Das Spinnrad

Faden und Stoff verbinden seit über 150 Jahren das Glarnerland mit der ganzen Welt. Diese Materialien haben im Weihnachtsspiel der Primarschule und des Kindergartens Luchsingen vom vergangenen Wochenende die Glarner Geschichte mit der des Franz von Assisi und der heutigen Welt verwoben.



Kläry und Franz mit dem „besonderen“ Kind
Kläry und Franz mit dem „besonderen“ Kind

Der Fabrikdirektors Sohn Franz verliebt sich in die Spinnerin Kläry, lernt das schwere Arbeiterschicksal kennen und möchte ihnen helfen. Sein Einsatz für die Armen bringt ihn in Konflikt mit seinem Vater, und Franz läuft davon. Und schon ist der Faden zum Franz von Assisi gesponnen. Auch er war Sohn eines Textilhandelsmannes, legte mit seinen feinen Kleidern den Reichtum ab und setzte sich sein Leben lang als Armer für die Armen ein.

In der Glarner Geschichte des 19. Jahrhunderts war es Pfr. Bernhard Becker-Zweifel, der sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzte. Der Schüler-Pfarrer Becker fragt von der Kanzel: „Ist es die Gier der Maschinen? Nein, es ist die Gier des Menschen.“ Der Direktor schimpft: „Ä sone Predig isch Gift für üseri Arbetsmoral!“ Der rote Faden der menschlichen Habgier erstreckt sich von Jesu Kritik an der Liebe zum Besitz in Beckers Predigt zur Kritik an den Abzockern des 21. Jahrhunderts.

Mitten im Fabrikarbeiterelend hört man das Kindergeschrei eines Neugeborenen. Unweigerlich muss man an das Jesuskind denken, denn die Kinder arbeiten dieses Jahr zur Strafe an Weihnachten. Franz und Kläry betreten die Bühne mit einem Kind, das von der Sultansfamilie aus dem Morgenland bestaunt und beschenkt wird. Auf gewundenem Weg bindet der Faden auch die Heilige Familie ein. Das Stück bietet keine Lösung für die ewigen Spannungen zwischen arm und reich. Es äussert aber die Hoffnung, es möge ein Mensch wie Jesus oder Franz von Assisi wieder kommen und die Wahrheit über die Gier der Menschen verkünden.

Am Schluss des Spiels „Spinnrad“ von Lehrer Roland Schiltknecht ernteten die Kinder tosenden Applaus für ihre theatralische und musikalische Leistung. Das Publikum wäre am liebsten zur „Standing Ovation“ aufgestanden, was aber das Gedränge in der mit Zuschauern voll gestopften Luchsinger Kirche verunmöglichte. Während der zweistündigen Aufführung vergass man immer wieder, dass Kinder auf der Bühne stehen. Jeder Text im Spiel und Gesang war klar verständlich. Auch die Nicht-Glarner brachten das Glarnertüütsch deutlich über die Lippen, ganz zu schweigen von den anderen Dialekten und Sprachen, die der Autor eingebaut hatte, um dem internationalen Charakter der heutigen Gesellschaft Rechnung zu tragen.

Zum überwältigenden Eindruck, den die Aufführung hinterliess, trugen die projizierten Bilder, die Licht- und Tontechnik und, die Kostümierung und Maske, und nicht zuletzt das riesengrosse, von hinten beleuchtete „Kirchenfenster“, das eine Sonne darstellte, auch einen wesentlichen Teil bei.