Ausbildungsbeiträge von insgesamt rund einer Milliarde Franken sowie eine Kompetenzerweiterung des Pflegefachpersonals, Berücksichtigung des höheren Pflegebedarfs von Personen mit komplexen Erkrankungen sowie von Personen, die palliative Pflege benötigen – das sind die wesentlichen und substanziellen Massnahmen, mit denen das Parlament die Pflege stärken und dem drohenden Personalmangel begegnen will. Mit dem indirekten Gegenvorschlag zurPflegeinitiative haben die eidgenössischen Räte im Frühjahr 2021 eine entsprechende Vorlage verabschiedet, die sofort umgesetzt werden kann, sofern die Pflegeinitiative am 28. November an der Urne abgelehnt wird.
Annahme der Pflegeinitiative verzögert die Behebung des Fachkräftemangels
Bei einer Annahme der Pflegeinitiative ist der indirekte Gegenvorschlag jedoch vom Tisch. Zwar würde bei einem Ja die Stärkung der Pflege in der Verfassung verankert, jedoch stünden dann die oben genannten Errungenschaften des indirekten Gegenvorschlags wieder zur Disposition. Der Bundesrat müsste eine Botschaft erarbeiten, und die Beratungen im Parlament würden wieder bei null beginnen – ein jahrlanger Prozess mit ungewissem Ausgang. Bis ein neuer Umsetzungsvorschlag vorläge, bliebe alles beim Alten – ein Stillstand also, der die Behebung des Fachkräftemangels verzögern würde. Wer Lösungsansätze jetzt und nicht erst in einigen Jahren will, lehnt die Initiative folglich ab.
Der kürzlich veröffentlichte nationale Versorgungsbericht zum Gesundheitspersonal der GDK und OdASanté zeigt eindrücklich auf, wohin die Reise führt: Die Versorgungslücken konnten zwischen 2019 und heute schon etwas geschlossen werden – also mehr Pflegende aus- und weitergebildet werden, dennoch zeichnet sich bis 2029 ein deutlicher Mangel an Pflegepersonal ab. Der indirekte Gegenvorschlag trägt bereits ab 2022 zur Stärkung der Pflege bei und beschränkt sich auf jene Elemente, die tatsächlich auf Bundesebene zu verankern sind. Mit einer Verfassungsänderung bzw. einer nationalen Gesetzgebung können die Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und mehr Personal pro Schicht nicht erfüllt werden. Diese Themen sind auf kantonaler Ebene und im bewährten sozialpartnerschaftlichen Dialog anzugehen.