Der Regierungsrat beschliesst Massnahmen zur Förderung der politischen Partizipation

Der Regierungsrat hat entschieden, wie er die Beteiligung der Glarnerinnen und Glarner an der Politik fördern will. Grundlage dafür ist eine umfassende Analyse der politischen Partizipation im Kanton Glarus, die nun veröffentlicht wird. Handlungsbedarf sieht der Regierungsrat bei den kommunalen Legislativen. Reformen des Landsgemeindesystems lehnt er hingegen ab.



Der Regierungsrat beschliesst Massnahmen, um die Beteiligung der Glarnerinnen und Glarner an politischen Prozessen zu verbessern. Am bisherigen Landsgemeindesystem soll nicht gerüttelt werden • (Foto: Samuel Trümpy)
Der Regierungsrat beschliesst Massnahmen, um die Beteiligung der Glarnerinnen und Glarner an politischen Prozessen zu verbessern. Am bisherigen Landsgemeindesystem soll nicht gerüttelt werden • (Foto: Samuel Trümpy)

Der Regierungsrat hat vom Bericht zur Förderung der politischen Partizipation Kenntnis genommen und über den entsprechenden Handlungsbedarf befunden. Der Bericht ist eine Massnahme aus der Legislaturplanung 2019‒2022. Darin setzt sich der Regierungsrat das Ziel, die Beteiligung der Menschen an der Politik zu erhöhen. Verfasst wurde der Bericht von einer Arbeitsgruppe, die vom Regierungsrat Ende 2019 eingesetzt worden war.

Der Bericht liefert eine systematische Auslegeordnung über die politische Partizipation im Kanton Glarus auf den Stufen Bund, Kanton und Gemeinden. Diese Auslegeordnung basiert auf einer Analyse der verschiedenen bestehenden Instrumente zur politischen Partizipation im Kanton Glarus sowie einer Bevölkerungsbefragung. Damit wird einerseits aufgezeigt, wo allfällige Probleme in Bezug auf die Partizipation bestehen, andererseits wird mit der Bevölkerungsbefragung dargelegt, wie, weshalb und unter welchen Umständen sich die Glarner Stimmberechtigten an der Politik beteiligen. In Kenntnis dieser Ergebnisse definierte die Arbeitsgruppe acht Handlungsfelder und diskutierte insgesamt 33 Massnahmen, die in einem Katalog erfasst wurden. Die Unterlagen stehen auf www.gl.ch/partizipation zur Verfügung.

Der Regierungsrat hat in zwei Sitzungen über die Massnahmen im Zuständigkeitsbereich des Kantons diskutiert. Basierend auf den Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe entschied er, welche Massnahmen weiterverfolgt werden sollen.

Regierungsrat will Reform der kommunalen Legislativen

Der Regierungsrat anerkennt den durch die Arbeitsgruppe sowie zwei pendente Memorialsanträge aufgezeigten Handlungsbedarf in Bezug auf das Gemeindeversammlungssystem (s. Massnahmenkatalog, Massnahme 1.1). Der Regierungsrat sieht in der Einführung von Gemeindeparlamenten eine Chance zur Verbesserung der Partizipation auf Gemeindestufe. Der Kanton soll im Reformprozess eine aktive Rolle einnehmen. In einem ersten Schritt soll in Absprache mit den Gemeinden das Vorgehen zur Revision der Rechtsgrundlagen, insbesondere des Gemeindegesetzes, geplant werden. Zu berücksichtigten sind dabei die erwähnten Memorialsanträge. In diesen Revisionsarbeiten soll auch die Abschaffung des Informationstraktandums zu Beginn von Gemeindeversammlungen einfliessen (s. M 1.2). Von einer gesetzlichen Redezeitbeschränkung an der Gemeindeversammlung möchte der Regierungsrat hingegen absehen (s. M 1.3).

Landsgemeinde soll nicht angetastet werden

Beim Landsgemeindesystem erkennt der Regierungsrat keinen dringenden Reformbedarf. Eine Abschaffung der Landsgemeinde (s. M 3.1) und damit ein grundlegender Systemwechsel steht für ihn genauso wenig zur Debatte wie die vertiefte Prüfung einer Referendumslandsgemeinde (s. M 3.2) oder die Möglichkeit eines fakultativen Referendums gegen Landsgemeindebeschlüsse (s. M 3.3). Eingriffe in das gut funktionierende System mit seinen weitreichenden Mitwirkungsmöglichkeiten für die Stimmberechtigten führen aus Sicht des Regierungsrates zu einer schleichenden Abschaffung. Demgegenüber stehen offene Fragen bezüglich des Nutzens von Reformen in Bezug auf die politische Partizipation. Der Regierungsrat legt die Priorität aktuell auf die Sicherstellung der Krisensicherheit der Landsgemeinde. Der Landrat erteilte dazu bereits einen Auftrag zur Anpassung der Rechtsgrundlagen.

Die jahrhundertealte Institution Landsgemeinde muss sich in einem wandelnden Umfeld behaupten. Sie ist vor gesellschaftlichen oder technologischen Entwicklungen nicht gefeit. Der Regierungsrat beabsichtigt deshalb, eine sogenannte Generationenklausel in das Recht aufzunehmen (s. M 3.4). Mit dieser wird der Regierungsrat beauftragt, das Landsgemeindesystem in regelmässigen Abständen auf Tauglichkeit und Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu überprüfen. Wichtiger Bestandteil einer solchen Überprüfung ist unter anderem der Einsatz von technischen Hilfsmitteln zur Feststellung des Mehrs. Zum aktuellen Zeitpunkt möchte der Regierungsrat von solchen jedoch noch absehen (s. M 3.7). Die Prüfung der Machbarkeit einer (Teil-)Überdachung des Landsgemeinderings (s. M 3.6) oder die Verschiebung des Landsgemeindetermins in Richtung Sommer (s. M 3.5) – beides mögliche Massnahmen gegen die Wetteranfälligkeit der Landsgemeinde – lehnt der Regierungsrat ab. Während eine Verschiebung des Termins keine Gewähr für besseres Wetter bietet, verändert eine Überdachung aus Sicht des Regierungsrates den prägenden Charakter der Landsgemeinde.

Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene zu diskutieren

Im Bereich der politischen Rechte möchte der Regierungsrat das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer auf Gemeindeebene in die politische Diskussion einbringen (s. M 5.1). Die Glarnerinnen und Glarner sollen entscheiden können, ob die Gemeinden die Möglichkeit erhalten, Ausländerinnen und Ausländern auf kommunaler Stufe das Stimm- und Wahlrecht zu gewähren. Ein entsprechender Reformvorschlag wird ausgearbeitet. Ausserdem sollen im Glarnerland registrierte Auslandschweizer Stimmberechtigte künftig nicht nur die Glarner Vertretung im National-, sondern auch im Ständerat wählen können (s. M 5.4). Bei Majorzwahlen soll ein obligatorisches Anmeldeverfahren für Kandidaten eingeführt werden (s. M. 5.2). Eine Stimmpflicht, wie sie im Kanton Schaffhausen besteht, lehnt der Regierungsrat hingegen ab (s. M 5.3).

E-Voting weiterhin ein Ziel des Regierungsrates

Der Regierungsrat erkennt in der Digitalisierung Chancen für die Verbesserung der Partizipation, wenngleich ihm auch die Risiken bewusst sind. Er hält an der mittelfristigen Einführung von E-Voting genauso fest wie an seiner Strategie, den elektronischen Stimmkanal erst dann einzuführen, wenn dies für alle Glarner Stimmberechtigten möglich ist (s. M 6.1). Zudem sollen die Erfahrungen in anderen Kantonen abgewartet werden. Weiter will der Regierungsrat digitale Kanäle zwischen Bevölkerung und Behörden fördern, etwa zur Einreichung von Memorialsanträgen und von Petitionen oder zur Deponierung niederschwelliger Anliegen (s. M 6.2 und M 6.3). Potenzial erkennt er auch in der elektronischen Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens (s. M 6.4). Ein Pilotprojekt soll den tatsächlichen Nutzen aufzeigen. Aufgrund der geringen Bedeutung des Referendumsrechts und wegen des Einzelinitiativrechts im Kanton Glarus sieht der Regierungsrat bezüglich E-Collecting aktuell keinen Handlungsbedarf.

Politische Bildung: Massnahmen besser koordinieren

Die aktuell nicht oder nur wenig koordinierten Massnahmen im Bereich der politischen Bildung ausserhalb der Glarner Schulen sollen besser vernetzt werden. Allfällige Angebotslücken sollen geschlossen und Schnittstellen verbessert werden. Der Regierungsrat befürwortet deshalb die Einrichtung eines Runden Tisches gemeinsam mit den Gemeinden, der Jugendarbeit, den Schulen und den Jugendlichen (s. M 7.1). Ein für alle Bevölkerungsgruppen attraktives, zentrales Informationsangebot soll künftig über die vielfältigen Möglichkeiten der politischen Partizipation im Kanton Glarus Auskunft geben (s. M 7.3). Ein solches Angebot fehlt heute. Auf eine vertiefte Evaluation der politischen Bildung in der Schule (s. M 7.2) möchte der Regierungsrat hingegen verzichten. Das Thema soll jedoch beim Departement Bildung und Kultur auf der Agenda bleiben.

Das Landsgemeindememorial soll überprüft werden

Im Bereich der Behördenkommunikation fokussiert der Regierungsrat auf das Landsgemeindememorial. Dieses soll inhaltlich, in Bezug auf den Aufbau, die Sprache und Möglichkeiten der Digitalisierung überprüft werden (s. M 8.2), dies auch in Hinblick auf eine Dematerialisierung des Landsgemeindememorials (s. M 8.3). Die Versorgung der Stimmberechtigten mit weiteren gedruckten Informationen zu Wahlen oder Abstimmungen aus nicht offiziellen Quellen (etwa der Versand von Easyvote-Broschüren oder Flyern von Parteien im Vorfeld von Wahlen) durch die öffentliche Hand lehnt der Regierungsrat ab (s. M 8.4). Er kann sich hingegen vorstellen, mit dem Instrument eines «Bürgerbriefs» zu experimentieren (s. M 4.2). Mittelfristig sollen dessen Einsatzmöglichkeiten vertieft geprüft werden.

Weiteres Vorgehen

Der Regierungsrat wird in einem nächsten Schritt eine Planung zur Umsetzung der Massnahmen im Zuständigkeitsbereich des Kantons an die Hand nehmen. Herausfordernd wird dabei die Koordination der Umsetzung der diversen Massnahmen, die mit Rechtsänderungen verbunden sind, sein. Die Gemeinderäte der Glarner Gemeinden haben die Berichterstattung der Arbeitsgruppe ebenfalls zur Kenntnis genommen. Sie entscheiden zu einem späteren Zeitpunkt selbstständig über die Umsetzung von Massnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich.