Dachdecker Fridolin – Hansjakob Marti las im wortreich Glarus

Übers Leben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfasste der im Jahre 1952 im Sernftal (Matt) geborene Hansjakob Marti einen Roman, den er in der Kulturbuchhandlung «Wortreich» in Glarus dem spürbar interessierten Publikum vorstellte. Es handelt sich um sein viertes Buch – und es gilt noch über Weiterführendes zu berichten. Einiges sei im eigenen Computer gespeichert, anderes «schwirre im Kopf rum». Hansjakob Marti hat seine «Schreibwerkstatt» aus gesundheitlichen Gründen eröffnet.



Dachdecker Fridolin – Hansjakob Marti las im wortreich Glarus

Lunge und Herz haben nicht mehr so getan, wie es wünschbar und lebensnotwendig ist. Die Arbeit mit dem Vieh und auf der Alp musste er aufgeben. Ihn und die veranstaltenden Verantwortlichen der Kulturbuchhandlung freuten sich, dass gar viele zur Lesung erschienen; darunter waren Gäste aus dem Urnerland, den Kantonen Zürich und Schwyz, dem Prättigau und – natürlich – aus glarnerischen Gebieten. Er erzählte im Gespräch mit Christa Pellicciotta, der Geschäftsführerin der Buchhandlung, wie es zum Buchinhalt gekommen war. Er schreibt mit Bezug auf eigene Erfahrungen (riesiges Unwetter im Jahre 2010, Erdbeben, Rutschungen im steilen Gelände mit unliebsamen Folgen) und bezieht «Land und Lüüt» mit ein. Noch wurde über die Arbeit der Lektorin an seinem neuesten Buch, nützliche Bekanntschaften beim erfolgreichen Suchen eines Verlags, einzubringende Eigenmittel, Entwickeln der Geschichten, Recherchieren, Schreiben statt Einschlafen beim Käsen auf der Alp und neue Projekte geredet. Marti gab bereitwillig und spürbar humorvoll Auskunft.  

Hansjakob Marti schreibt in leicht fassbarer, gut nachvollziehbarer Form, zuweilen mit etlichen Wiederholungen. Er unterscheidet dezidiert zwischen Gut und Böse, ergreift Partei und vermag sich in behutsamer Art in Gesellschaftliches der damaligen Zeit einzufühlen. Er schildert Beschwerliches der kinderreichen Dachdeckerfamilie Fridolin, deren Kampf ums Bestehen und Meistern von Schicksalsschlägen. Er befasst sich mit jungen Männern, die sich dem Nichtstun absolut verschrieben haben, die nichts von gesellschaftlicher Mitarbeit und eigener Initiative zu Besserem halten und dies bitter – mit dem Tod – bezahlen. Es kommen ergreifende Liebschaften, herzlicher Zusammenhalt in der kinderreichen Familie, harte, fordernde Alltagsarbeit und deren Bewältigung, dezidiertes Eingreifen der Polizei nach einer Vergewaltigung, Heilungsprozess der betroffenen jungen Frau, Politisches, die Spanische Grippe, Auftauchen und mörderisches Wüten der Wölfe, verheerende Naturgewalten mit Erbeben, Überschwemmungen, Rutschungen, Zerstörung grosser Wohngebiete, Umzug in bewohnbare Umgebungen im Haupttal und die Rettung aus gar Bedrohlichem vor.

Hansjakob Marti mischt in seinem nunmehr vierten Buch so vieles zusammen, von einst bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Er ist ein begnadeter Schilderer, der beim Vorstellen seiner Figuren stets spürbar Partei ergreift und ganz klar signalisiert, was für ihn stimmt, dauernd wertvoll ist.
Im Zentrum stehen Barbara und Fridolin und deren sechs heranwachsende Kinder. Sie führen ein zuweilen entehrungsreiches Leben und halten fest zusammen. Als Dachdecker hat Fridolin stets genügend zu tun. Ein furchtbares Erdbeben und die Folgen von lange anhaltendem, zerstörerischem Regen führen zum Verlassen des bis anhin eigentlich heilen Nebentals. Barbara kommt in den herabstürzenden Felsmassen um. Zu den Flüchtenden gesellt sich Anna, Schwester zweier absolut lebensuntauglicher Burschen namens Hans und Jakob Loser, um die 25 Jahre alt, nur rummeckernd, pöbelnd, unverschämt fordernd. Für sie wird alles anders, da mit der Naturkatastrophe Gewohntes urplötzlich ausbleibt. Neuorientierung kommt nicht infrage, dazu sind sie schlicht zu blöde. Einer tötet den andern in einem riesigen Wutanfall – das Essen blieb aus. Der andere stirbt beim Versuch, das Seitental zu verlassen. Dies wiederum gelingt dem um die 50 Jahre alten Fridolin, seinen Kindern und der mitziehenden Anna. Hansjakob Marti schildert das echt bewegend.

Im weniger zerstörten Haupttal stossen alle auf den Schwager Herbert und finden bei ihm eine willkommene Bleibe. An Arbeit mangelt es nicht. Fridolin hat echt zu viel zu tun. Sein Junior hilft tatkräftigst mit. Man hilft sich, wird dereinst auch einen Lohn nach getaner Arbeit erhalten, alle sind gleichermassen herzlich willkommen. Aber auch am neuen Ort sind zwei Lüstlinge, Nichtstuer und gefürchtete Mitbewohner, die es unter anderem auf Anna abgesehen haben, sie vergewaltigen, von der Polizei geschnappt und der gerechten Strafe zugeführt werden. Auch sie, Sepp und Franz, sterben weg. Deren anfänglich noch uneinsichtige Mutter zahlt 1000 Franken, um das sehr Belastende irgendwie zu mildern.

Und rund 15 Jahre später – nach dem Ende des Ersten Weltkriegs – wendet sich fast alles zum Besseren, obwohl die Spanische Grippe und die für Bauern und deren Vieh sehr belastende Maul- und Klauenseuche grausam wüten. Die einst Jungen heiraten, Fridolin wird zum Gemeindepräsidenten gewählt, alles nimmt den von Hansjakob Marti vorgegebenen Verlauf, der mit Fridolins Tod samt bewegenden, ehrenden Worten endet. Hansjakob Marti packt in dieses Finale viel hinein: Wolf, der weidende Tiere reisst, Aufkommen der Privatautos, Unfall und Rettung eines Kontrahenten, Wilderer und ihre Untaten. Alles wird gelöst, führt zum versöhnlichen Schluss.  

Beim offerierten Apéro ergaben sich viele Gespräche, man blieb gerne beisammen – und erwarb sich natürlich bereitwilliig ein Buch, dessen Inhalte Hansjakob Marti natürlich nicht in voller Länge preisgegeben hatte – schliesslich soll in den eigenen vier Wänden weitergelesen werden.