Das Comptoir in Ennenda – Teil 1

Mit dem Comptoir sind die Namen von Daniel Jenny-Wipf (1917 – 2007), Reto Daniel Jenny und Ruth Kobelt-Jenny untrennbar verbunden. Dank ihnen ist ein wertvoller Zeuge aus der bewegenden Zeit der Textilindustrie erhalten geblieben. Betritt man im Obergeschoss der «Baumwollbüte» an der Fabrikstrasse in Ennenda diesen einzigartig grossen Raum, befindet man sich in einer anderen Zeit, der man sich gar nicht entziehen kann. Man verweilt, schaut sich ganz lange um und durchschreitet rund zwei Jahrhunderte mit Textilgeschichtlichem.



Das Comptoir in Ennenda – Teil 1

Dieser Raum lässt jene fast nicht mehr los, die Zeit haben, mit Anteilnahme und Interesse zu verweilen wissen, suchend und fragend unterwegs sind – mit einer gehörigen Portion gesunder Neugierde. Unweigerlich stösst man auf Daniel Jenny-Wipf, der in Ennenda aufwuchs, das Gymnasium in Winterthur besuchte, die Studienzeit an der ETH Zürich als Diplomingenieur im Jahre 1942 abschloss und sich in seiner Diplomarbeit mit dem Thema «Die Verarbeitung der Zellwolle auf Baumwoll-Spinnmaschinen» befasste. Er trat ein Jahr später in die Firma ein und wurde mit seinem Vater Daniel Jenny-Squeder und seinem Onkel Guido Jenny-Staub Mitglied der Familienunternehmung. Mit Beharrlichkeit, riesigem sozialem Engagement und hohen fachlichen Kenntnissen war er stets tätig. Ab 1950 ergab sich ein konjunktureller Einbruch in der Textilindustrie, der die Aufgabe der Spinnerei und Weberei in Ennenda und später die Verlegung der Büros nach Haslen zur Folge hatte. Er leitet die Unternehmung ab 1963 über sechs Jahre hinweg allein, bevor Jakob Kobelt, später auch die Enkel Jakob und Daniel Kobelt, den Betrieb in Haslen weiterführten. Das Comptoir in Ennenda blieb bis 1975 in Betrieb.

In den letzten 20 Jahren seines Lebens baute Daniel Jenny in den ehemaligen Büroräumlichkeiten in Ennenda mit grosser Beharrlichkeit, hohem Einfühlungsvermögen und immensen Sachkenntnissen ein Firmen- und Familienarchiv auf, das als einzigartig bezeichnet werden darf und dank zahlreicher Führungen einen verdient hohen Beachtungsgrad erreichte. Dazu kamen der Aufbau und die Pflege des Herbariums mit schweizerischer Flora, ein ebenfalls einzigartiges, erhaltenswertes Zeugnis seines sorgsamen und leidenschaftlichen Schaffens. Und in diesem Zusammenhang darf auf Daniel Jennys musikalisches Mitgestalten in verschiedenen Ensembles gewiss hingewiesen werden. Er war ein leidenschaftlicher, begabter Cellist.

Wie es bei der Arbeit im alten Kontor einst zu- und herging, ist der «Edition Comptoir-Blätter» aus dem Jahre 2007 auszugsweise zu entnehmen. Otto Luchsinger war Buchhalter und Prokurist (1963 – 1976); Hansruedi Leuzinger kaufmännischer Lehrling (1958 – 1961) und Elsy Rupps verantwortlich für Raumpflege und Führung des Betriebsladens in Ennenda (1953 – 1985).

Im hinteren Zimmer waren Buchhaltung, Zahltagswesen und ein Schreibplatz, vorne bestand Raum für die Geschäftsleitung.

Elsy Rupps berichtet, wie die Zimmer im Winter früh am Morgen geheizt werden mussten, bevor die Herrschaften eintrafen. Es musste warm genug, aber nicht zu heiss sein, damit sie nicht einschliefen. Im ganzen Bürogebäude gab es kein Wasser, so musste das Nass im Brunnen geholt und der «Wassertank des Lavoirs» (Waschbecken vor dem Eingang ins Comptoir) aufgefüllt und das verschmutzte Handwasser entleert werden. Otto Luchsinger, sein Platz befand sich im vorderen Büroteil, berichtet von einem Orderbuch (Auftragsbuch), von einem Kundenverzeichnis zum Nachschlagen und Folionummern. Durch den täglichen Gebrauch sehe man die Abnützung der Registerseiten. Würde man alle aufgeführten Kunden aufzählen, man müsste – so Luchsinger – erbleichen. Weitere Hinweise betreffen die Kassabücher, die natürlich immer auf dem neuesten Stand sein mussten und Baumwollverzeichnisse. Daraus gehe hervor, dass in der Regel immer Posten von hundert Ballen bestellt und via Bremerhaven in die Schweiz gelangten.

Der Lehrling Hansruedi Leuzinger erwähnt neben den vielen Kundenkontakten die zahlreichen weiteren Akten, die anfallenden Arbeiten und den faszinierenden Einsatz der Kopierpresse. Geschrieben wurde zumeist mit Federhalter und Tinte. Fürs Verfassen der Briefe wurden später die Schreibmaschinen benutzt.