Nicht dass mich nun plötzlich das Heimweh gepackt hätte, auch wenn ich meinen Wohnsitz im vergangenen Herbst von Schwanden nach Oberriet im St. Galler Rheintal verlegt habe. Allerdings hat mich das traditionelle Abbrennen von Frühlingsfeuer unter der Bezeichnung Funken im Dreiländereck Schweiz, Fürstentum Liechtenstein und Österreich unweigerlich wieder an die Glarner Tradition des Gedenkens an den Landespatron «Fridolin» und an die damit verbundenen Fridolinsfeuer im Kanton Glarus erinnert. Was diese Tradition anbelangt, muss ich zugestehen, dass die Rheintaler den Frühlingsbrauch wesentlich intensiver als die Glarner pflegen, denn der Funkensonntag gilt hier vielerorts als einer der Brauchtumshöhepunkte des Jahres. Da bereiten Jugendliche und Erwachsene den funkenden Anlass teilweise mit viel Akribie gemeinsam vor. Oftmals sind es Narrenvereine oder spezielle Funkenzünfte, welche nicht nur die Tradition, sondern auch das ganze Drumherum um das Funkenfeuer hochhalten. Ob Funken oder Fridolinsfeuer, beides sind typische Frühlingsfeuer, welche wahrscheinlich heidnischen Ursprungs sind. Heute wird diese Tradition hauptsächlich im schwäbisch-alemannischen Raum gepflegt. Vorarlberg, Fürstentum Liechtenstein, Nord- und Ostschweiz, Schwarzwald, Allgäu, Oberschwaben, das Tiroler Oberland und die Vintschgau gelten teilweise sogar als Funkenhochburgen. Aber auch Gebiete in Ostfrankreich, bis hinein in die Gegend von Aachen, kennen die Tradition des Vertreibens des Winters in der Art dieses Feuerspektakels.
Das Brauchtum «Fridolinsfeuer» wieder verstärkt pflegen
Im Rheintal ist der Funken in der Regel ein kunstgerecht aufgeschichteter Holzturm. Die Bezeichnung Turm darf dabei durchaus wörtlich genommen werden. Dieser kann, je nach Aufwand der «Funkenmacher», eine Höhe von bis zu 30 Metern erreichen. Das hölzerne Gebilde wird nach Einbruch der abendlichen Dämmerung am Sonntag nach Aschermittwoch – in Oberriet als eine spezielle Eigenheit sogar erst am 4. Fastensonntag – im Beisein der Dorfbevölkerung angezündet. Zuoberst auf dem Feuerhaufen ist eine Funkenhexe (im Schweizer Teil des Rheintal teilweise ein Böögg) angebracht. Eine mit Schiesspulver gefüllte Stoffpuppe, die schliesslich unter lautem Knallen explodiert. Fällt der brennende Feuerhaufen um, bevor die Hexe explodiert ist, gilt das als schlechtes Omen. Es gibt sogar Orte, wo man dann die Hexe am darauffolgenden Sonntag im Rahmen einer speziellen Zeremonie beerdigt. Wie schon erwähnt, wird im Tal der Linth das Brauchtum des Fridolinsfeuers landauf und landab gepflegt. Aber nicht ganz so intensiv wie andernorts. Seit der Umweltschutzgedanke dem Fridolinsfeuer den Charakter von Entsorgungsfeuer abgewöhnt hat, steht derzeit vielleicht die Tradition wieder etwas vermehrt im Vordergrund. Allerdings hat man damit zum Teil die Jugend um des tageweisen Sammelns von brennbaren Materialien beraubt. Es gibt heute Gemeinden, wo man im Interesse des Brauchtums das Brennmaterial professionell herankarrt und die Feuerhaufen durch Gemeindeangestellte aufgeschichtet werden. Den Schülern und Schülerinnen bleibt dann allenfalls noch das Entzünden des Feuers als aktiver Brauchtumsbeitrag übrig. Vielleicht müsste man zukünftig die Tradition des Fridolinsfeuers etwas überdenken, damit auch das Glarnerland im Interesse des Brauchtums auf der ganzen Linie zu den Funkenhochburgen zählt. Der Funke muss eben vor dem Entfachen des Feuers auf die Menschen überspringen, und das in den glarnerischen «Hueben» gleichzeitig auch im Sinne des Gedenktages an den Glarner Landespatron Fridolin, denn Tradition schafft letztlich auch Identität!
Der Funke vor dem Feuer
Während das Fridolinsfeuer im Kanton Glarus traditionsgemäss am Fridolinstag, also am 6. März, entfacht wird, kennt man andernorts das Brauchtum des Abbrennens von Frühlingsfeuer in der Regel am ersten Sonntag nach Aschermittwoch.