«Die Brücke» – von ganz verschiedenen Verbindungen

Zuweilen sind Brücken schmal, baufällig, holprig oder eng, dann wieder breit, modern, sehr verkehrstauglich, baugeschichtlich wertvoll – aber immer haben sie den Zweck eine Verbindung von einem zum andern Ort zu gewährleisten. Brücken entwickeln sich durch Gedanken, Handlungen oder Gespräche, wollen zuerst mal geplant, dann erstellt sein.



Den Clochard Jack spielte Christian Hunziker. (Bilder: pmeier) Beni Hunziker in der Rolle des erfolgreichen Architekten Gustave.
Den Clochard Jack spielte Christian Hunziker. (Bilder: pmeier) Beni Hunziker in der Rolle des erfolgreichen Architekten Gustave.

Christian und Beni Hunziker, in Hätzingen wohnhaft, vom Theatervirus extrem stark befallen, haben sich an eine Aufgabe herangewagt, deren bühnengerechte Umsetzung beiden ganz viel abverlangt hat. «Die Brücke» ist Titel eines Begegnens, das viele Inhalte hat. Verzweiflung, Anschuldigung, Trauer, Hilflosigkeit, Vereinsamung, tiefer Fall in soziales Elend, Trunksucht, Arbeitslosigkeit, Berufliches, gescheiterte Gemeinschaft, fehlendes gegenseitiges Verständnis, Suizid werden da ausgespielt, deutlich, handfest, nachvollziehbar verständlich. Die Wende zu Versöhnlichem, Gemeinsamem, gegenseitigem Helfen, positivem Erkennen, hilfreichem Rückbesinnen, verständnisvollem Gedankenaustausch, Ausblenden von Falschmeldungen, die via Presse an zuweilen sensationslüsternes Publikum gelangte, Aufarbeitung und Sammeln von Anmerkungen der verstorbenen Jana, ehemalige Ehefrau des anerkannten Architekten Gustave (von Beni Hunziker verkörpert) überwiegen gegen den Schluss des Stücks, das als Premiere vor grossem Publikum in der Aula der Kanti Glarus angeboten war. Dem ständig Äpfel kauenden Architekten – die Auflösung dieser Marotte ergibt sich erst mit dem Schluss des Stücks – gegenüber agiert der Clochard Jack (Christian Hunziker), der mit vielem aus seiner einst durchaus intakten Vergangenheit abgeschlossen hat, der seinen Job als Taxifahrer verlor, mit Janas Tod einiges zu tun hat. Er lebt unter jener Brücke, die Stätte des zahlreich Tage umfassenden Begegnens ist. Es sind nur noch wenige Sachen vorhanden, die man zum Leben halt so braucht. Damit kommt Jack mehr oder weniger zurecht, er hat sich mit Einschränkendem arrangiert, kämpft sich so schlecht und recht durch die Tage. Es taucht der Architekt Gustave auf – anfänglich fragt man sich, was der eigentlich an diesem Ort suche. Jack weist ihn schroff weg, mit ihm will er gar nichts zu tun haben. Es werden nur wenige, zumeist heftige und situationsgerechte Worte gewechselt. Es prallen zwei Welten aufeinander, die sich zu Beginn des Stücks fremder nicht sein könnten – wäre da nicht eine Holzkiste, in der eine Bibel aufbewahrt ist! Und ausgerechnet die kommt abhanden, wird wieder aufgefunden und dem Clochard zurückgebracht. Und langsam, in dosierten Portionen, reiht sich Erkenntnis an Erkenntnis.

In den vermeintlichen Suizid von Jana sind beide involviert. Gustave ist der, der seine Frau vernachlässigt hat, ihr nie intensiv zu begegnen wusste, nie Verständnis signalisierte, ihr einfach jenen Raum gab, der in seelenlosem Miteinander zum Tagesablauf gehört. Er nahm nie zur Kenntnis, wie Jana von ihm dachte, wie sie ihre Eindrücke, Erlebnisse und Hoffnungen an verschiedenen Stellen jener Bibel notierte, die zusehends Mittelpunkt des Geschehens wurde. Darüber beugen sich Jack und Gustave, sinnieren über Gelesenes, zitieren die entsprechenden Passagen aus der Bibel, verknüpfen Fakten zu einer immer zentraler werdenden Botschaft. Es wachsen gegenseitiges Verständnis, der Wille des Aufarbeitens, die Fähigkeit, Belastendes abzubauen, die Wahrheit über diesen Tod herauszuschälen aus der Fülle der eigenen Mutmassungen, Presseinformationen und gnadenlosen Verurteilungen.

Es ist ein langer Prozess, der für Jack und Gustave, auch für Jana mit Versöhnlichem endet, symbolisch mit dem Betrachten eines spriessenden Apfelbäumchens am Fuss des Brückenpfeilers, herrührend von den ewig weggespickten Apfelkernen.

Beni und Christian Hunziker wirken authentisch, ihren Part spielen sie durchaus leidenschaftlich, sehr situationsgerecht. Nichts wirkt irgendwie aufgesetzt. Und es spricht durchaus für ihre Spielkunst, dass Unvorhergesehenes elegant gemeistert wird – in diesem Falle war es der stoffbezogene Hintergrund, der irgendwelchen Belastungen nicht mehr standhielt und sich sichtbar deutlich zusammenzuklappen begann.

Mit dem rund anderthalb Stunden dauernden Stück wird dem Publikum eine bewegende Botschaft weitergegeben – von der Evangelisch - methodistischen Kirche ArtikelGlarus massgebend mitgetragen.

Mit verdient starkem Beifall wurden die wechselvollen, intensiv ausgespielten Geschehnisse verdankt.