Das Rad der Fortuna – Musik in Ennenda

Zu einem speziellen Konzerterlebnis mit bewegender und gehaltvoll angebotener Musik aus dem Mittelalter wurde durch das Ensemble Clamare unlängst in die Kirche Ennenda, einen akustisch und baulich wertvollen Raum, eingeladen. Die Zuhörerschaft war erfreulich gross, ebenso die Begeisterung.



Das Rad der Fortuna, Konzert in der Kirche Ennenda (Bilder: p.meier)
Das Rad der Fortuna, Konzert in der Kirche Ennenda (Bilder: p.meier)

Der Schlussapplaus setzte etwas zu früh ein, war aber dermassen hoch verdient, dass man sich für alles nicht früh genug bedanken konnte, für Ungewohntes, kenntnis- und variantenreich interpretiert. Dem Ensemble Clamare gehören an: Regina Schmidt, Gesang, Fidel; Magdalena Mattenberger, diverse Fideln, Gesang, Harfe; Ana Djordjevic, Gesang, Harfe, Perkussion; Marie Verstraete, Fidel, verschiedene Flöten und Andreas Habert, diverse Flöten, Perkussion, Dudelsack.

Kurz und herzlich waren Begrüssung und Schlussdank. Man spürte, dass die Interpretierenden nach zweijährigem Verschieben wegen der sattsam bekannten Pandemie dankbar waren, die Reihe mit Musik aus dem Mittelalter in der Kirche Ennenda weiterführen zu dürfen, diesmal mit Werken von Guillaume de Machaut, Adam de la Halle, Francesco Landini, Lorenzo da Firenze, Johannes Ciconia und anderen; mit Komponisten deren Namen und Schaffen kaum bekannt sind.

Wie wechselvoll das Auf und Ab des Glücks sein kann, wurde mit kunstvollem Deklamieren und gleichermassen reichem Gesang samt einfühlendem Begleiten kundgetan. Nie war es eine laute, pompöse Musik, es wurde in Stillem, Verhaltenem geblieben, Andacht und Hingabe waren in beeindruckender Reichhaltigkeit hörbar. Die singenden Damen verfügten über warme, zueinander passende Stimmen. Schrilles, Überbetontes wird bewusst vermieden, was sich als sinnrichtig und wohltuend erwies. Dem schloss sich die Orchesterbegleitung mit Verhaltenheit und diskretem Glanz an. Die Mitglieder des Ensembles meisterten eine Fülle an Wechselvollem in beeindruckendster Art, mit hoher spieltechnischer Reife und inhaltlicher Kurzweil.

Zu diesem speziellen «Musikrad» gehörten verschiedenste Stationen, die nach dem Meistern des unvermeidlichen Tiefs in die Höhe des Glücks und Wohlbefindens zurückführten. Zu Liebe Geld und Glück gesellten sich hin und wieder Schmerz und Trauer. Aber das Rad dreht sich immer, führt zu Glückseligkeit und Jubel irgendwann einmal zurück.
Kundgetan wurde das Fahren auf einer gar wilden Woge, derart intensiv, dass der Kummer gar nicht durchbrechen wollte. Wie innig und leicht dramatisch das geriet, nahm man gerne in sich auf. Es gesellten sich Beschwören, helle Fröhlichkeit, Träumereien, hurtiges Enteilen, Bestürzung, Trost, Angst und Schmerz dazu, in einer Fülle, die mit schnellen Wechseln zwischen Instrumenten und Stimmen ausgedruckt wurde, die einen auf dem inhaltlich ungewohnten Weg mitnahm. Texte und Musik ergänzten sich mit grossem Wohlklang, mit Weiten, die faszinierten, spannend waren. Mit viel Ruhe und kluger Reife wurde die immense Vielfalt gefügt. Es wuchsen in den Zuhörenden vielleicht farbige Wunschbilder, es kam zum Mitträumen, zum Wahrnehmen der reichhaltigen Gefühle. Man wurde durch Jahreszeiten geführt, zum kurzen Verharren aufgefordert, zum Aufnehmen von wohltuender Helligkeit hin aufmerksam gemacht – bis es wieder zum Frühling mit Wärme, Aufblühen und farbigem Reichtum kam.

Aber zuvor hiess es irgendwann einmal: «Wer morgens lacht, wird am Abend weinen, und wer ihr glaubt, wenn die Liebe will scheinen ihm zugetan, wenn sie ihn doch meidet und verrät.» Und dann – enorm dramatisch: «Sterben will ich, wenn ich dich nicht sehe, hohe Dame, denn das Feuer, das die Schmerzen in mir noch verstärkt, wird mich töten, sehnsüchtig nach deiner Liebe.» Derart dramatisch, in mittelalterlich gefärbten Inhalten klang gar vieles auf, kunstvollst und mit viel Hingabe umgesetzt.

Mit Jubel, Leichtigkeit und inhaltlichem Reichtum schloss das Geschehen. Man dankte mit ganz viel Beifall. Mit der Zugabe – zu wirbligen Klängen auf dem Dudelsack und nochmaligem leidenschaftlichen Begleiten klang ein ganz besonderes Begegnen aus.