«Corona war nur noch der letzte Tropfen»

In kurzer Zeit haben zwei traditionelle Textilunternehmen im Glarnerland geschlossen. glarus24 sprach mit Heinz Martinelli, Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Arbeit, über dieses Thema aber auch allgemein, wie die Krise den Kanton Glarus trifft.

 



Heinz Martinelli, Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Arbeit, (Archivbild: e.huber)
Heinz Martinelli, Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Arbeit, (Archivbild: e.huber)

glarus24: In kurzer Zeit haben zwei Textilunternehmen im Kanton ihren Betrieb geschossen, Jenny Fabrics aufgrund der Marktsituation und Seidendruckerei Mitlödi in Folge Konkurs. (Hier ist vor allem wichtig, was passiert mit dem zukünftigen Druck des Glarnertüechli?!) Wie viele Arbeitsplätze gehen dabei nun verloren und bestehen Möglichkeiten, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kanton anderweitig zu vermitteln?

Heinz Martinelli: Die beiden Textilunternehmen, Jenny Fabrics und Mitlödi Textildruck, sind Opfer der langfristigen Strukturveränderung in der Textilbranche geworden. Die Coronakrise war diesbezüglich wohl lediglich der letzte Tropfen. Die Schweizer Textilindustrie ist bereits seit geraumer Zeit unter Druck – die Produktionskosten sind im internationalen Wettbewerb schlicht zu hoch. Nichtsdestotrotz ist natürlich die Betriebsaufgabe des Glarnertüechli-Herstellers ein herber Verlust. Es wäre schön, wenn ein findiger Unternehmer in diese Lücke springt.
Leider verliert der Kanton Glarus dadurch rund 120 Arbeitsplätze – und dies in einem unfreundlichen Arbeitsmarktumfeld. Dennoch wird unser Regionales Arbeitsvermitltungszentrum RAV die entlassenen Personen in der Stellensuche umfassend unterstützen. Teil davon sind selbstverständlich spezielle Qualifizierungsmassnahmen.

glarus24: Ist in nächster Zeit noch mit weiteren Betriebsschliessungen oder Konkursen zu rechnen. Oder aber haben Firmen bereits einem Teil der Belegschaft gekündigt, wenn ja, wie vielen? Wie steht der Kanton Glarus im schweizweiten Vergleich mit diesen Zahlen da?

Heinz Martinelli: Historisch betrachtet liegt die Arbeitslosenquote des Kantons Glarus rund 1 Prozentpunkt unter dem Schweizer Durchschnitt – dies ist nach wie vor so. In Anbetracht der düsteren Wirtschaftsaussichten ist leider mit einer zunehmenden Zahl von Arbeitslosen zu rechnen. Für den Kanton Glarus eine besondere Herausforderung ist hierbei der hohe Anteil Niedrigqualifizierter sowie der überdurchschnittliche Anteil von Stellensuchenden über 50 Jahren. Leider müssen wir damit rechnen, dass es noch weitere Betriebsschliessungen oder Konkurse geben kann.

Seit dem Corona-Lockdown vom 17.03.2020 hat sich die Anzahl der Stellensuchenden stetig erhöht. Ende Februar waren es noch 681 gemeldete Stellensuchende; aktuell per 13. Mai 2020 sind bereits 870 Personen ohne festen Job. Das entspricht einer Nettozunahme von 189 frischen Stellensuchenden innert wenigen Wochen. Das liegt schweizweit und im Verhältnis leicht über dem Durchschnitt. Die meisten Neuanmeldungen kommen aus der Produktion (23%), gefolgt von Gastro+Tourismus (22%), dann das Bau- und Baunebengewerbe (14%) sowie anschliessend aus den kaufmännischen Berufen (12%).

glarus24: Wie viele Betriebe haben im Kanton Kurzarbeit angemeldet und wie viele Personen betrifft das? Ist die Zahl hier eher steigend oder aufgrund der Lockerung sinkend?

Heinz Martinelli: Die Voranmeldungen zur Kurzarbeit eröffnen quasi ein Fenster zum Bezug von Kurzarbeit für die kommenden sechs Monate. Ob auch wirklich abgerechnet wird, ist schwierig einzuschätzen. Mitte bis Ende März war klar der Höhepunkt der Voranmeldungen, seit April kommen lediglich einige wenige hinzu. Derzeit haben rund 700 Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Dies entspricht 7800 Arbeitnehmern. Bis jetzt wurden insgesamt 5,8 Mio. Franken Kurzarbeitsentschädigung ausbezahlt. Das Ende ist noch nicht in Sicht.

glarus24: Wie beurteilen Sie die kurze- und mittelfristige Situation auf dem Glarner Arbeitsmarkt und sind spezielle Massnahmen zur Bekämpfung oder Verbesserung geplant? 

Heinz Martinelli: Wie bereits zu Beginn erwähnt, sind die Wirtschaftsaussichten düster, dementsprechend rechnen wir mit steigenden Arbeitslosenzahlen. Leider wird sich die Glarner Wirtschaft wohl nicht so schnell auf das Vor-Krisen-Niveau erholen. Der Arbeitsmarkt wird gewiss einige Zeit unter Druck bleiben. Wir rechnen vorsichtshalber bis Mitte 2021. Darum braucht es wieder Raum für Innovationen. Denn Innovationen sind der Treibstoff für die Wettbewerbsfähigkeit und sie öffnen das Tor zu den Märkten.

Die Arbeitsmarktbehörde des Kantons Glarus ist bestrebt, die Herausforderungen anzupacken und der Wirtschaft so gut als möglich zu helfen. In schwierigen Zeiten in erster Linie mit Kurzarbeitsentschädigung und Qualifizierungsmassnahmen für Stellensuchende. Auch die Transformation zur Digitalisierung spielt weiterhin eine wichtige Rolle. Daraus ergeben sich viele neue Chancen für die unterschiedlichsten Betriebe in allen drei Sektoren. Hier unterstützt der Kanton Glarus mit seiner Digitalisierungsstrategie. 

glarus24 bedankt sich bei Heinz Martinelli für diese sehr interessanten Informationen. und hofft voller Zuversicht, dass sich die wirtschaftliche Situation und die Zukunftsaussichten für die Glarner Unternehmungen und den Gewerbetreibenden schon bald wieder der Normalität nähert. Das Glarnerland bietet in jeder Hinsicht viele Möglichkeiten.