshänge als Archivlager und Ausstellungsraum. Um dies zu ermöglichen, wurden im Inneren mithilfe einer eingefügten Stahlkonstruktion drei Lagergeschosse eingebaut, ohne die historische Bausubstanz zu zerstören. Die Lufthänge wurde in ihrer imposanten Höhe belassen und kann als Saal für private Feiern, Lesungen oder Konzerte gemietet werden.
Mitgliederversammlung im Schnellzugtempo
Unter dem Präsidium von Jacqueline Jenny wurden sowohl dem Protokoll der letzten Mitgliederversammlung, dem Jahresbericht 2022, der Jahresrechnung, welche mit einem Verlust abschliesst, dem Budget wie auch der Festlegung der Mitgliederbeiträge diskussionslos zugestimmt.
Bei zwei Sitzungen in den letzten neun Monaten wurden etliche lässige Ideen im Vorstand diskutiert. Im Mai hofft man jetzt, dass diese dann spruchreif werden und dadurch nach aussen eine viel sichtbarere Visualisierung erfolgen wird und auch mehr Einkünfte generiert werden.
Bei der Orientierung des Glarner Wirtschaftsarchivs zeigte sich Dr. phil. Sibyll Kindlimann erfreut, einen «neuen Mitarbeiter» in Form eines leistungsfähigen Scanners begrüssen zu dürfen, welcher bei der Archivierung eine grosse Hilfe ist. Ebenfalls orientierte sie über die Nutzung der Räumlichkeiten im Hänggiturm. Das Projekt, zusammen mit dem Glarner Arbeitskreis, mit dem Titel Glarnerland/Afrika, musste durch fehlende Ressourcen zurückgestellt werden. Hingegen ist aus Anlass des 20-jährigen Bestehens des GWA geplant, im September 2023 eine Jubiläums-Ausstellung zu eröffnen, ohne die laufenden Archivierungs-Arbeiten zu vernachlässigen. Daneben sind auch zwei Exkursionen im April und September geplant.
Der Kunde ist König – oder doch mehr als eine unterhaltsame Anekdote
Zeichnungen, hinter denen sich Geschichten verstecken – in ihrem rund 15-minütigen Exkurs nahm Dr. phil. Madlaina Brugger die Anwesenden mit und rollte die Diskussion um das Dessin zur Echarpe Nummer 632, welches am 4. Dezember 1956 zum ersten Mal in der Korrespondenz auftrat, chronologisch auf. «Man sieht auf den ersten Blick, dass es sich hier um die Interpretation eines Ausländers handelt, und dass deshalb die Bordüre ihren Pariser Charakter verliert.» Mit diesen Worten begründen Jean Baehl, Agent der Firma Blumer in Paris, die Entscheidung seiner Kunden, Monsieur und Madame Richard, gegen die Zeichnung des Zürchers Hugo Laubi und für dasselbe Sujet aus der Feder des Pariser Zeichners René Thomasset. Doch zuvor entsteht ein langes Hin und Her an Wünschen, Korrekturen und etlichen Anpassungen. Manchmal scheinen die Erklärungen objektiv begründet, in anderen Fällen ist es reine Geschmackssache.
Eines der wichtigsten Anliegen der Geschichtswissenschaft, insbesondere ihrer Vermittlung, ist es, Verständnis für andere Zeiten – das heisst immer auch andere Kulturen – und dadurch für die conditio humana zu schaffen. Französischer Nationalstolz mag einen Anteil daran gehabt haben, dass Laubis Zeichnung in Ungnade gefallen ist, doch das ist zu einem grossen Teil Spekulation.
Der Kunde ist König, wie das geflügelte Wort sagt, und auch in diesem Fall bekam der Kunde seinen Wunsch. Die Produktion der Echarpe gemäss Dessin Thomasset wurde am 1. Februar bestätigt und am 27. Februar disponiert. Abschliessend stellte sich die Rednerin die Frage, ob die Geschichte der Echarpe 632 mehr sein kann als eine unterhaltsame Anekdote.
Glarner Wirtschaftsarchiv, Mühleareal 20,
8762 Schwanden, Tel. 055 654 13 01
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Öffnungszeiten Museum: Jeden letzten Samstag im Monat, 14.00–17.00 Uhr. Zusätzliche Öffnungen auf Anfrage. Öffnungszeiten Archiv: auf Anfrage