Der Multimillionär

Vor einiger Zeit erhielt ich eine sehr wichtige E-Mail von einer Anwaltskanzlei in Amerika. Darin stand, es wäre ein riesiges Glück, mich endlich gefunden zu haben. Viele Jahre hätten sie nach mir gesucht. Es handle sich um ein Erbe von über 70 Millionen Dollar.



Kolumne von Martin Carl Mächler (zvg)
Kolumne von Martin Carl Mächler (zvg)

Und die E-Mail begann so: «Sehr geehrte Herr Empfänger dieser Nachricht, es ist von übermächtiger Gewichtigkeit, sie sollten kontaktieren uns, damit wir Geld ihnen überweisen können.»

Super, dachte ich, darauf warte ich schon mein ganzes Leben. Über das schlechte Deutsch wunderte ich mich nicht. Schliesslich sprechen die Leute in Amerika ja Englisch. Und wer kann bei einem Erbe von so grosser Höhe schon nein sagen? So entschloss ich mich zu antworten: «Sehr geehrte Damen und Herren der Anwaltskanzlei, ich freue mich über diese erfreulichen Neuigkeiten. Machen Sie sich mit dem Überweisen keine Mühe. Da ich jetzt ja reich bin, werde ich das Geld persönlich bei Ihnen abholen. Bitte geben Sie mir Ihre Adresse und Telefon-Nummer bekannt. Freundliche Grüsse sendet Ihnen der Empfänger Ihrer E-Mail.»

Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. «Sehr geehrter Empfänger, es leidet uns, zu mitteilen, das Geld ist in der Bank festgefroren. Nur über ihre Bankdaten können wir senden. Und für über Wicklung benötigen wir 15 000 USD. Damit wir tätigen können.»

Na gut, dachte ich, was sind schon 15 000 Dollar, wenn ich über 70 Millionen bekommen werde. So schrieb ich abermals. «Geschätzte Damen und Herren der Anwaltskanzlei, ich verstehe Ihren Anspruch für die Abwicklung dieser Transaktion. Da ich nicht in der Lage bin, Ihnen 15 000 Dollar zu überweisen, ermächtige ich Sie hiermit, das von Ihnen benötigte Honorar von meinem Erbe abzuziehen und mir das restliche Geld persönlich zu übergegen. Mit freundlichen Grüssen, Empfänger Ihrer E-Mail.»

Eigenartigerweise erhielt ich keine Rückmeldung mehr. Waren meine Vorschläge, das Geld persönlich abzuholen und das Honorar direkt vom Erbe abzuziehen, nicht regelkonform? Oder wurde ein anderer Erbe gefunden? Ich weiss es nicht. Und 15 000 Dollar schien mir für eine Überweisung doch etwas viel. Oder bräuchten Sie das Geld, um die festgefrorenen 70 Millionen wieder aufzutauen?

Aber was solls, sind mir eben die 70 Millionen Dollar durch die Lappen gegangen. Was hätte ich mit so viel Geld anfangen sollen, denke ich mir augenzwinkernd.

P.S. Noch bevor ich diesen Bericht zu Ende geschrieben habe, flattert schon die nächste E-Mail ins Haus. Diesmal ist es eine nette ältere Dame, die ihr Vermögen verschenken will. Na also, läuft doch prima.