Der schiefe Schiefertisch in Ennenda

Der eine oder andere Passant wird sich in der Nähe der norwestlichen Ecke des Gemeindehauses verwundert die Augen reiben und nochmals hinschauen. Weshalb steht da auf einem betonierten Sockel ein schiefer Tisch beziehungsweise bloss dessen Rahmen, und weshalb ist die Platte auf dem erwähnten Sockel angebracht?



Professor Peter Jenny
Professor Peter Jenny

Beim näheren, aufmerksamen Betrachten wird man alsogleich feststellen, dass mit dieser Skulptur ein gehöriges Stück Ennendaner Industriegeschichte aus dem 17. und 18. Jahrhundert verbunden ist. Die Entstehung des Ganzen ist einer Idee und dem tatkräftigen Mitbegleiten von Professor Peter Jenny und der seit elf Jahren bestehenden Stiftung Pro Ennenda zu verdanken. Anlässlich der kürzlich erfolgten Vernissage – im Beisein von Regierungsrätin Christine Bickel, Landratspräsident Dr. Matthias Auer und den glarnerischen Gemeinderatsmitgliedern Priska Geyer und Ernst Disch – lauschte man der Begrüssung durch Jürg Walcher, Präsident der Stiftung Pro Ennenda und den launigen Worten von Kaspar Marti, Präsident des Glarner Kunstvereins. Bildhauer Benjamin Sigrist aus Wetzikon fertigte die Skulptur in der Ennendaner Bildhauerei Oertli und Ledergerber, gefügt hat alles die in Ennenda domizilierte Metallbau Marti auf den Sockel, den das Baugeschäft Bäbler aus Glarus betonierte. Jürg Walcher wies auf die Aktivitäten der Stiftung hin und kam auf die Erfindung des Schiefertischs anno 1616 durch den aus Hessen stammenden Jakob Bellersheim und den anschliessenden wirtschaftlichen Aufschwung von Ennenda zu reden. Über Hundert Heimwerker fertigten die Tische in eigens eingerichteten Werkstätten. Der Wohlstand war derart, dass Ennenda zur reichsten Gemeinde der Schweiz gedieh. Das Holz stammte aus unseren Wäldern, der Schiefer aus dem Plattenberg Engi. Dass Peter Jenny seine Idee planerisch umsetzte und die Enstehung begleitete, wertete Walcher als wahren Glücksfall. Die erste finanzielle Unterstützung entstammt dem Migros Kulturprozent – ein weiterer Glücksfall, wobei weitere Sponsoren sehr willkommen sind. Kaspar Martis Laudatio war von neckischem Wortwitz und Tiefgründigem geprägt. Der Tisch – übrigens in Originalgrösse – stehe nun mal schief, die Stahlbeine seien im Biedermeierstil gefertigt. Den Tisch ordnete Marti klar und dezidiert der Kunstwelt und nicht einer Werbeplattform zu. Die Skulptur hat einen Bezug zu einem Stück dörflicher Industriegeschichte, die Inschrift auf der Tafel an der Oberfläche des Sockels zeugt davon. Marti zog in Gedanken eine Linie ab Standort der Skulptur zum Oberdorf, dem Ortsteil mit den damaligen Kleinwerkstätten. Diese Skulptur ist nicht als Stätte für irgendwelche Picknicks gedacht, dazu eignet sie sich auch nicht.Und nach der verbalen folgte die kulinarische Kunst, in Form eines reichhaltigen Apéros im Foyer des Gesellschaftshauses. Zu hoffen ist, dass alles so erhalten bleibt, wie es die erfreulich zahlreichen besucherfreundliche Grüsse der Vernissage angetroffen haben.