Casino-Gesellschaft und Albanien

Unlängst weilte das Pfarrehepaar Claire und Alfi Meier, einst in Ennenda tätig, auf Einladung der Casino-Gesellschaft Ennenda im Chilcheträff. Lange waren sie in Albanien unterwegs, besuchten dort Freunde und äusserten sich in willkommen persönlicher, offener Art zu Bewegendem wie Geschichte, Bevölkerung, Kultur, Landwirtschaft, alte Gewohnheitsrechte wie Blutrache oder Schwurjungfrau, Umweltproblematik, Geografie, Tourismus, Wasserreichtum, kirchliches Mit- und Nebeneinander, Öffnung der Grenzen und Politik.



Hans Thomann
Hans Thomann

Hans Thomann begrüsste die vielen Interessierten. Einige vernahmen wohl zum ersten Mal etwas über die Casino-Gesellschaft. Sie fühle sich, so Hans Thomann, der Pflege der Geselligkeit, dem intensiven Gedankenaustausch und der Vermittlung von Kulturellem verpflichtet. Davon zeuge das jeweilige Veranstaltungsprogramm, das dank verschiedener Referate in den vergangenen Jahren Begegnungen in der Antarktis, eine Reise nach Siebenbürgen, Abenteuerliches aus dem US-Amerikanischen Mittleren Westen ermöglichte. Es wurde auch in der Nähe verweilt; erwähnt seien ein Besuch des Rathauses samt Verweilen im Brunner-Haus und ein gemütlicher Aufenthalt auf auf Aeugsten.

Claire und Alfi Meier vermochten intensiv und umfassend aus einer Gegend zu berichten, die man zu wenig kennt, die zu oft mit negativ gefärbten Schlagwörtern behaftet ist. Erfahrungen seien total anders gewesen. Man habe viel Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft erleben dürfen, sei gar nie in bedrohliche Situationen geraten. Mit Zitaten und Kurzlesungen aus verschiedensten, hauptsächlich zwischen 2004 und 2010 geschriebenen Romanen, wurde eingestimmt und verdeutlicht. Die Vielfalt der Erlebnisse und Erfahrungen zu gliedern, war eine nicht eben einfache Sache. Die Referenten teilten sich in diese Aufgabe. Ausführungen wurden mit Bildmaterial verdeutlicht.

Albanien, so eines der ersten Zitate, sei eigentlich der Mittelpunkt unserer Welt, aber das wissen nur direkt Betroffene, die Teil dieses Mittelpunkts sind. So vernahm man denn von der Kraft des Raki. Dieser albanische Grappa habe eine riesige heilende Kraft, erleichtere sogar die enorm fordernde Aufgabe, Albanien auf den Schultern zu tragen.

Dass in Städten christliche Bauten und Moscheen nebeneinanderstehen, dass Feste zuweilen gemeinsam gefeiert werden, ist erfreulich. Im sechsten Jahrhundert standen Mystisches, Natur und Glaube nahe beieinander, die Religion war einend.

Es wurde aufgezeigt, dass die albanische Küste mit Tirana als Hauptstadt 675 Kilometer misst und die kürzeste Seedistanz nach Italien nur gerade 75 km beträgt. Albanien ist stark besonnt, im Süden zählt man 300 entsprechende Tage. Sonnenenergie werde kaum genutzt, Wasserkraft sei gefragt. Einige der bereisten Orte sind atemberaubend schön. Irritierend waren dann Bilder, die zeigten, wie einst widerrechtlich Erbautes zerstört wurde und als unnütze Ruine stehen bleibt. Um 1990 stieg die Bevölkerung auf 3,25 Millionen Personen. Mit der Öffnung der Grenze setzte eine Wegwanderung in ungeahnten Dimensionen ein. Seither leben – so die Referierenden – ungefähr 1,6 Millionen Albaner in benachbarten Staaten und den USA. Viele Dörfer sind praktisch leer, Leute wohnen immer häufiger in den Städten. Mit 35 Jahren ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung auffallend tief. Die Macht der Männer ist immens, Frauen haben eine untergeordnete Rolle. Mit Zitaten aus einem Roman wurde das verdeutlicht, zeigte die Belastungen und Spannungen auf, denen Frauen ausgesetzt sind. Die Frau ist in diesen Schilderungen zum Lustobjekt degradiert, dies scheint sich in den Köpfen vieler Männer einzementiert zu haben.

Claire Meier kam auf die Religion zu reden. Bis 1968 war Albanien ein atheistischer Staat. Heute besteht die Mehrheit aus Moslems. Fremde Staaten, wie Saudi-Arabien und vor allem die Türkei, finanzieren den Bau von Moscheen. Im Süden des Landes dominieren Griechisch-Orthodoxe. Reisende treffen viele Heiligtümer an. Die Bilder des Islams sind Ornamente. Es wurden Mosaiks erwähnt, die bewusst mit Sand überdeckt sind, damit sie keinen Schaden erleiden.

Oft wurde Enver Hodscha (1908 – 1985) erwähnt. Er studierte an der Universität von Montpellier Naturwissenschaften und interessierte sich immens für die Arbeit linker studentischer Zirkel. Er wandte sich gegen das Feudalregime in seinem Heimatland und ging nach der Invasion Albaniens durch italienische Truppen im Jahre 1930 in den Untergrund. Mit Titos Partisanen verbündet, kämpfte er mit Gleichgesinnten gegen deutsche und italienische Besatzer. Er wurde Mitbegründer und später Chef der albanischen KP. Tito unterstützte ihn. Hodscha ernannte sich 1944 zum Präsidenten einer provisorischen Regierung. Er entzweite sich mit Tito, wies 1961 die Russen aus dem Land und freundete sich mit Mao an, brach mit den Chinesen im Jahre 1978. Ohne fremde Hilfe baute er den albanischen Sozialismus auf. Jegliche Religionsausübung war damals verboten. Isolationismus lähmte vieles. Hodscha litt unter Verfolgungswahn. Gegner liess er gnadenlos verfolgen und samt Sippe aburteilen. Zudem liess er unzählige militärische Anlagen, vor allem Bunker, erstellen. Die bestehen heute noch.

Albanien hat eine bewegte Geschichte hinter sich, einst gehörte es dem byzantinischen Reich an, stand dann unter osmanischer Herrschaft.

Anno 1990 wurde die Demokratische Partei gegründet. Die Sozialistische Partei bestand bereits. Es bestünden heute, so Alfi Meier, zwei Blöcke von Interessenvertretern. 2014 war Albanien Beitrittskandidat zur EU. Das war die einzige Möglichkeit, sich aus dem lähmenden Totalitarismus zu lösen.

Und heute müsse die junge Generation unbedingt die Chance packen, politisch tätig zu werden und Erfahrungen sammeln. Es bestehe eine totale Zweiklassengesellschaft. Bei der älteren Generation spüre man den Willen der Besitzstandwahrung, das lähme die Entwicklung, sei ungut für positive Fortschritte. Vieles müsse breiter thematisiert und geändert werden.

Zu reden gaben die Albaner im Exil, die Unterstützung der Besserverdienenden, die ihr Geld nach Hause schicken. Die vielen Informationen verdankte Hans Thomann. Claire und Alfi Meier weilten mit ihrem Wohnmobil zwei Monate in Albanien und einige Tage im Kosovo. Sie vermochten sachlich und weit fassend zu berichten.