«Der Libellenspiegel» – Begegnung im Wortreich Glarus

Es gibt viele Wege zur stadtglarnerischen Kulturbuchhandlung Wortreich, damit verbunden sind zumeist Begegnungen aller Art. Diesmal war Yusuf Yesilöz mit seinem neuen Roman «Der Liebellenspiegel» zu Gast. Nach der Begrüssung hinterfragte Christa Pellicciotta, Geschäftsführerin, eine grosse Zahl von Gedanken, die in ihr beim Lesen gewachsen sind. Mit dem sorgsamen Beantworten führte der Buchautor in eine Welt, die in einigen Grundzügen verdeutlicht wurde. Bereitwillig, sorgsam abwägend, führte Yusuf Yesilöz in die kurdische Gesellschaft und viele Problematiken im Zusammenleben in Westanatolien ein. Sein Roman ist der Abschluss einer Trilogie.



«Der Libellenspiegel» – Begegnung im Wortreich Glarus

Yusuf Yesilöz, 1964 geboren, kam 1987 in die Schweiz. Er lebt in Winterthur und ist als freier Autor, Filmemacher und Übersetzer tätig. Sein literarisches Schaffen wurde vielfach ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt.
Mit der deutschen Sprache, so Christa Pellicciotta, habe er sich ganz schnell vertraut gemacht. Er habe irgendwann einmal eine Buchhandlung eröffnet, diese Verpflichtung nach drei Jahren aber wieder aufgegeben. Von damaligen Kunden, dem grossen Bekannten- und Freundeskreis, seinem literarischen Schaffen, das für ihn ausschliesslich in der deutschen Sprache geschehe, hätte Yusuf Yesilöz gewiss ganz viel erzählen können. In kluger Art beschränkte er sich auf das, was ihm wesentlich erschien. Türkisch sei für ihn die erste Muttersprache gewesen – auch wenn er in einem kurdischen Dorf aufwuchs. Er bedauert, dass die kurdische Sprache in dieser, ihm damals sehr vertrauten Umgebung, langsam aussterbe.

Auf die Vielfalt der Sprache kam er sodann zu reden, er pflegt und lebt diesen Reichtum, bringt der interessierten Leserschaft, das näher, was für ihn bedeutsam ist, das verdeutlicht, was dem Verständnis der vielen Zusammenhänge in seinem neuesten Buch zugutekommt, was Interesse und Anteilnahme unweigerlich weckt. Es ist eine zuweilen blumige, deutungsstarke Sprache. Inhalte werden detailliert, sachbezogen und in willkommener Direktheit ausgedrückt. So wächst die Vielfalt der Geschehnisse in einer Weise, die man zuweilen unwillkürlich zu erleben scheint, die einen mit den wechselvollen Inhalten in ihren Bann zieht.

Das Buch handelt von Sahar, die ein Kind mit einem unverheirateten Mann hat. Für ihre Familie ist das äusserst empörend, unerhört. Amtlich verheiratet ist sie mit ihrem Cousin Beyto. Sahar erfährt nach Beytos Flucht nach London, dass er schwul ist. In Sahars Kulturkreis hat Derartiges kaum Raum. Sie, die Mutter ihrer Tochter Amal kämpft leidenschaftlich dafür, dass die Kleine und deren Vater Michael, ihr Partner, von der Familie anerkannt wird.
Anlässlich eines Besuches in einer Änderungsschneiderei lernt sie die Schneiderin Juana, auch sie mit dem Tabuthema Homosexualität lebend, kennen. Es sind lange Gespräche zwischen den Frauen, die sich ergeben. Damit verbunden ist ein zäher Kampf des Aufweichens erstarrter Strukturen. Es ist das bewegende Einlesen in die Kraft der tiefen Freundschaft, das erfüllt, betroffen macht.

Yusuf Yesilöz nimmt einen in diese, zuerst eher fremde Welt bereitwillig, kenntnisreich, mit. Er schildert in einer gut verständlichen, blumigen Sprache, äussert klar, lebensnah, nichts beschönigend. Damit schafft er eine willkommene Spannung, die einen kaum loszulassen scheint, riesig lebensnah ist, viel Hingabe und eine reiche Gefühlswelt offenbart.

«Der Libellenspiegel» ist nach «Hochzeitsflug» und «Die Wunschplatane» der dritte Roman. Der erste Roman wurde vor wenigen Jahren unter dem Titel «Beyto» von Gitta Gsell verfilmt. An den Solothurner Filmtagen gewann er den Publikumspreis.

Während und nach der Lesung ergab sich die willkommene Gelegenheit für Fragen, Zwischenbemerkungen und kurzen Gesprächen. Yusuf Yesilöz wurde nach einem Treffen in Thusis – dies anno 2007 – von Christa Pellicciotta für eine erste Lesung in Glarus angefragt. Zwei Jahre später weilte er erstmals im «Wortreich». Es ergaben sich gehaltvolle, willkommene Begegnungen.