Demenz – im Brennpunkt der Diagnose

Kürzlich luden die Pro Senectute Glarus, die Alzheimervereinigung Glarnerland und der Kanton Glarus zu einem wegleitend vertiefenden Auseinandersetzen mit einer Krankheitsform ein, die von allen Betreuenden viel abverlangt und deren Ausbreitung nach Ansicht von Fachleuten markant ansteigen wird. Das Thema Demenz wurde aus ganz verschiedenen Perspektiven behandelt.



Spitex Sernftal. Samuel Vögeli
Spitex Sernftal. Samuel Vögeli

Man gewann wertvolle Einblicke, erkannte, dass ein hilfloses Dramatisieren gar niemandem nützt, dass Geduld und Toleranz stets gefragt, kompetentes Beurteilen, Helfen und Begleiten stets erforderlich sind und dass die politischen Instanzen Geldmittel zur Verfügung stellen müssen, um ein sinnrichtiges Miteinander von Erkrankten, Begleitendenden, Fachpersonen und Angehörigen in den kommenden Jahren zu ermöglichen. Nach der Begrüssung des sehr zahlreich anwesenden Publikums durch Peter Zimmermann, Leiter der Pro Senectute Glarus, wurden die verschiedenen Fachreferenten und die Moderatorin der Podiumsgesprächs näher vorgestellt. Die politische Seite vertrat Dr. Rolf Widmer, Landesstatthalter und Vorsteher des Departements Finanzen und Gesundheit des Kantons Glarus. Fachliche Aspekte erläuterten Professor Dr. med. Albert Wettstein, Co-Leiter des Zentrums für Gerontologie des Universitätsspitals Zürich; Samuel Vögeli, Projektleiter Alzheimervereinigung Aarau, und Elisabeth Maduz, diplomierte Pflegefachfrau HF, Spitex Sernftal. Für die Gesprächsleitung konnte Helen Issler, Moderatorin und Kadermitarbeiterin des Schweizerischen Fernsehens, gewonnen werden. Mit einem kurzen informativen Statement wurde durch Sylvia Hefti die Alzheimervereinigung Glarnerland vorgestellt.

Peter Zimmermannzeigte auf, dass in unserem Landrund 116 000 Menschen mit Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz leben. Pro Jahr kommen rund 25 000 Neuerkrankungen dazu. Fachleute sind sich einig, dass diese Erkrankungsform deutlich ansteigen wird. Involvierte sind gefordert, das betrifft Ärzte, Alzheimervereinigungen, begleitende Organisationen wie Spitex oder Rotes Kreuz, Angehörige und andersweitig Einbezogene und politische Instanzen. Stark hervorgehoben wurde von allen Referenten die Erkenntnis, dass ambulant vor stationär stets Gültigkeit haben müsse. Es gehe nicht an, dass noch zu erarbeitende oder bereits bestehende Strategien den grassierenden Sparbemühungen zum Opfer fallen dürfen. Hingewiesen wurde auf das Papier «Demenzstrategien 2014 – 2017» und die klare Aussage der Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zum Internationalen Welt-Alzheimertag vom 21. September. Ausnahmslos alle seien gefordert. Neben diesen fachlichen Infos hatte Zimmermann gar viele namentlich zu begrüssen. Es seien erwähnt: Ständerat Werner Hösli, Landratspräsident Fridolin Luchsinger und verschiedenste Amtsträger.

Die Alzheimervereinigung Glarnerland und deren Aktivitäten stellte Sylvia Hefti kurz und in gewiss willkommener Weise vor.

Regierungsrat Dr. Rolf Widmerkonzentrierte sich auf Finanzielles, äusserte sich zur nationalen Demenzstrategie und zur Situation der Betroffenen. In unserem Kanton sind rund 600 Personen an Demenz erkrankt. Bis 2050 rechnet man mit einer Verdreifachung dieser Fälle. Eine tragende Rolle haben im Bereich Pflege und Begleitung die Gemeinden inne. Es sind, wie in anderen Kantonen, Institutionen mit spezifischen Kompetenzen für bedarfsgerechte Angebote. In erster Linie wird im familiären Umfeld betreut. Hilfen für Ratsuchende sind angeboten. Widmer deutete aus, dass Betreuende mit fundierten Kenntnissen aber ohne spezifische Fachausbildung angemessen entschädigt werden sollen.
Längerfristige Engagements werden bevorzugt. Widmers Fazit: Der Kanton ist auf gutem Weg, aber es gibt noch einiges zu tun. Das Spannungsfeld zwischen Ansprüchen und Finanzierbarkeit ist immens.

Professor Dr. med. Albert Wettstein äusserte sich mit wohltuender Direktheit. Auch im Alter bleibe ein Gehirn als einzigartiges «Kompetenzzentrum» in unablässiger Bewegung. Durch Gebrauch bestünden Verbindungen, andere Bereiche würden abgebaut. Je mehr man Hirntätigkeiten nutze, desto besser funktioniere vieles in uns. «Use it or lose it» ist Wettsteins Credo. Soziale Aktivitäten, massvolle körperliche Betätigungen, Lesen, Ausflüge, Besuche, gesunde Ernährung und behutsames Geniessen fanden vertiefende, willkommene Erwähnung. Schlechtes Altern ist nicht einfach Schicksal. Positives Älterwerden ist nicht fordernde Kunst. Wettstein zeigte auf, dass Betroffene und die unmittelbare Umgebung den Verlauf einer Demenz in deren ersten 20 Jahren kaum bemerken. Es stellen sich leichte Hirnleistungsschwächen ein. Vieles ist kompensierbar (Führen der Agenda, Memos schreiben, Fragen, Gedächtnistraining). Im Gespräch kann zuweilen festgestellt werden, ob ein gewisser Grad an Demenz besteht. Frühes Abklären ist enorm wichtig. Wettstein plädierte fürs rasche Ausfüllen der Patientenverfügung, das erleichtere vieles. Bei Demenz sind Entlastungsangebote, die persönliche Haltung bei Betreuenden, kein Überfordern oder allzu starkes, ruppiges Zurechtweisen wichtige Faktoren. Wettstein plädierte für eine liebevolle Grosszügigkeit.

Samuel Vögeli, Projektleiter der Alzheimervereinigung Aarau, äusserte sich einfühlend und spürbar kompetent zu den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz. Den Begriffen Bindung, Trost, Liebe, Identität, Einbezug und Beschäftigung wurde mit gutem Verdeutlichen Klarheit verliehen. So sind Gefühle ernst zu nehmen, Erkrankte können in die Alltagsarbeit massvoll einbezogen werden. Man sollte nicht einfach über die Betroffenen hinweg entscheiden. Vögeli sprach über die wertschätzende Grundhaltung und die Wahrnehmungen zum eigenen Wohlbefinden in diesem Betreuungs- und Begleitprozess. Er zeigte auf, dass auch Betreuende Hilfen holen sollen, ausspannen und sich distanzieren müssen.

Elisabeth Maduz, Pflegefachfrau und bei der Spitex Sernftal tätig, informierte über ambulante Unterstützungsangebote. Auch sie zeigte auf, dass an Demenz Erkrankte möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben sollen. Sie erwies sich als Praktikerin mit profundem Wissen. Sie sprach zu Alltäglichem in der Pflegearbeit, wies auf die verschiedenen Dienstleistungsangebote der Spitex und Entlastungsdienste in unserem Kanton (Krankenbesuche, Sitzwachen, Kranken- und Sterbebegleitung, KESB Glarus, private Spitex-Organisationen, Tages-, Kurz- und Ferienaufenthalte in Heimen) und anderes hin.

Helen Isslerlud zum Mitgestalten der Podiumsdiskussion ein. Für ein längeres Auseinandersetzen fehlte die Zeit. Kurz thematisiert wurden Höhe der Entschädigung für Betreuende ohne fachliche Kenntnisse, System in unserem Kanton, funktionierende und frequentierte Fachstellen, Meldungen durch Angehörige, Beratungs- und Hilfsformen, Stabilisieren einer verfahrenen Situation, Umgang mit schwierigen Klienten, Zahl der Hausbesuche, Bedeutung des niederschwelligen, behutsamen Helfens, Demenz und Autofahren – was nicht zusammengeht, Abgrenzen bei belastenden Situationen, durch Krankenkassen bezahlte Leistungen.

Mit ihren Schlussvoten zeigten die Referenten nochmals auf, was für sie von zentraler Bedeutung ist. Widmer weiss, dass im abulanten Bereich noch einiges zu verbessern ist. Maduz plädiert fürs würdevolle, wertschätzende Begleiten. Vögeli hofft, dass die politischen Instanzen zu langfristigem und sinnrichtigem Planen und Umsetzen ohne Leistungsabbau bereit sind. Wettstein wünscht sich die gesamtschweizerische Einführung von wirksam tätigen Fachgremien.

Auf kommende Veranstaltungen wies Peter Zimmermann noch ganz kurz hin, es ging um «Gleichgewicht und Koordination» unter Leitung von Vreni Schneider. Diese Motivation zu mehr Bewegung ist am 13. November im GH Ennenda angeboten.

Und ganz zum Schluss konnten jene Infos einholen oder bei einem Umtrunk verweilen, die es als sinnvoll erachteten. Ganz gewiss hat dieser Abend viel gebracht und hoffentlich auch ein Sensibilisieren eingeleitet.