«Der Autostopper» – und vieles mehr Franz Hohler las im Wortreich Glarus

Die Kultur-Buchhandlung Wortreich im kleinen und feinen Hauptort war übervoll, als Franz Hohler – nach Christa Pellicciottas freundlichem Willkomm – die natürlich kleine und feine Bühne betrat. Ihn vorzustellen war müssig. Sein Jahrzehnte umspannendes Schaffen hat Kultstatus, hat internationale Beachtung und hohe Wertschätzung gefunden.



«Der Autostopper» – und vieles mehr Franz Hohler las im Wortreich Glarus

Einst – es war um 1965 – machte er sich als Kabarettist und kritisch Hinterfragender bemerkbar. Radio- und Fernsehverantwortliche schätzten seine zuweilen aufmüpfige Art gar nicht. Hohler gab diese Zusammenarbeit auf. Seine Franz und René-Auftritte waren legendär, ungemein geschätzt, hochwillkommen. Seine direkten, der nicht immer bequemen Wahrheit verpflichteten Aussagen riefen Gegner auf den Plan. Hohler war schon damals wortgewaltig, witzig, subtil beobachtend und gradlinig kommentierend, ein brillanter Musiker, der seine Botschaften auf dem Cello begleitete. Nun weiss er sich dem Schreiben verpflichtet, hat sich aus Kabarettistischem zurückgezogen, ist aber keinesfalls zum stilistischen Schönling geworden, der Unbequemem aus dem Weg geht.

Eine heitere Zusammenfassung


Die Lesung aus «Der Autostopper» ist so etwas wie eine Zusammenfassung heiterer, dann auch tiefgründiger Kurzgeschichten, die so leicht daherkommt und von jener schriftstellerischen Brillanz zeugt, die Hohler so stark auszeichnet. Man bewundert die Klarheit und Direktheit seiner Sprache, das schnörkellose Schildern. Man staunt über die Behutsamkeit des subtil Betrachtenden, der mit feiner Ironie seine Finger auf die eine oder andere Tatsache legt. Man freut sich über die unüberhörbare Lust, sich mit leicht Dramatischem zu befassen, das eine oder andere aus Aktionen rauszuhören. Hohler schildert ungemein sensibel, mit feingeistiger Heiterkeit. Man hört ihm ungemein gerne zu. Sein Fügen von Geschehnissen weckt Neugierde. Hohler ist ein Meister der Wortkunst. Auch Kleines bleibt ihm nicht verborgen. Er bindet das in den Rahmen des Geschehens ein, fügt alles zum lebendigen, farbigen Bild, das zuweilen vergänglich ist, entschwebt, das aber auch bleibt, sich festsetzt. Da wachsen Weisheit, Ruhe, innere Aufmerksamkeit, Fabulierlust, leichtfüssiges Protokollieren, die sprachliche Eleganz zu einer Ganzheit, um die man Hohler durchaus beneiden darf.

Die sanfte Sprache von Hohler

Vor mehr als 40 Jahren erschienen die «Idyllen» – heute vergriffen. Hohler wählte daraus Glarnerisches als Einstieg. Das Richetli mit einer zuweilen verlassenen Schäferhütte war erster Begegnungsort. Hohlers sanfte Sprache ist so malerisch. Der Inhalt zeugte von Wertschätzung gegenüber dem einfachen Schäfer, gestattete gar liebevoll gegliederte Einblicke, führte zu feinsinnigem Vermuten, zu gewissenhaftem Protokollieren, zum genussvollen Verweilen beim Schäfer Franz Grünbacher und dessen Hirtenhund, schliesslich zum Weiterziehen auf die Forch, auf der eine gar besondere Bundesfeier mit Republikanern stattfand. Diese Kurzgeschichte ist in «Wo?» (1975 geschrieben) nachzulesen. Das meisterhafte Beobachten und unnachahmliche Festhalten der einzelnen Momente war so genussreich, vergnüglich, gedieh zum unerreichten Drehbuch für jene, die eine Bundesfeier zu organisieren haben. Es ging anschliessend mit Märchenhaftem, Verblüffendem, Bezauberndem, Unerwartetem in buntestem Wechsel weiter. Es ergaben sich ungemein reichhaltige, abwechslungsreiche, höchst überraschende Momente. Beispielsweise in einem Fussballspiel zwischen Lebenden und Toten, einer Prinzessin, die ihren Drachen vor allem in vollem Fluge liebt, einem gar begnadeten Liederhörer, der dank seiner fundierten Kommentare vor vollen Häusern auftritt und Liedermacher mit seinen Kommentaren adelt oder ablehnt. Man begegnete dem «Mann auf der Insel» (1991 entstanden), der mit der zerfallenden Insel jämmerlich ersoff, erlebte den Weggang jener Frau, die bei der im Traum entstandenen mathematischen Erkenntnis blieb, dass 2 plus 2 für einmal 5 ergibt, lauschte dem Gebet jenes Pfarrers, der von einer Gesellschaft umgeben ist, die so viele Wirrnisse schafft. Und man nahm zur Kenntnis, wie Gott eine Konferenz abbrach und im TV schaute, wie der Krieg endet. Man nahm mit verblüffendem Staunen zur Kenntnis, dass der Teufel als Autostopper in der Gegend von Bellinzona auftrat, von einem Blondgelockten mit Löchern in den Händen mitgenommen wurde und dass diese Reise nach Rom führte. Das Begegnen mit verschiedensten Situationen, mit Realem, Märchenhaftem, mit Geschehen aus der Sagenwelt, mit politischen Ereignissen, dem Sterben, einer total verrückten Geburtstagsfeier der Hundertjährigen und anderem wollte kaum mehr enden, mündete in Ereignisse, die Bezug zur 1998 vollendeten Novelle «Die Steinflut» hatten. Katharina Disch fand sich mit Franz Hohler in Indien wieder, in einer fremden und irgendwie doch vertrauten Umgebung.

Dies führte in eine kurze Gesprächsrunde mit Themen wie Reisen, Kontakte zu Übersetzern und Verlagen, Abkehr von Musik und Kabarett, Aufenthalte in vielen Ländern auf verschiedenen Kontinenten, erstaunliches Existieren der deutschen Sprache an ungeahnten Orten und endete mit der heiss gewünschten Wiedergabe des «Totemügerli» samt rätoromanischer Fassung. Aber dann war endgültig «Fin dal emissiun» samt Erfüllen von Signierwünschen und dem unabänderlichen Abschied. Mit dem Buch unter dem Arm hatten viele immerhin die Gewissheit, dass Franz Hohlers Schaffen aus dem Regal genommen und gelesen werden kann.