Chly Jazz – Helenka im Kunsthauskeller Glarus

Angekündigt war leicht Entrücktes, Weltfernes, viel Gesang, ebenso viel Technik, eine verbal beschwingte Fülle zwischen Kitsch und Kunst – alles mit grossen Tönen und viel Musik, bestehend aus höchsten und tiefsten Tönen und allem was dazwischenliegt, zuweilen rhythmisch unüberhörbar unterlegt. Es wartete damit eine Vielfalt, die es zu erfassen galt. Und einmal mehr siegten bei vielen die Neugier samt Bereitschaft, sich das mal anzuhören. Und einmal mehr bewahrheitete sich die weit herum bekannte Tatsache, dass niemand das Kommen zu bereuen hatte.



Corinna Reusser begrüsste namens der einladenden Kulturgesellschaft 
Corinna Reusser begrüsste namens der einladenden Kulturgesellschaft 

Einstimmen konnte man sich am Buffet im Kunsthauskeller, das zum Verweilen und einem ersten Gedankenaustausch ganz klar einlud – nachdem man den mit Rechaudkerzen gesäumten Weg erfolgreich zurückgelegt hatte. Wer den Blick zur Bühne wandte, sah eine Unmenge von Kabeln, irgendwelchen Apparaten, Lautsprechern, blinkenden Lämpchen, E-Piano und Notenblätter. Irgendwie passte diese leicht chaotische, aber durchaus malerisch drapierte Szenerie zu den angekündigten grossen Tönen, wie sie zwischen Kunst und Kitsch angesiedelt sind und – bliebe es lediglich bei diesen Tönen – zu wenig unterhaltend wären. Da brauchte es Texte, Erläuterungen, musikalische Begleitung und passende Beleuchtung.

Einbezogen war man enorm schnell. Corinna Reusser begrüsste namens der einladenden Kulturgesellschaft und wies auf erste Begegnungen anlässlich der letztjährigen Kleinkunstbörse in Thun hin. Da habe man Helenka angetroffen und über so vieles gestaunt, was man dem «geneigten Publikum» und den Freunden des Dritten Programms unbedingt weitergeben wollte. Nach Hinweisen auf weitere Anlässe (Dominique Deville mit «Off» am 10. Januar und Schön & Gut mit «Unter freiem Himmel, am 21. März) ging es los, schräg, wirblig, in zuweilen atemlosem Tempo, poetischem Reichtum, Reimen wie sie von fabulierfreudigen Kindern stammen könnten. Am Schlagzeug und mit dem Keyboard begleitete Simon Althaus unermüdlich, riesig aufmerksam, wechselvoll, sichtbar vergnügt mitvollziehend.

Helenka wirbelte mit ihren witzigen Botschaften, ihren gekonnten Statements, der spürbar grossen stimmlichen Kunst, dem munteren Auffordern zum Mittun, ihren Erlebnissen in halb Europa mit kurzem Schwerpunkt Hasle–Rüegsau, dem wechselvollen Erleben auf dem Ponyhof, dem Verweilen im Nagelstudio, dem schicksalshaften Werden und Leben der Blockflöten- und der Gesangslehrerin samt erteilten kurzen Lektionen, dem eingepflanzten künstlichen Hüftgelenk, der wundersamen Vielfalt einer kleinen Reinigungsbürste aus irgend einer Küche, Ausführungen des Herrn Burri wie man ihn von Mike Müllerschen Nummern kennt, dem Ausdeutschen von Abkürzungen wie beispielsweise LKK (=Leerer Kühlschrank des Kommunismus) oder KI und KH (=Künstliches Hüftgelenk) und anderem rum. Blitzschnell wurden Themen gewechselt, witzig, schlagfertig, mit klug gesetzten Pointen – der Unterhaltungswert war hoch, vieles klang enorm vergnüglich auf, war unerwartet. Man verfolgte das Schicksal von irgendwelchen Nüsschen samt Sättigungsgrad und Bezug ab Automaten. Man begab sich ins eigene Innere, landete da und dort, wenn man jene Stufen rauf- und runterstieg, die von der meditierenden Helenka vorgegeben wurden. So traf man schlafende Viecher aller Art. Es war vieles erfrischend leidenschaftlich. Man begegnete Jesus und seinen nassen Sandalen, lernte die Tücken einer durchgewetzten Matratze kennen, man weilte und verweilte. Es war extrem vergnüglich, witzig, mit klugen Pointen versehen, glitt nie ins Primitive ab, war so etwas wie eine bereitwillig angebotene Reise mit attraktiven Zwischenhalten an riesig vielen Orten.

Und nach der zweiten Zugabe war definitiv Schluss mit allen grenzüberschreitenden Begegnungen, mit der Reise ins eigene Ich, mit den Zwischenhalten an ungemein vielen Stationen, mit Geschichten aus dem Hier und Dort, mit Farbigem, Witzigem, ungemein Bewegungsreichem, spürbar Berührendem.