Der «Chrüüzmärt» in Netstal – vom Kleinviehmarkt zum Klassentreffen

Der Netstaler Kreuzmarkt vergangenen Donnerstag lockte nach einem pandemiebedingten Unterbruch erfreulich viel Volk in die Mehrzweckhalle. Diese wurde in den letzten Jahren zum eigentlichen Schmelztiegel und beliebter Treffpunkt verschiedener Jahrgänge, die einmal in Netstal zur Schule gingen. Draussen auf dem Sekundarschulhausplatz tummelten sich die Schulkinder, die wie üblich schulfrei hatten. Der Tradition entsprechend trifft sich jeweils der Gemeinderat Glarus zum obligaten Gämspfefferessen mit ihren ehemaligen Amtskollegen aus Netstal.



Die Netstaler feierten fröhlich und traditionell ihren «Chrüüzmärt» (Bilder: hasp)
Die Netstaler feierten fröhlich und traditionell ihren «Chrüüzmärt» (Bilder: hasp)

Bis in die 50er-Jahre fand auf dem Grosshausplatz, dort wo heute das Postgebäude steht, jedes Jahr ein Kleinviehmarkt statt. Kaum zu glauben: Dieser war von den Glarner Viehmärkten noch im 18. Jahrhundert der Wichtigste. In der Geschichte der Gemeinde Netstal von Paul und Hans Thürer steht, dass um 1753 während vier Tagen Hunderte von Stück Vieh und Pferden auf dem Platz, und der Warenmarkt, wo Kleider, Schuhe, Werkzeuge und Geräte aller Art feilgeboten wurden, die Kunden aus dem ganzen Land herbeilockte. Vom Ersten Weltkrieg an ging es mit dem Kreuzmarkt rasch abwärts. Noch im Jahre 1913 standen auf dem Grosshausplatz 32 Stück Rindvieh, 18 Schweine, 13 Ziegen und ein Schaf; doch schon 12 Jahre später musste der Tagwen den Kreuzmarkt «schützen», indem er die Alpganten an diesem Tag ausdrücklich beibehielt. Zweifellos wäre der Markt schon früher verschwunden, wenn nicht Alp-Gänter im Jahre 1873 verpflichtet worden wären, 25 Stück Grossvieh an diesem Tag aufzuführen. Gehandelt wurde aber in den letzten Jahren nicht mehr, denn das hingestellte Vieh war gar nicht feil, sondern stand nur dem Alpbrief und dem Brauch zuliebe da. Im Jahre 1951 wurde daher die Zwangsauffuhr fallen gelassen. Vom Kleinviehmarkt ist also nichts mehr übriggeblieben. Der heutigen Zeit angepasst feiern die Netstaler ihren traditionellen Brauch heutzutage halt ein bisschen anders. Anstelle des Kleiviehmarktes trifft sich die Bevölkerung in der Mehrzweckhalle, wo von Ortsvereinen Feinstes aus Küche und Keller aufgetragen wird. Der «Chrüüzmärt» hat sich in den letzten Jahren erfreulicherweise zu einem tollen Klassentreffen entwickelt. Verschiedene Jahrgänger, die einmal in Netstal zur Schule gingen, nutzten auch in diesem Jahr die Gelegenheit, sich am «Chrüüzmärt» zu einem gemütlichen Klassentreffen zu treffen. Und es werden jedes Jahr mehr – das ist nicht nur förderlich für die Weiterführung und Pflege dieses alten Brauches, sondern auch für den organisierenden Frauenverein, dessen Reinerlös immer einem caritativen Zweck zukommt. So auch gestern Nachmittag. Die Mehrzweckhalle war wiederum pumpenvoll und da und dort hörte man « Ja gitts es dich ä nuch» oder «Lack, häsch du zuegleit sitt äm letschtämal» und so weiter und so fort. Der örtliche Gemeinnützige Frauenverein sorgte wie jedes Jahr in ihrer beliebten «Kaffistubä» für das leibliche Wohl der vielen Gäste. Der Reinerlös ist jeweils für einen caritativen Zweck gedacht. Die Netstaler Jugend, die traditionell immer am Kreuzmarktnachmittag schulfrei hat, vergnügte sich indessen beim Kinderkarussell oder bei der Trampolinanlage und wie schon zu den Anfangszeiten des «Chrüüzmärt» verkauften einige Marktfahrer ihren Krimskrams. Sogar der Gemeinderat Glarus hält dem traditionellen Gämspfefferessen die Treue und trifft sich jeweils in einem Restaurant mit ihren ehemaligen Netstaler Amtskollegen zu einem gemütlichen kulinarischen Stelldichein. Und solange diese Wildspezialität den hohen Herren in Glarus mundet, solange wird wohl auch die Aufrechterhaltung des alten Netstaler Brauches gesichert sein.