Die Anspannung vor dem grossen Tag

Seit letztem Montag drücken wieder Hunderte Glarner Kinder die Schulbank. Die Sommerferien sind vorbei und das neue Schuljahr hat begonnen. Vor allem die Erstklässer der Primarschule und der Oberstufe werden nervös und aufgeregt auf die neue Situation gewesen sein. Aber auch für viele Lehrpersonen ist er ganz speziell: der erste Schultag.



Die Anspannung vor dem grossen Tag

Felix hatte einen unruhigen Sonntagabend. Nervös dachte er an den kommenden Morgen, an den ersten Schultag. Wie sind die neuen Schüler? Wie die neuen Lehrer? Und das alles in einer neuen Umgebung, dem Oberstufenschulhaus Buchholz in Glarus. Doch Felix ist nicht einer der vielen Glarner Kinder, die zum ersten Mal in die Schule gehen oder in der Oberstufe in eine ganz neue Klasse kommen. Felix steht seit letztem Montag als Klassenlehrer «Herr Morard» vor der Realklasse 1Rc. Von Sarnen wechselte er auf dieses Schuljahr an die Oberstufenschule Buchholz.

Das grosse «Lampenfieber»

«Auch nach 25 Jahren Unterricht bin ich jedes Mal vor dem ersten Schultag nervös. Eigentlich habe ich das Gefühl, es wird von Mal zu Mal schlimmer.» Mit diesem «Lampenfieber» steht Felix Morard nicht alleine da, für viele Lehrpersonen – nicht nur Junglehrer – ist der erste Schultag ein Tag mit vielen Fragezeichen. «Auch mit viel Erfahrung weiss man nie, wie die Schüler auf den Lehrer reagieren oder als Klasse funktionieren.» Dies sei für ihn aber etwas sehr Schönes, da man immer wieder neue, spannende Erfahrungen machen kann.

Von Nervösität oder Anspannung ist nach der grossen Pause kaum etwas zu spüren. Locker dirigiert Morard seine Schüler im nicht immer beliebten Fach Französisch. «Wenn ich vor den Schülern stehe, ist die Anspannung weg und ich bin in der Arbeit drin.» Mit einfachen Übungen und Fragen holt er die Schüler langsam in die Sprache, schwenkt aber auch immer wieder ab, mit Fragen zum Allgemeinwissen oder eigenen Erfahrungen. «Welche Länder sprechen Französisch?» oder «Was hast du in Paris gesehen?», sind zwei Beispiele dafür. «Es ist sehr wichtig, dass am Anfang eine ruhige und entspannte Atmosphäre entsteht.» Denn die Schüler sind mindestens ebenso nervös. Bei einigen habe er das deutlich gespürt. Ausser bei Alex, der sei von Beginn weg fokussiert gewesen.

Viele Unbekannte

Auch die Schüler machten sich am Vorabend ihre Gedanken über die neuen Mitschüler und die neuen Lehrer. «Es sind so viele neue Sachen, die auf mich zukommen», beschreibt es eine Schülerin, «doch jetzt gefällt es mir in der Klasse und ich freue mich auf die nächsten Tage.» Ganz speziell ist es für einige Kinder von Morard im Buchholzschulhaus, dass sie jetzt den «grossen» Pausenplatz benützen dürfen, den für die Oberstufenschüler. Andere Schüler kommen aus Riedern oder Netstal und müssen sich an die neue Umgebung gewöhnen. Für zwei Schülerinnen wurde der erste Schultag sogar zu einem Wiedersehen. Zuerst zusammen in der Primarschule, waren sie in den letzten Jahren in verschiedenen Schulgebäuden getrennt, jetzt aber teilen sie sich nicht nur den Namen Celine, sondern auch das Pult.

Nach der Pausenglocke und den ersten Hausaufgaben im «Franz» wird es wieder bürokratischer. Stundenpläne und Kontakthefte sind auszufüllen, Hausaufgaben einzuschreiben. «Der administrative Aufwand ist notwendig, ist aber für das Kennenlernen nicht förderlich», meint Morard dazu. Am ersten Schultag konzentriert er sich immer, die Schüler und Schülerinnen ganz genau zu beobachten. «Für mich ist es wichtig, dass ich die Gesichter der Schüler lesen kann, dass ich sie spüren kann.» Denn auch nach der Eingewöhnung in die Klasse bleibt das Ganze ein fragiles Gebilde. Vieles kann die Stimmung der Kinder oder das Klima der Klasse beeinflussen. «Vieles davon sind Faktoren, die der Lehrer oder die Schule nicht beeinflussen können: Eltern, Freunde, Liebeskummer.» Für die Lehrperson geht es in den ersten Wochen auch darum, die Namen der Schülerinnen und Schüler zu lernen. Dies sei ganz wichtig, damit man den Kindern zeigt, dass sie wichtig sind und man sie ernst nimmt. «Das Merken von Namen ist dabei nicht eine meiner Stärken. Ich versuche deshalb den Namen mit etwas Persönlichem zu verbinden.»

Vorbereitung: Das «A» und «O»

Zentral für die Lehrperson ist für Morard die Vorbereitung. «In der doch zuerst angespannten Situation wäre es fatal, wenn Blätter oder Unterlagen vergessen gehen.» Das brächte eine unnötige Hektik und man würde sich zu stark auf die Probleme und nicht mehr auf die Schüler konzentrieren. Deshalb hatte Morard alle Lektionen penibel schriftlich vorbereitet und alle Unterlagen sauber auf seinem Tisch ausgebreitet. «Ausserdem gebe ich den Schülern nur das Material ab, das sie im Augenblick benötigen. Dann habe ich den Überblick und die Kinder werden nicht überfordert.» Bei den zahlreichen Unterrichtsmaterialien und Büchern auch eine Entlastung für den Thek oder Rucksack.

Mit der Pausenglocke geht anschliessend der erste Vormittag für die 16 Knaben und Mädchen der 1Rc zu Ende. Ein Morgen, an dem grosse Anspannung grosser Freude gewichen ist. «Jetzt finde ich die Klasse cool! Der Lehrer ist witzig und nett. Ich freue mich auf die nächsten Tage in der Real», so das Fazit einer Schülerin und mit vielleicht etwas anderen Worten auch das Fazit von Fritz Morard sowie hoffentlich auch das Fazit bei allen übrigen Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen, die am letzten Montag ihren ersten Schultag hatten.