Das Wunder von Herisau

Nach einem knapp zweimonatigen Meisterschaftsunterbruch galt es für die U21-Junioren der Hurricanes Glarnerland Weesen am letzten Samstag endlich wieder ernst: auswärts im Appenzellerland wartete mit dem UHC Herisau der aktuelle Tabellenzweite auf die Glarner.



Was für eine Geschichte! Die U21 Junioren der Hurricanes können wohl selbst noch nicht glauben, was sie da gerade geschafft haben... (Bild: Petsch Hösli)
Was für eine Geschichte! Die U21 Junioren der Hurricanes können wohl selbst noch nicht glauben, was sie da gerade geschafft haben... (Bild: Petsch Hösli)

Voller Vorfreude auf den ersten Ernstkampf seit Langem legten die Wirbelwinde gleich los wie die Feuerwehr und zeigten sich sichtlich unbeeindruckt durch den doch klar favorisierten Gegner. Bereits in der sechsten Minute setzte der junge Janis Kamm mit einem Energieanfall zu einem Solo über den linken Flügel an: mit viel Tempo flog er an all seinen Gegenspielern vorbei, zog hinter das gegnerische Tor und bediente den aufgerückten Verteidiger Simon Löffler, der den Ball energisch zum 1:0 über die Linie spedierte. Nach der frühen Führung sollten die Glarner eigentlich in der Partie angekommen sein – könnte man meinen – doch nur wenige Sekunden nach dem Wiederanpfiff konnten die Hausherren ihren Fehlstart korrigieren und auf 1:1 stellen. Und die Appenzeller setzten auch gleich nach und lagen nach 20 Minuten mit 3:1 in Führung.

Im zweiten Abschnitt hätte das Spiel lange auf beide Seiten kippen können – gute Chancen hüben wie drüben. Knapp vor Spielmitte reüssierten schliesslich die Herisauer und bauten ihre Führung weiter aus. Von den Hurris kam in dieser Phase nur noch wenig Erwähnenswertes. Auch eine Überzahlsituation verstrich ungenutzt und langsam, aber sicher machte sich Ratlosigkeit breit. Bis zum Ende des Mittelabschnitts lag das Heimteam schliesslich komfortabel mit 6:1 in Front. In der Pause sprachen die Glarner Coaches ihren Spielern dann nochmals mächtig ins Gewissen und ermutigten sie, nicht aufzugeben und weiter Vollgas zu geben.

Zu diesem Zeitpunkt glaubten wohl die allerwenigsten im Herisauer Sportzentrum noch an eine Wende in diesem Spiel, spätestens nach einem Glarner Eigentor direkt nach Wiederbeginn zweifelte wohl auch der grösste Optimist nicht mehr am Ausgang dieser Partie. Und weitere fünf Minuten später wieder ein herber Dämpfer in der Form des achten Gegentreffers an diesem Abend. «Im Unihockey sei immer vieles möglich, es sei ein sehr schneller Sport und da könnten Spiele im Handumdrehen gedreht werden», wird immer wieder gesagt. Doch die Gäste standen mit dem Rücken zur Wand: auswärts gegen den Tabellenzweiten, ganze sieben Tore im Hintertreffen und nur noch gut zehn Minuten zu spielen – kurz: nichts, aber auch wirklich nichts deutete auf ein Aufbegehren, ja geschweige denn auf eine Aufholjagd der Hurricanes hin …

Mit veränderten Formationen stellten die Glarner ihr Spiel nun komplett um und setzten alles auf eine Karte: Volle Offensive! Und siehe da: nach einem Gästefreistoss öffnete der junge Jamiro Cools mit einem cleveren Laufweg den Weg für den heranstürmenden Verteidiger Simon Löffler, der das Zuspiel von Gian Andri Hefti eiskalt im gegnerischen Gehäuse versenkte – 8:2 und endlich ein Glarner Lebenszeichen! Oder gar noch mehr? «Bloss ein Ausrutscher», dachten – oder eher hofften? die Herisauer wohl. Doch was nun folgte, war schlicht unglaublich: nur drei Minuten später bediente der Glarner Captain Sandro Zanoni den wirbligen Janis Kamm, der souverän auf 3:8 stellte. Nun liefen die Wirbelwinde – getragen vom phrenetischen Jubel der mitgereisten Fans – zur Höchstform auf. Keine Minute später netzte Gian Andri Hefti auf Zuspiel von Zanoni gar zum 4:8 ein! Ging da wirklich noch was? Das Heimteam – zuvor während 50 Minuten mehrheitlich spielbestimmend – war nun komplett von der Rolle. Wieder keine Minute später umgekehrte Rollen mit dem gleichen Ergebnis: Gian Andri Hefti glänzte diesmal als Vorbereiter und Captain Zanoni versenkte den Ball wunderbar im gegnerischen Kasten und brachte seine Farben damit nochmals näher heran und den Gegner zur Verzweiflung. Mit einem Time-Out sollte die heisslaufende Glarner Offensiv-Maschinerie gestoppt werden. Das gelang auch – jedoch nur für genau 15 Sekunden, denn dann schlug es bereits wieder ein im Tor des Heimteams: abermals glänzte das kongeniale Duo Hefti / Zanoni in seiner unnachahmlichen Manier. Diesmal verwertete Hefti wieder ein perfektes Zuspiel von Zanoni sehenswert im Herisauer Tor – nur noch 6:8. Immer näher rückte die unfassbare Sensation und die Hurricanes dachten nicht im Traum daran, jetzt nachzulassen. Die Hausherren wussten weiter nicht wie ihnen geschieht und fragten sich wohl, ob sie da wirklich noch gegen dieselbe Mannschaft spielten wie noch wenige Augenblicke zuvor. Wieder keine Zeigerumdrehung später stellte Janis Kamm sensationell auf 7:8 und schliesslich passierte knapp zwei Minuten vor Schluss das, was wenige Minuten zuvor keiner mehr für möglich hielt: Captain Sandro Zanoni erkämpft sich vor dem gegnerischen Tor den Ball, findet sich alleine vor dem Herisauer Schlussmann, schaut, zieht ab und netzt – als ob es nichts Einfacheres gäbe – zum unglaublichen 8:8-Ausgleich ein und hievt damit die gesamte Glarner Bank in die absolute Ekstase! Jetzt gab es kein Halten mehr. Spieler, Trainer und auch die Glarner Fans: alle komplett aus dem Häuschen!

Es ging also in die Verlängerung, doch diese sollte nur knapp 40 Sekunden dauern, ehe das Heimteam den Sieg mit dem entscheidenden Treffer zum 9:8 doch noch ins Trockene bringen konnte. Dieser Treffer änderte jedoch nicht viel an der grandiosen Leistung der Glarner Junioren, welche sich damit den einen Punkt absolut verdient hatten.

Bereits am kommenden Samstag, 19.02.2022, treffen die Hurricanes im letzten Spiel der Saison zu Hause in Schwanden um 20.00 Uhr auf den UH Appenzell und das Team ist mehr als motiviert, die Leistung der letzten zehn Minuten nun von Anfang an auf das Feld zu bringen.

Von Elias Hösli

UHC Herisau – Hurricanes Glarnerland Weesen 9:8n.V. (3:1 / 3:0 / 2:7 // 1:0)

Tore: 7’ Löffler (Kamm) 0:1, 7’ Herisau 1:1, 8’ Herisau 2:1, 13’ Herisau 3:1, 30’ Herisau 4:1, 32’ Herisau 5:1, 33’ Herisau 6:1, 42’ Herisau 7:1, 46’ Herisau 8:1, 51’ Löffler (Hefti) 8:2, 54’ Kamm (Zanoni) 8:3, 55’ Hefti (Zanoni) 8:4, 56’ Zanoni (Hefti) 8:5, 56’ Hefti (Zanoni) 8:6, 57’ Kamm 8:7, 59’ Zanoni 8:8, 61’ Herisau 9:8
Strafen: 1-mal 2’ gegen Herisau, 0-mal 2’ gegen Hurricanes

Hurricanes Glarnerland Weesen:
Marti (TW), Baur (TW)
Künzel, Löffler, Zanoni (C), Hefti, Baumgartner
L. Trümpi, Steiner, C. Trümpi, Brunner, Kamm
Cools, Engelberger
Coaches: E. Hösli, J. Hösli, D. Gächter