Lese-Tipp: Das Vrenelis Gärtli – aus Tim Krohns Sicht

Tim Krohn hat sich mit dem Geschehen eines einst weithin sichtbaren, von einer grossen Firnkappe überdeckten Gärtchens in luftiger Höhe in Romanform befasst – leidenschaftlich, wortreich, unter Einbezug einer überbordenden Fülle von Mundartausdrücken. Er gliedert sein spannendes, zum Mitverfolgen viel Zeit erforderliches Ausführen in vier Bücher. Die Titel der vielen Kapitel lassen Spannendes erahnen, wecken die erforderliche Neugierde, die fürs Bewältigen der knapp 330 Buchseiten notwendig sind.



(Bild: zvg)
(Bild: zvg)

Es sei vorweggenommen – Tim Krohn ist ein begnadeter Erzähler, mit hohem Einfühlungsvermögen, kunstvollem Sprachreichtum, eigenwilligem und willkommenem Gliedern. Es führt unter Umständen dazu, dass man sich in die eigene Lesestube zurückziehen und sich den wirbligen Abfolgen hingeben, sich in eine Welt entführen lassen, die so anders als die heutige ist.

Es beginnt mit dem Frühling und dem rumkletternden Vreneli. Irgendwann einmal lernt die heranwachsende Tochter «füchslen» und zaubern. Man erfährt etwas über das «Bersiäneli». Dann ist Vreneli auf Schatzsuche und trifft die Frau Tschudi. Melk erscheint, verschwindet aber bald wieder.

Und man wird mit der überquellenden Fabulierkunst von Tim Krohn immer etwas vertrauter.

Irgendwann einmal ist von «Wässerliwasser» und dem Schuster Hampä die Rede. Vreneli lernt vom Bösen in der Welt, übt sich in Freundschaft und wird von einem «überwellenden Gefühl» erfasst.

Alles – darin ist man mit Tim Krohn bald einmal einig – entwickelt sich «schampaar gschpässig». Es wird «ein Blüemli gebrünzelt», dann steht der Tod auf dem «Gletscherli».

Als das Vreneli die «schönste Kunst gebiert», die Rede auf das «Mäscheli am Kopf» kommt, endet diese Fülle an Geschehnissen.

Die Sagenwelt hat Hochblüte, ist unnachahmlich weit. Wer Fantasievolles, Feinheiten, zuweilen recht Grobschlächtiges, Wirbliges, die Bergwelt, die ungewohnte Auseinandersetzung mit lawinenartig einher kommenden Dialektformen liebt, die innere Bereitschaft hat, sich in eine ungewohnte, unerwartete Verknüpfung von Wortwendungen einzulesen, wird an dem vielfältigen Geschehen Freude haben. Es ist ein Versuch wert, im Jahre 2007 erstmals erschienenen Roman zu «schneuggen», dann vertiefender mit der Lektüre zu beginnen.

Das tönt beispielsweise so:

«So lernte die Vriinä in den folgenden Tagen zu jedem gruusigen Zauber nur den Gegenzauber, und einen Bann wie eine Wand lernte sie um sich zaubern, und endlich lernte sie gar angattigen, dass der Hexer sie vergass. Säb, sagte das Bersiäneli, wäre drum immer noch das beste: den Hexer asen strub im Kopf zu machen, dass er sie nümmen möge erinnern. Es gab dafür auch einen ganz einfachen Zauber mit einem Sprüchli und ettis Gvätterlen in der Glut und fertig» (aus «Der Schuster Hampä», zweites Buch).