Blick in Platons Höhle

Dank der Einladung durch das „kulturelle Forum Gartenflügel Ziegelbrücke“ gewährten die Autorin und die Autoren in einer literarischen Ouverture zur 74. Musikwoche Braunwald in packender Weise dem zahlreichen Publikum eine oftmals ganz überraschende Einsicht in den Ursprung ihrer Texte, ganz der für Lesefreudige im voraus eher schwer vorstellbaren Thematik folgend: Literatur über Literatur.



Walter Hauser
Walter Hauser

An zwei Tagen schwirrten Worte der Spurensuchen nach den Ursprüngen von Texten sowohl im Historischen wie auch Autobiografischen der Autorin Gertrud Leutenegger und der Autoren Hugo Loetscher, Thomas Hürlimann, Walter Hauser, Tim Krohn, Perikles Monioudis und Emil Zopfi im stimmigen Ambiente des Kronleuchtersaals im Hotel „Bellevue“ flirtend mit den Gästen über Stunden herum.

Uebersetzen vom Fremden ins Eigene

Immer wieder kam zur Sprache, wie Texte als eine Mischung aus fremden Texten mit eigenem Erleben direkt „in die Feder“ von Autoren fliessen – oftmals ganz bewusst, mehrheitlich führte jedoch das Unbewusste Regie. Bildlich wäre dies so darzustellen, dass auf der einen Uferseite die in bis unendliche Höhen aufgestapelten Buchrücken der vor unserer Zeit geschriebenen Werke erdenschwer lägen und über alle Zeiten hinweg zu den auf der anderen Uferseite wartenden Autoren übersetzten. Ob sie osmotisch in das Innere der Autoren eindrangen oder wirkungslos an ihnen vorbeihuschten, dies konnte das Publikum in spannender Weise mitverfolgen.

Platons Höhlengleichnis

Die Tatsache, dass Autoren „immer ein Buch mehr lesen“, führte Thomas Hürlimann und Tim Krohn auf ihrer Spurensuche bis zu Platon (427-347 v.Chr) und dem in vorchristlichen Zeiten entstandenen „Höhlengleichnis“.

Thomas Hürlimann erzählt in seinem im Herbst erscheinenden Buch „Dämmerschoppen“ u.a. Platons „Höhlengleichnis“ in amüsanter und tiefsinniger Weise, wie Gottfried Keller seinen 70.Geburtstag inkognito auf dem Seelisberg feierte – zu feiern gewillt war. So ist Keller der Korbsessel Platons Höhle gleich der Rückzug vom Aussen, um den Feierlichkeiten zu entsagen, wehrt sich gegen die „Wegschaffung“ in die „verkehrte Welt“, was Keller – na, lesen Sie es selbst – gelang? Dass Gottfried Keller für Thomas Hürlimann Anfang und Begleiter in seinem Schreiben bedeutet, das meisterhafte Verdrehen von Sätzen Kellers bei Hürlimann wieder zu finden ist, das ist im Verwandtschaftlichen der beiden Autoren begründet.

Wer kennt Sie nicht oder noch – die SJW-Heftchen? Tim Krohn erzählt in einer weiteren Elisa-Geschichte Platons Höhlengleichnis darin kindergerecht, d.h. „…bitte nichts Gruseliges und keine Toten…“ wie Elisa fordert und das Gleichnis dennoch erzählt haben will. Als ob wir als unsichtbare Zuhörer/Zuschauer in Tim Krohns Wohnung sässen, erzählt er Elisa das Gleichnis mit einem sie voll befriedigenden Ende und führt Elisa so zum Erkennen des wahren Seins des Menschen Alltages.

Transposition vom Aussen ins Innen

Ob inspiriert von Werken, geschrieben in vorchristlichen Zeiten über alle Jahrhunderte hinweg bis ins heute, durch eigenes Erleben oder historische Begebenheiten, alle Autoren schöpfen gleichermassen vom Aussen wie vom Innen, die in ihrer ganz eigenen Sprache uns Leser/-innen einen mal offenen, mal verschlüsselten Blick in ihre Welt gewähren. In mystischer Weise Gertrud Leutenegger, autobiografisch stark geprägt durch alle Werke hindurch Hugo Loetscher, durch den Begründer der „Glarner Literatur“ Kaspar Freuler geprägt Perikles Monioudis, Walter Hauser und auch Emil Zopfi. Doch dies illustrieren alles nur einzelne Aspekte in der verschlungenen Suche nach dem wahren Ursprung eines Textes, die in faszinierender Nähe das Publikum zusammen mit den Autoren gemeinsam wagte an zwei Tagen beim „Literarischen Vorspiel“ in Braunwald.