COVID-19 aus der Sicht von Alois Speck in Ecuador

Der Corona-Virus (Sars-CoV-2) beherrscht das soziale und wirtschaftliche Geschehen rund um den Globus. Während wir hier in der Schweiz von den Fängen des COVID-19-Virus seit rund drei Wochen fest umklammert sind, befindet sich das Land Ecuador an der Westküste Südamerikas erst in der Anfangsphase dieser lebensbedrohenden Lungenkrankheit. Der Exil-Netstaler Alois Speck, Jahrgang 1933, lebt seit dem Jahr 1959 in der pulsierenden Hafenstadt Guayaquil. Über Skype erläuterte er vergangenen Dienstag seinem Bruder Hans die aktuelle schwierige Situation für Land und Bevölkerung in seiner Wahlheimat Ecuador.



Alois und Trudi Speck leben seit 1959 in der Hafenstadt Guayaquil in Ecuador (Bilder: zvg)
Alois und Trudi Speck leben seit 1959 in der Hafenstadt Guayaquil in Ecuador (Bilder: zvg)

Ecuador ist ein Land an der Westküste Südamerikas und liegt am Äquator. Die vielfältige Landschaft umfasst Amazonasdschungel, das Andenhochland. Die Küstenlandschaft und die Galapagosinseln mit einer artenreichen Tierwelt. Die Hauptstadt Quito liegt in den Ausläufern der Anden auf einer Höhe von 2850 m. Bekannt ist die Stadt für ihr größtenteils intaktes Zentrum aus der spanischen Kolonialzeit mit ihren prächtigen Palästen aus dem 16. und 17. Jahrhundert und religiösen Stätten.

Mein Bruder «Wisi» lebt seit dem Oktober 1959 in diesem wunderschönen und vielseitigen, für Touristen hochinteressanten Land. In Anbetracht der momentanen ausserordentlichen und schwierigen Situation hier in der Schweiz und dem Wissen, dass seit Kurzem COVID-19 auch in Ecuador wütet, und in ernsthafter Sorge um die Gesundheit meines Bruders und seiner Familie, der ebenfalls wie ich zu den Risikopatienten gehört, habe ich «Wisi» gebeten, mir die aktuelle Situation in Ecuador zu schildern und zu beschreiben. Nachfolgend seine dramatischen Erläuterungen und aktuellen Zahlen, die er mir über Skype übermittelte.

«Im Moment registrieren wir hier in ganz Ecuador 1627 Fälle mit Corona-Infizierten. Leider müssen wir auch 41 Tote zur Kenntnis nehmen, zumeist ältere Personen mit einer medizinischen Vorgeschichte. An meinem Wohnort Guayaquil notiert man im Moment 750 Infizierte und 23 Tote. Für ältere Leute ab 65 besteht ein totales Ausgehverbot. Die anderen Leute können ausgehen von morgens 5 Uhr bis nachmittags 4 Uhr (Mittlerweilen wurde die Ausgehzeit auf zwei Uhr nachmittags reduziert). In Bezug auf die zugelassenen Gruppierungen gilt folgende Regelung: Es dürfen nur 2 Personen beieinanderstehen. Wer das Ausgehverbot nicht einhält, wird ohne Weiteres an Ort und Stelle verhaftet und im Anschluss ohne richterlichen Beschluss auf unbestimmte Zeit inhaftiert. Wer die Gefängnisse hier kennt, weiss was ihn erwartet. Es gab über 800 Verhaftungen hier in Guayaquil. Es blüht diesen Leuten Gefängnis bis 3 Jahre. Irgendwann wird es ein Gericht geben. Die Richter lassen sich aber genügend Zeit. Bei uns sind die Massnahmen viel drakonischer als in der Schweiz, was den Vorteil hat, dass sich die Leute an die vom Staat verhängten Massnahmen mehrheitlich konsequent halten. Trotzdem gab es vor wenigen Tagen in einem hiesigen Gefängnis eine Revolte: Inhaftierte wollten ausbrechen. Es gab deswegen 30 Tote hier in Guayaquil. In der Hauptstadt Quito gibt es viel weniger Fälle. Insgesamt registriert man 60 Infizierte und 3 Tote. Im Vergleich mit den anderen Ländern auf der ganzen Welt befinden wir uns offenbar aber erst am Anfang dieser Pandemie. Importiert wurde der Corona-Virus von Leuten, die aus Spanien nach Ecuador zurückgekehrt sind. Einen grösseren Ausbruch gab es in einem Quartier. Zwei Junge aus der USA haben nach ihrer Rückkehr nach Ecuador mit Freunden eine Riesenparty organisiert. Allein in diesem Quartier gab es über 100 Fälle. Allein von Freitag bis zum Sonntag hat sich die Zahl der Fälle mittlerweile von 500 auf 1000 Personen erhöht. Das Militär befindet sich ebenfalls subsidiär wie in der Schweiz im Einsatz. Aber der Pick ist im Vergleich mit anderen Ländern vermutlich noch längst nicht erreicht.

Meiner Frau Trudi und mir geht es den Umständen entsprechend gut. Es fehlt uns wirklich an nichts. Unser jüngster Sohn Marcel muss wegen seiner Diabeteskrankheit ebenfalls zu Hause bleiben. Dafür sorgt sein Sohn Daniel für den kulinarischen Nachschub und geht für uns Einkaufen. Es wird für uns also bestens gesorgt und um ehrlich zu sein habe ich im Moment ja selbst noch genügend Reserven. Probleme gibt es bei den Medikamenten und Beatmungsgeräten. Diese sind sehr schwierig zu erhalten, da praktisch keine Reserven angelegt wurden und wir von dieser Pandemie genau wie die Schweiz auf dem linken Fuss erwischt wurden. Bezüglich Tests hinken wir gegenüber der Schweiz definitiv hintennach. Die Möglichkeit der Firma Roche mit ihren leistungsfähigen Testmaschinen können wir leider nicht benutzen. Wir hoffen jetzt einfach, dass die Verordnungen der Regierung, die mehr oder weniger denen der Schweiz entsprechen, konsequent eingehalten werden. Das heisst im Klartext ein Ausgehverbot für Personen ab 65 Jahren und für Patienten mit medizinischer Vorgeschichte, unbedingt das Social Distancing von 2 Meter einhalten, Gruppierungen von maximal 2 Personen sind erlaubt, Hände mehrmals am Tag intensiv waschen oder desinfizieren. Wenn alle diese Verordnungen eingehalten werden, haben wir vielleicht eine Chance, diesen fiesen Corona-Winzling zu besiegen. Dies wird aber in Ecuador ein speziell schwieriges Unterfangen werden. Vertrauen wir auf den lieben Gott, er wird uns nicht alleine lassen!

Herzlichst aus Guayaquil

Ihr Alois Speck