Die Blauen Schweden kommen

Können Sie sich etwas unter Blaue Schweden, Parli und Acht-Wochen-Nüdeli vorstellen? Die Sonderausstellung Ausstellung „blau machen - oder warum wir so viele Kartoffelsorten brauchen“ im Naturmuseum Engi hält die Antwort bereit.



Philipp Holzherr von ProSpecieRara
Philipp Holzherr von ProSpecieRara

Rohe Pommes frites, Saucen-Päckli, Schnaps, „Stocki“, Sprit, Schweinsplätzli und blaue Knollen zauberte Roland Müller, Konservator des Glarner Naturmuseums, am vergangenen Mittwochabend hervor. Die Vernissage-Gäste aus Politik, Kultur und Landwirtschaft merkten bald einmal, dass alle diese Produkte etwas mit Kartoffeln zu tun haben. Höhepunkt der „Eröffnungsshow“ war der von den Köchen des Altersheim Letz in Näfels kreierte Apéro mit Kartoffel-Surprisen: gelbe, orange-rote und blaue Häppchen auf der Basis von Kartoffeln. Dabei stach die Kartoffelsorte „Blaue Schweden“ rein schon optisch hervor. „Eigentlich sollte man zu Kalberwürsten diese blaue Sorte nehmen, dann hätte das Glarner Menü nicht so ein blasses Aussehen,“ meinte jemand und spann den Faden sofort weiter: „Mit den blauen und orange-roten Sorten könnten unsere Glarner Spitzenköche doch super neue Kartoffel-Kreationen erfinden.“ Dies umso mehr, als dass die Kartoffeln im Jahre 1590 durch Jakob Strub (Söldner oder Abenteurer oder Handelsmann) zuerst nach Schwanden kamen und dann in der ganzen Schweiz zu einem Volksnahrungsmittel wurden.

Ein Hoch auf die Sortenvielfalt

In der vom DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) konzipierten Wanderausstellung „blau machen“ wird die Geschichte der Kartoffel informativ und anschaulich gezeigt. Claudia Kock Marti, Regionaldelegierte des Dialog Nord-Süd, auf dessen Initiative „blau machen“ ins Glarnerland kam, nannte als Ausstellungs-Ziel „den Wert der Biodiversivät“ unters Volk zu bringen. Biodiversität bedeutet "Vielfalt des Lebens“ und kann sowohl die genetische Vielfalt innerhalb einer Population bezeichnen als auch den Grad des Artenreichtums. Wenn nur noch wenige Kartoffel-Sorten angebaut werden, wächst die Krankheitsanfälligkeit. Das DEZA unterstützt deshalb in Lima ein Forschungszentrum mit Gen-Bank, damit die Kleinbauern weiterhin möglichst viele Sorten anbauen und vermarkten können. In Peru, dem Mutterland der Kartoffel, gibt es etwa 3000 Kartoffelsorten in verschiedensten Formen.

ProSpecieRara handelt

Philipp Holzherr, Projektleiter Garten- und Ackerpflanzen der Stiftung ProSpecieRara, zeigte auf, wie wichtig es ist, auch in der Schweiz die verschiedenen Kartoffelsorten am Leben zu erhalten. Wichtig ist, dass die Saatkartoffeln frei von Kraut- und Knollenfäule und Viren sind, denn sonst degeneriert die nächste Ernte. Dies war von 1845 bis 1849 der Fall, als in Europa wegen der „Kartoffelpest“ eine Hungersnot ausbrach und viele zum Auswandern zwang. Weil das Naturmuseum nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere ausstellt, konnte Roland Müller gleich zwei Kartoffelschädlinge präsentieren, nämlich einen toten Kartoffelkäfer und lebendige Raupen des Totenkopfschwärmers. Die Stiftung ProSpecieRara will nun u.a. ursprüngliche Kartoffelsorten zu retten. Mit gezielten Projekten, einige zusammen mit den Grossverteilern, wird angestrebt, etwa 100 Sorten zu pflegen und auch wieder unter die Konsumenten und kreativen Köche zu bringen.

Es lohnt sich, blau zu machen, um die blaue Kartoffel und all ihre „Kollegen“ in Engi in natura zu besichtigen und sich in die Geschichte der Kartoffel zu vertiefen. Für Schulen gibts spezielle Unterrichtsblätter.