«Bündner Abendrot» – Lesung, die nicht stattfand

Eigentlich war vor einiger Zeit geplant, dass der in Chur geborene Philipp Gurt in der stadtglarnerischen Kulturbuchhandlung Wortreich seinen neuesten, unlängst erschienenen Krimi «Bündner Abendrot» vorstellt. Es erfolgte leider eine kurzfristige Absage – nachdem sich eine doch erfreuliche Zahl an Zuhörerrinnen und Zuhörern bereits eingefunden hatte.



(Bild: p.meier)
(Bild: p.meier)

Philipp Gurt, mit Jahrgang 1968, wuchs mit sieben Geschwistern auf. Nachdem die Mutter die Familie verlassen hatte, schritten die Behörden ein. Die Kinder wurden in verschiedenen Heimen untergebracht. Zuweilen wusste keines, wo die anderen waren. Philipp Gurt hat diese Zeit im Buch «Schattenkind» in bewegender, offener Form aufgearbeitet. Das bewegende und ehrliche Schildern erschien im Jahre 2016 und stand 13 Wochen lang auf der schweizerischen Bestsellerliste. Ein Jahr später wurde er für dieses Buch mit dem Schweizer Autorenpreis ausgezeichnet.

Mit dem neuesten Krimi öffnet er eine ganz andere Welt. Er entführt in die bündnerische Bergwelt, stellt Landschaft und Bewohner vor, schildert leidenschaftlich, kunstreich, spannend.

Im Zentrum steht die Giulia de Medici. Sie ist eigenwillige, mutige Chefermittlerin der Kantonspolizei Graubünden, war lange Zeit mit ihrem Freund Erkki zusammen und will nach erfolgter Trennung in der fern von jeder Betriebsamkeit liegenden Berghütte Belastendes vergessen. Sie begibt sich ins Hochtal Sapün, hat sich damit von Dienstlichem verabschiedet.
Es kommt ganz anders als gedacht. Mitten in der Nacht steht eine total aufgewühlte Frau vor Giulias Türe. In der Hand hält sie ein blutbeflecktes Messer. Der Einstieg in ein gar wirbliges Geschehen ist damit vollzogen. Giulia de Medici nimmt Ermittlungen auf, sie kann sich auf ihre Kollegin Nadja Caminada verlassen. Es sind zuweilen absolut verstörende Momente mit unerklärlichen Abläufen, geprägt von auffälligen Personen mit nicht immer lupenreiner Vergangenheit, mit triebhaftem Handeln, zuweilen kraftvoll, überbordend leidenschaftlich, fern von gewohnt zwischenmenschlich Nachvollziehbarem. De Medici und Caminada sind beim fordernden Aufklären und Entwirren der beinahe zahllosen Ereignisse nicht allein. Was da abgeht, ist zuweilen spannend, verwirrlich, brutal, von Eigenwilligkeit und Primitivem geprägt.

Philipp Gurt schildert mit viel Spürsinn, Direktheit, sich Bündnerischem kenntnisreich hingebend. Man wird in Landschaften entführt, begegnet Gestalten, denen man im wirklichen Leben gar nie begegnen möchte, nimmt an Entwicklungen teil, die zuweilen so winkelig, unerwartet sind. Eigenwilligkeit, Spürsinn, kriminalistische Kreativität und Kraft der Giulia de Medici führen zu einem Gesamtbild, das für die «geneigte Leserschaft» wirklich faszinierende Formen annimmt.

So wird man in bündnerische Hochtäler und abgelegene Orte hingeführt. Ein Teil der Arbeit der leidenschaftlich tätigen de Medici und weiterer Kriminalisten wickelt sich im Linthgebiet ab und reicht bis ins Jahr 1984 zurück. Spannung ist garantiert. Gurt schreibt kenntnisreich und bezieht auch tiefste Abgründe des menschlichen Handelns zuweilen mit ein.